Vergütung: Dimensionen und Wirksamkeit von New Pay

New Pay gilt vielfach als Sammelbegriff für Vergütungsansätze, die in New-Work-Unternehmen zum Einsatz kommen. Doch fast alle Prinzipien von New Pay können unabhängig von der Unternehmenskultur wirksam sein. Für Beschäftigte scheint die Fairness bei der Vergütung die Selbstverantwortung zu schlagen. Das zeigt der New Pay Report des "New Pay Collective" in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim.

Vergütungssysteme sind sowohl Abbild als auch Einflussgröße einer Organisationskultur. Das zeigt ein Forschungsprojekt der Hochschule Pforzheim im Auftrag des New Pay Collective auf. Für die Studienautorinnen und -autoren müssen deshalb Vergütungssysteme zur gewünschten Organisationskultur passen, um erfolgreich zu sein. Denn Verhaltensweisen, die durch die Vergütung belohnt werden, entwickeln sich regelmäßig zu dominantem Verhalten. Der New Pay Report untersucht diesen Zusammenhang anhand der sieben New-Pay-Dimensionen Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta (New Pay, Franke/Hornung/Nobile 2019).

Was klassische Vergütungssysteme von New Pay unterscheidet

New Pay baut teils auf bestehenden Ansätzen klassischer Vergütungssysteme auf und entwickelt sie weiter, teils stehen die Gestaltungsformen in direktem Gegensatz. Fairness etwa ist laut dem Report auch in klassischen Vergütungssystemen wichtig. Dort geht es aber meist um Bemessungsgrundlagen und subjektive Kriterien, während bei New Pay neben der Verteilungsgerechtigkeit auch die Verfahrensgerechtigkeit wichtig ist. Der Fokus liegt hier also auf nachvollziehbaren Strukturen und Prozessen. Auch in anderen Dimensionen gehen New-Pay-Ansätze einen Schritt weiter. So ist Flexibilität zwar auch in klassischen Cafeteria-Systemen im Fokus. Aber während man dabei insbesondere Benefits nach individuellen Bedürfnissen auswählen kann, berücksichtigt New Pay auch Wahlmöglichkeiten der Beschäftigten in Bezug auf Arbeitszeit, Urlaub und Gehalt.

Klassische Vergütungssysteme

New Pay

Bemessungsgrundlagen für Verteilungs-

gerechtigkeit, subjektive Beurteilungselemente

Fairness:

Verfahrens- & Verteilungsgerechtigkeit

Intransparenz & Geheimhaltung

(Ausnahme: regulierte Systeme)

Transparenz:

transparente Prozesse/Gehälter

Verantwortung für Gehaltshöhe & Leistungs-

bewertung liegt beim Management/Experten

(Steuerungs- & Kontrollinstrument)

Selbstverantwortung:

Mitbestimmung bei Leistungsbewertung und

Entgelt

Management & Experten treffen relevante

Entscheidungen bzgl. der Gestaltung des

Vergütungssystems

Partizipation:

Mitarbeitende sind an der Gestaltung des

Vergütungssystems beteiligt

Standardisierte Prozesse, ggf. Cafeteria-System

Flexibilität:

Beachtung individueller Bedürfnisse

Fokus auf individuelle Leistung, hierarchische

Differenzierung

Wir-Denken:

Teamleistung, egalitär

Starre Prozesse, ggf. rigide Regulierungen

Permanent Beta:

Anpassungsfähigkeit

Quelle: New Pay Report 2021


Sechs der sieben New-Pay-Dimensionen unabhängig von kultureller Reife

Zudem nutzt die Untersuchung die Reifegradmodelle von "Spiral Dynamics" nach Beck und Cowan (1996, 2014) und von "Reinventing Organizations" nach Laloux (2014, 2015). Sechs der sieben New-Pay-Dimensionen sind demnach unabhängig von der kulturellen Reife für Organisationen relevant. Das heißt: Alle Organisationen, nicht nur "New-Work-Unternehmen", können mit einer Vergütung im Sinne von New Pay wirksam werden. Klassische Vergütungssysteme sind für New Work grundsätzlich eher ungeeignet. Aber auch für rein leistungsorientierte Unternehmen passt New Pay in fünf von sieben Dimensionen besser. Hier äußerten Beschäftigte in qualitativen Interviews unter anderem den Wunsch nach mehr Team-Boni oder Mitarbeiterbeteiligung. Leistungsbewertung gilt zwar als fair, wird aber oft als subjektiv und durch politisches Verhalten beeinflusst empfunden. Leistung als Anspruch bleibt vage und Beschäftigte beobachten, dass aktuelle Leistungsbewertungen nur einen Teil der Wertschöpfung darstellen.  

Fairness ist Beschäftigten wichtiger als Partizipation

Mitarbeitende wünschen sich laut der quantitativen Befragung an erster Stelle Fairness (56,9 Prozent), gefolgt von Flexibilität (46 Prozent) und Transparenz (33,2 Prozent). Die Dimensionen Partizipation (22,8 Prozent), Wir-Denken (18,3 Prozent) und Permanent Beta (13,9 Prozent) wurden von weniger Befragten ausgewählt. Selbstverantwortung ist im Vergleich am unwichtigsten (8,9 Prozent). Trotz einer starken Betonung von Teamwork und Partizipation in der Zusammenarbeit ist dieser Aspekt offensichtlich in Bezug auf Vergütungssysteme noch eher ungewöhnlich. Selbstverantwortung für das eigene Gehalt oder das von anderen Beschäftigten zu übernehmen, ist demnach nur für die wenigsten Befragten attraktiv. Hier zeigen die Erkenntnisse, dass kleine, einfach strukturierte New-Work-Unternehmen Selbstverantwortung am besten umsetzen können.

New Pay: Handlungsempfehlungen für die Praxis

Die Autorinnen und Autoren raten davon ab, die Gewichtung der New-Pay-Dimensionen laut ihrer Befragung bei Veränderungen des Vergütungssystems als Handlungsleitbild zu verstehen. Auffällig sei, dass Mitarbeitende die Dimensionen am häufigsten wählten, die sie aus der Praxis kennen und die auf individuelle Bedürfnisse einzahlen – wie beispielsweise Fairness, Flexibilität und Transparenz. Die Dimensionen Partizipation, Wir-Denken und Permanent Beta, die sie weniger wichtig finden, sind eher auf die Gemeinschaft, die Zukunft oder die Funktionalität gerichtet. Ohne die Aufforderung, dass Beschäftigte zwischen Organisation und persönlichen Bedürfnissen abwägen sollen, wählten sie vermutlich häufig die persönliche Perspektive. Deshalb sei vor allem mehr Kommunikation rund um die Gestaltung von Vergütungssystemen gefragt.  

Vergütungssysteme: Hoher Veränderungsbedarf

Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden in der Online-Befragung (53,3 Prozent) gaben an, dass es in ihrem Unternehmen einen Veränderungsbedarf bezüglich des Vergütungssystems gibt – aber nur 12,1 Prozent beschäftigen sich aktiv mit diesem Bedarf. Es scheitert an einem unsicheren Planungshorizont, zum Beispiel aufgrund von Folgen der Corona-Pandemie oder Veränderungen der Unternehmensstrukturen (11,2 Prozent), den Führungskräften (11 Prozent) oder an sonstigen Gründen (16,7 Prozent).

Über die Studie

Die Datengrundlage des New Pay Reports bilden zwei Masterarbeiten an der Hochschule Pforzheim unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Fischer. In Kooperation mit dem "New Pay Collective", einem Netzwerk, das Menschen und Organisationen bei der Entwicklung von Vergütungssystemen begleitet, wurden Personen zur Unternehmenskultur und angewandten Vergütungssystem in ihrem Betrieb befragt. Das Forschungsdesign umfasst eine qualitative Expertenbefragung und eine quantitative Online-Befragung, an der Ende 2020 insgesamt 418 Personen teilnahmen. In der qualitativen Befragung standen Expertinnen und Experten aus 12 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Rede und Antwort.
 

Die komplette Studie können Interessierte hier kostenlos herunterladen. 


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Schlagworte zum Thema:  Vergütung, New Work, Unternehmenskultur