Gradingsysteme: 6 Schritte zur modernen Funktionsbewertung

Die Arbeitswelt verändert sich, aber die bestehenden HR-Infrastrukturen hinken der Entwicklung oftmals hinterher. Viele müssten dringend überarbeitet werden. In sechs Schritte lassen sich die Grundlagen für Arbeit, Karriere und Vergütung neu organisieren und verknüpfen.

Auch schon vor der Pandemie waren wir mit einer vielfältigen, sich fortlaufend verändernden Arbeitsrealität konfrontiert. Die Herausforderungen der vergangenen Monate haben sich nun als Beschleuniger von Entwicklungen erwiesen, die sich zuvor schon angekündigt hatten. Trotzdem ist in den meisten Unternehmen die Infrastruktur, mit denen Arbeit, Karriere und Vergütung strukturiert, organisiert und verknüpft werden, auf einem schon etwas angestaubten Status geblieben. Das wird, auch wenn die Infrastruktur unsichtbar ist, schmerzlich wahrnehmbar, wenn sie angesichts einer veränderten Arbeitswelt nicht mehr ausreichend funktioniert, und Mitarbeiter, Führungskräfte, Betriebsräte und Top-Manager darüber stolpern.

Warum Gradingsysteme neu gedacht werden müssen  

Die Notwendigkeit, die vorhandene Infrastruktur neu zu denken, ergibt sich insbesondere aus zwei Entwicklungen:

Flexibilisierung der Arbeitsorganisation und des Personaleinsatzes: In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig schnelle Anpassungsfähigkeit und Resilienz für das Überleben und den Erfolg der Unternehmen sind. Beschleunigte Digitalisierung, agile, kundenzentrierte Arbeitsformen, flexibler Mitarbeitereinsatz über Funktionen, Unternehmensbereiche und Unternehmensgrenzen hinweg sowie kontinuierliches Reskilling und Upskilling der Mitarbeiter sind hier unumgänglich. Vorhandene Fähigkeiten müssen identifiziert und der anstehenden Arbeit zugeordnet werden. Traditionell erfolgt dies über Planstellen, aber vermehrt auch über zeitlich befristete Tätigkeiten, erweiterte Verantwortungsbereiche, Projekte oder agile Rollen. Hierfür benötigen wir eine Infrastruktur, welche die fortschreitende Digitalisierung von Arbeit systematisch berücksichtigt, Arbeit und Stellen sinnvoll strukturiert und mit den benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten verknüpft. Darüber hinaus soll sie es ermöglichen, Wertschöpfung nicht mehr nur über den Wert beziehungsweise die Bewertung einer Stelle zu denken und zu honorieren.

Remote Working, selbstbestimmte Arbeitsformen und interne Karrieremobilität: In vorher undenkbarem Umfang, pragmatisch und mit viel gutem Willen haben Mitarbeiter und Unternehmen in den vergangenen Monaten Erfahrung mit der Arbeit im Homeoffice gesammelt. Oft waren die Erfahrungen positiv, weshalb viele Unternehmen am Remote Working festhalten wollen. Dies wird nicht nur die Bürolandschaft nachhaltig verändern, sondern verschiebt auch die Rollen von Mitarbeiter und Führungskraft zu mehr Autonomie und Selbststeuerung bei den Mitarbeitern. Das gilt analog auch in agilen Arbeitsformen oder New Work. Für eine gelungene Selbststeuerung ihrer Entwicklung sowie eine interne Karrieremobilität brauchen Mitarbeiter Transparenz und Orientierung sowie Zugriff auf relevante Informationen. Es bedarf einer intuitiven Karriere-Infrastruktur aus einem Guss, in der Mitarbeiter, Führungskräfte, selbstorganisierte Teams, Mentoren, Career Coaches etc., also alle, die mit dem Thema "Entwicklung" befasst sind, selbstständig, dezentral und on-demand navigieren können.

Sechs Schritte zur Modernisierung der Infrastruktur für Arbeit, Karriere und Vergütung 

Üblicherweise existieren die drei Bausteine Stellenbewertung, Stellenarchitektur und (skaliertes oder unskaliertes) Kompetenzmodell nach wie vor unabhängig voneinander für unterschiedliche Personalanwendungen, was wenig effizient, effektiv und nutzerfreundlich ist. Doch was tun?

Dreh- und Angelpunkt für die Überprüfung und Weiterentwicklung der Infrastruktur ist die Employee Experience, die Summe der Berührungspunkte von Mitarbeitern mit ihrem Unternehmen. Die Infrastruktur soll eine optimale Mitarbeitererfahrung ermöglichen, was wiederum dem Unternehmen nützt, wie Studien von Willis Towers Watson zur "High Performance Employee Experience" eindrücklich gezeigt haben. (Lesen Sie dazu auch: Personalmagazin 03/2020, "Harte Fakten statt heißer Luft", Seite 76f).

Die Infrastruktur in Ihrem Unternehmen können Sie in sechs Schritten weiterentwickeln:

Schritt eins: Analyse
Erheben und analysieren Sie die existierenden Infrastrukturelemente mit Blick darauf, wie gut sie ihren Zweck erfüllen: Was gibt es schon? Was funktioniert? Für welche HR-Prozesse? Wo drückt der Schuh? Was fehlt aus Anwendersicht? Wie steht es um die "User Experience"?

Schritt zwei: Roadmap
Definieren Sie Ihre Infrastruktur-Roadmap: Welche dringenden Anforderungen stellen Mitarbeiter und Unternehmen? Was sind die relevanten Anwendungen ("Use Cases") der Infrastruktur? Welche Segmente sind dabei besonders wichtig (zum Beispiel für digitale Jobs, die Projektlaufbahn und für agile Rollen)? Welche Infrastrukturelemente müssen weiterentwickelt werden (etwa Rollenprofile, Zuordnung von Skills und Experiences, Transparenz über Entwicklungsschwerpunkte auf Stellen oder in Rollen, weniger granulare Karrierestufen, Sinn- oder Gemeinwohlbeitrag der Stelle etc.)? Welche Vernetzung (zum Beispiel Vergütung, Karriere, Workforce Planning, Organisations- und Stellendesign) ist erfolgskritisch?

Schritt drei: Prototyp
Entwickeln Sie einen Prototypen für die Infrastruktur als gemeinsamer Nenner für alle Mitarbeitergruppen – bestehend aus Karrierebändern und Karrierestufen (etwa Fach, Führung, Projekt, Prozess), Stellenfamilien, Stellen, Rollen, Kompetenzen, Skills etc. Lassen Sie sich dabei von der "Employee Experience" in den unterschiedlichen Anwendungen leiten und berücksichtigen Sie Anwender-Feedback.

Schritt vier: Segmentspezifische Ausarbeitung, Testen und Verfeinern
Konkretisieren Sie den Prototypen für ein (oder zwei) erfolgskritisches Segment(e) (zum Beispiel digitale Rollen, R&D) und entwickeln Sie gemeinsam mit dem Fachbereich Karrierematrizen für dieses Segment. Eine Karrierematrix macht transparent, wie sich Stellen oder Aufgaben über unterschiedliche Karrierestufen (Grades, Levels) mit Blick auf Tätigkeiten, Anforderungen, Verantwortungsumfang, Beitrag, Kompetenzen, Skills, Erfahrungen, Lernmöglichkeiten, Karrierepfade, sinnvolle nächste Schritte etc. entwickeln.

Schritt fünf: zum Leben erwecken
Visualisieren, kommunizieren und implementieren Sie die Karriereinfrastruktur sowie die Karrierematrizen, idealerweise mithilfe einer interaktiven App oder Karriereplattform.

Schritt sechs: Ausrollen auf weitere Segmente
Fahren Sie mit anderen Segmenten fort, wiederholen Sie hierfür Schritt vier und fünf für dieses Segment und berücksichtigen Sie fortlaufend das Nutzer-Feedback.

Wenn Sie die Infrastruktur in Ihrem Unternehmen für Arbeit, Karriere und Vergütung fit für die neue Arbeitswelt machen, profitieren Sie mittelbar von einer leistungsstarken, entwicklungsorientierten und engagierten Mitarbeiterschaft. Und darauf kommt es nicht nur in wirtschaftlich kritischen Zeiten an.


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