Der Gesetzgeber hat psychische Belastungen ausdrücklich im ArbSchG als Gefährdungsfaktor genannt. Gemäß § 4 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit vermieden bzw. minimiert wird. § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG nennt als potenzielle Gefährdung, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen ist, auch die psychischen Belastungen bei der Arbeit.
Zentrale Werkzeuge des Unternehmers, auch psychischen Gesundheitsgefährdungen im Betrieb entgegenzutreten, sind die Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG, § 3 ArbStättV) und die Unterweisung (§ 12 ArbSchG, § 6 ArbStättV).
3.1 Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen
Mechanische oder anders nachweisbare Beeinträchtigungen sind im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung i. d. R. ohne Probleme nachweisbar. Bei psychischen Beeinträchtigungen fehlen der Praxis zum einen Erfahrungswerte und zum anderen vor allem "greifbare" Fakten. Diese Gefährdungsbeurteilungen stellen die Praxis deswegen vor große Probleme.
Grundsätzlich sind psychische Belastungen wohl nur über Befragungen messbar (im Ergebnis so auch der IAG Report 1/2013 der DGUV). Belegschaftsbefragungen haben das Ziel, die Befindlichkeit der Arbeitnehmer zu ermitteln und können auch das Potenzial für außergewöhnliche psychische Belastungen bestimmen. Wie bei anderen Gefährdungsbeurteilungen, ist es notwendig, diese Befragungen arbeitsplatzbezogen durchzuführen, d. h. dass eine Befragung über die gesamte Belegschaft hinweg keine Gefährdungsbeurteilung i. S. d. § 5 ArbSchG darstellt. Befragungen an individuellen Arbeitsplätzen dürften allerdings auch keine verwertbaren Ergebnisse liefern, da sie wegen der Angst der Mitarbeiter, sich "outen" zu müssen, möglicherweise wenig verwertbare Ergebnisse liefern. Hier ist sorgfältig nach einem Mittelweg zu suchen.
Dauerhafte statt einmalige Ergebnisse
Gute Beurteilungen des Arbeitsumfelds durch die Belegschaft in einer Befragung sind für den Arbeitgeber kein Grund, das Thema "ad acta"“ zu legen. Es kommt jetzt darauf an, den Problemfeldern auf den Grund zu gehen, die sich aus den – wenn auch möglicherweise wenigen negativen – Aussagen ergeben, z. B. durch die gezielte Befragung des Führungspersonals oder eine weitere Belegschaftsbefragung.
3.2 Unterweisungen bei psychischen Belastungen
Die zentralen Inhalte der Unterweisung nach § 12 ArbSchG bei psychischen Belastungen drehen sich um das richtige Führungsverhalten sowie das Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen. Wesentliche Zielgruppe dieser Unterweisungen sind die Führungskräfte eines Unternehmens, die möglicherweise ausgewiesene Experten ihres Fachgebiets, aber oftmals keine "Führungspersönlichkeiten" sind. 38 % der Beschäftigten, die selten oder nie von Vorgesetzten unterstützt werden, berichten von gesundheitlichen Beschwerden. Daneben sind auch Beschäftigte zu unterweisen, was sich insbesondere auf den richtigen Umgang mit belastenden Situationen erstrecken muss.
3.3 Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen im Arbeitsschutz sind üblich. Auch und gerade das Thema "psychische Belastungen" sollte zum Gegenstand einer solchen Vereinbarung gemacht werden, die z. B. auch die Beratung betroffener Mitarbeiter durch eine arbeitgeberunabhängige Stelle zum Gegenstand haben kann.
3.4 BGM bei psychischen Erkrankungen
Die Stigmatisierung psychisch Erkrankter ist rückläufig, das Thema gehört heute zum betrieblichen Alltag. Damit ist neben der Sensibilisierung Vorgesetzter vor allem das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) gefragt. Hier geht es darum, Belastungssituationen frühzeitig zu erkennen und den richtigen Umgang damit zu erlernen.
3.5 Anerkennung als Berufskrankheit
Psychische Erkrankungen sind zwar als Präventionsthema gesetzlich anerkannt (s. o.), werden von den Berufsgenossenschaften aber im Rahmen der Entschädigungen nicht anerkannt. Sie sind bislang nicht Gegenstand der Berufskrankheiten-Verordnung und werden von der Rechtsprechung der Sozialgerichte bisher nur in Ausnahmefällen als sog. "Wie-Berufskrankheit" anerkannt.
Hier ist insbesondere die sog. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu nennen. PTBS tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Die PTBS wird bislang von den Versicherungsträgern ebenfalls nicht als Berufskrankheit anerkannt, was die Rechtsprechung bislang auch bestätigt hat. Hier könnte sich allerdings ein Paradigmenwechsel einstellen: Eine PTBS kann – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – bei Rettungssanitätern nach einem Urteil des BSG als sog. "Wie-Berufskrankheit" anerkannt werden.