Entgelttransparenz: Auskunftsanspruch kann auch für freie Mitarbeiter gelten
Das Engelttransparenzgesetz (EntgTranspG) soll Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen durch Transparenz entgegenwirken. Dazu haben Beschäftigte gemäß § 10 EntgTranspG einen Auskunftsanspruch. Vorliegend klagte eine "feste freie" ZDF-Redakteurin gegen den Mainzer Sender, da sie sich wegen der - im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen - geringeren Vergütung diskriminiert sah. Ihre Klage, die auch auf Auskunft über die Vergütung ihrer Kollegen gerichtet war, blieb in der Vorinstanz erfolglos. Das LAG Berlin-Brandenburg verweigerte ihr einen Auskunftsanspruch, da dieser nur für Arbeitnehmer gelte, nicht aber für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte. Es ließ jedoch in diesem Punkt die Revision an das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu. Wer unter das Entgeltransparenzgesetz fällt, hat der Achte Senat des BAG nun erstmalig konkretisiert und zugunsten der ZDF-Redakteurin entschieden.
Personalrat verweigert freier Mitarbeiterin Auskunft über Gehälter der Kollegen
Die ZDF-Mitarbeiterin, die seit 2007 für die Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts zunächst als Online-Redakteurin auf der Grundlage befristeter Verträge tätig war, ist seit Juli 2011 als Redakteurin mit besonderer Verantwortung beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist ein unbefristeter Vertrag als sogenannte "feste freie" Mitarbeiterin, für den ein beim ZDF geltender Tarifvertrag Anwendung findet. 2018 begehrte sie vom Personalrat Auskunft nach § 10 EntGTranspG. Nach Rücksprache mit der Personalabteilung wurde ihr mitgeteilt, dass sie als freie Mitarbeiterin nicht unter das Entgelttransparenzgesetz falle und daher keinen Auskunftsanspruch habe.
Gilt Entgelttransparenzgesetz nur für Arbeitnehmer?
Die Mitarbeiterin hatte ursprünglich auch die Feststellung beantragt, dass sie keine arbeitnehmerähnliche Freie, sondern eine Angestellte sei. Für das BAG stand aufgrund rechtskräftiger Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fest, dass sie nicht Arbeitnehmerin im Sinne des deutschen Rechts ist. Es hatte somit zu entscheiden, ob die Redakteurin als arbeitnehmerähnliche Person Beschäftigte nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG ist und damit einen Anspruch auf Auskunft hat.
BAG: Auskunftsanspruch auch für freie Mitarbeiter
Die obersten Arbeitsrichter entschieden mit dem Urteil ertsmalig zum Entgelttransparenzgesetz und machten klar, dass die ZDF-Mitarbeiterin von ihrem Arbeitgeber Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung gemäß dem Entgelttransprenzgesetz verlangen darf. Als freie Mitarbeiterin falle sie unter den Begriff der "Arbeitnehmerin" im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG. Damit sei sie Beschäftigte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG.
Arbeitnehmerbegriff ist unionsrechtlich weit auszulegen
Das Erfurter Richter wiesen in ihrer Begründung darauf hin, dass die Begriffe "Arbeitnehmerin" und "Arbeitnehmer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG unionsrechtskonform, also in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG, weit ausgelegt werden müssten. Andernfalls fehle es an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im deutschen Recht.
Verbot der Diskriminierung beim Entgelt
Die Richter machten deutlich, dass eine - zwingend erforderliche - ausreichende Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch ansonsten erfolgt sei. Lediglich das Entgelttransparenzgesetz enthalte Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet seien.
LAG Berlin-Brandenburg muss nun entscheiden
Ob die Redakteurin auch einen Anspruch gegen das ZDF auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat, konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 2020; Az: 8 AZR 145/19; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Februar 2019, Az: 16 Sa 983/18
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