Bewerbungen während Freistellung nach Kündigung ein Muss?

Wenn Arbeitgeber Mitarbeitende nach einer Kündigung von der Arbeit freistellen, besteht die Möglichkeit, dass sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Für Arbeitgeber birgt dies das Risiko hoher Lohnnachzahlungen, da der unwirksam kündigende Arbeitgeber nach ständiger Rechtsprechung dann in Annahmeverzug gerät, ohne dass der Arbeitnehmer seine Arbeit wörtlich anbieten muss.
Streitig ist oftmals, ob der Arbeitnehmer sich anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Auch im vorliegenden Fall hat sich das BAG damit auseinandergesetzt und klargestellt, dass nach einer Kündigung freigestellte Beschäftigte sich in der Regel nicht schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis suchen müssen.
Der Fall: Keine Gehaltszahlung während Freistellung
Der Arbeitnehmer war seit November 2019 beschäftigt und zuletzt als Senior Consultant tätig. Sein Arbeitsverhältnis wurde ihm ordentlich zum 30. Juni 2023 gekündigt. Unter Anrechnung des Resturlaubes stellte der Arbeitgeber ihn bis zum Ende der dreimonatigen Kündigungsfrist frei. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Auch das Landesarbeitsgericht erklärte die Kündigung im Juni 2024 für unwirksam.
Arbeitnehmer macht Annahmeverzugslohn geltend
Nachdem er die Kündigung erhalten hatte, meldete sich der Arbeitnehmer Anfang April 2023 arbeitssuchend. Während die Agentur für Arbeit dem Arbeitnehmer erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge schickte, erhielt er vom Arbeitgeber schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen veröffentlichte Online- Stellenangebote. Nach Einschätzung des Arbeitgebers wären alle für den Arbeitnehmer in Betracht gekommen. Der Consultant bewarb sich allerdings nur auf 7 Stellenangebote und das auch erst ab Ende Juni 2023, also gegen Ende der Kündigungsfrist.
Verpflichtung, sich auf Stellenangebote zu bewerben?
Als der Arbeitgeber die Lohnzahlung ab Juni 2023 einstellte, klagte der Arbeitnehmer diese vor Gericht ein. Die Arbeitgeber begründete seine Weigerung, das Gehalt für den letzten Monat zu zahlen, damit, dass der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen sei, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 nach § 615 Satz 2 BGB fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des beim Arbeitgeber bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
BAG: Arbeitgeber schuldet Vergütung für Dauer der Kündigungsfrist
Das Bundesarbeitsgericht urteilte nun, dass sich der Arbeitgeber aufgrund der von ihm einseitig erklärten Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug befand. Nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611a Abs. 2 BGB müsse er dem Senior Consultant die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist zahlen.
Den Einwand des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer sich den nicht erzielten anderweitigen Verdienst anrechnen lassen müsse, weil er sich nicht genug beworben habe, ließ das oberste Arbeitsgericht nicht gelten. Es stellte fest, dass die fiktive Anrechnung eines böswillig unterlassenen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB nur gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) untätig geblieben sei.
Keine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes
Das BAG wies in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Umfang der Verpflichtung des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werde können. Vorliegend hätte der Arbeitgeber nach Meinung des Gerichts darlegen müssen, dass ihm eine Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen sei. Dies habe er jedoch nicht getan. Davon ausgehend habe für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung bestanden, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Februar 2025, Az.5 AZR 127/24;
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2024, Az. 9 Sa 4/24
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