BAG zum Annahmeverzugslohn bei Insolvenz

Ein Insolvenzverwalter muss nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erneut kündigen, um die Entstehung eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn als Neumasseverbindlichkeit zu verhindern. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass eine bereits ausgesprochene Kündigung wirksam ist, urteilte das BAG.

Bei einer Insolvenz bestehen die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich weiter. Die Arbeitgeberrechte und -pflichten des Schuldners gehen aber gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) auf den Insolvenzverwalter über. Das bedeutet, dass dieser, um Arbeitsverhältnisse zu beenden, grundsätzlich wie ein Arbeitgeber kündigen muss – also unter Beachtung des Kündigungsschutzes, wobei sich in der Insolvenzordnung Sonderregelungen finden.

Im vorliegenden Fall erwies sich die Kündigung, die Insolvenzverwalter einer Arbeitnehmerin gegenüber vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ausgesprochen hatte, als unwirksam. Das BAG hatte über die Ansprüche der Arbeitnehmerin auf Annahmeverzugslohn zu entscheiden und infolge auch, ob diese als Neumasseverbindlichkeiten einzuordnen sind.

Der Fall: Kündigung des Insolvenzverwalters unwirksam

Die Arbeitnehmerin war als Filialleiterin bei einer Drogeriekette beschäftigt. Als das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet wurde, kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis und stellte sie von der Pflicht zur Arbeit frei.

Danach zeigte der Insolvenzverwalter die drohende Massenunzulänglichkeit an, also die Tatsache, dass die vorhandene Masse nicht ausreicht, um die Masseverbindlichkeiten und die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Die Arbeitnehmerin wehrte sich vor Gericht gegen ihre Kündigung, welche im Kündigungsschutzprozess dann für unwirksam erklärt wurde. Das Arbeitsverhältnis endete tatsächlich erst nach einer weiteren Kündigung des Insolvenzverwalters durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich.

Insolvenz: Arbeitnehmerin verlangt Annahmeverzugslohn 

Vorliegend forderte die Filialleiterin mit ihrer Klage gegen den Insolvenzverwalter die Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum zwischen dem frühestmöglichem Kündigungstermin und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, er sei während des laufenden Kündigungsschutzprozesses nicht zu einer vorsorglichen Nachkündigung gegenüber der Arbeitnehmerin verpflichtet gewesen. Die erste Kündigung vor Anzeige der Massenunzulänglichkeit sei nicht offensichtlich unwirksam gewesen, zudem habe er angesichts der bereits erfolgten Freistellung keine Arbeitsleistung für die Masse erhalten, argumentierte er.

BAG: Annahmeverzugslohn bei unwirksamer Kündigung  Neumasseverbindlichkeit

Das BAG urteilte zugunsten der gekündigten Arbeitnehmerin. Das Gericht entschied, dass ihr Annahmeverzugsvergütung trotz zuvor erfolgter Freistellung und streitiger Kündigung als Neumasseforderung zustehe. Dabei verwies es in der Begründung auf § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Dieser lege den Termin fest, bis zu dem der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis spätestens beendet haben muss, um Neumasseverbindlichkeiten zu vermeiden. Beim von der Arbeitnehmerin geltend gemachten Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem ihr der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, handelte es sich folglich um eine Neumasseverbindlichkeit.

Kündigung unwirksam: Das Risiko trägt der Insolvenzverwalter

Eine Pflicht des Insolvenzverwalters zu einer vorsorglichen Neukündigung nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit verneinten die Richter. Allerdings trage der Insolvenzverwalter das Risiko, dass sich diese Kündigung als unwirksam erweise und folglich Neumasseverbindlichkeiten begründet würden. Gleiches gelte, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündige und diese Kündigung unwirksam sei. 

 

Hinweis: BAG, Urteil vom 22. 02. 2018, Az: 6 AZR 868/16; Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. 07. 2016, Az: 6 Sa 23/16



Schlagworte zum Thema:  BAG-Urteil, Insolvenzverfahren