Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verpflichtung zur Vornahme einer unmöglichen Handlung im einstweiligen Rechtsschutz. Prüfung der für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kosten. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Heranziehung von Simultandolmetschern für eine Betriebsversammlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Verlangt der Betriebsrat die Bereitstellung von Dolmetschern für Persisch und Tigrinisch, sind diese jedoch nicht zu einem bestimmten Termin verfügbar, will er den Arbeitgeber zu einer Handlung verpflichten, welcher dieser aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, nicht nachkommen kann. Zu einer unmöglichen Handlung kann niemand verpflichtet werden, § 275 Abs. 1 BGB.
2. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 BetrVG folgt, dass der Betriebsrat die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen hat.
3. Bezüglich der Erstattungspflicht für Kosten der Heranziehung von Simultandolmetschern zu einer Betriebsversammlung hat der Betriebsrat zu prüfen, ob diese unter Berücksichtigung des Inhalts und Umfangs der Betriebsversammlung mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind. So sind z.B. andere mögliche und kostengünstigere Wege der Information bzw. Übersetzung zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 275 Abs. 1; BetrVG § 2 Abs. 1, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 1
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts L vom 04.08.2023, Az. 3 BVGa 3/23, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller (Beteiligter zu 1., Betriebsrat) begehrt im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens von der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) die Bereitstellung von insgesamt 10 Simultandolmetschern verschiedener Sprachen für - aufgrund des Schichtbetriebes geplante - zwei Teilbetriebsversammlungen, hilfsweise die Übernahme der Kosten hierfür.
Bei dem Antragsteller handelt es sich um den im Betrieb der Beteiligten zu 2. am Standort in L gebildeten Betriebsrat. Bei dem Betrieb handelt es sich um ein Logistikzentrum mit derzeit ca. 1.220 Arbeitnehmern. Davon sind 582 deutsche Staatsangehörige, für die übrigen ca. 640 Arbeitnehmer ist Deutsch nicht die Muttersprache. Insgesamt sind im Betrieb in L derzeit 57 verschiedene Nationalitäten mit über 50 verschiedenen Muttersprachen vertreten. Auf die tabellarische Auflistung aller Nationalitäten im Antragserwiderungsschriftsatz vom 11.07.2023, dort Seite 2 (Bl. 60 d.A.) wird Bezug genommen.
Die Anweisungen im Betrieb ergehen im Wesentlichen auf Deutsch. Die Arbeitnehmer helfen sich nötigenfalls bei der Kenntnisnahme wechselseitig. Die Beteiligte zu 2) nutzt bei Aushängen und Informationen jedenfalls gelegentlich weitere Sprachen, um die Arbeitnehmer hinreichend zu informieren (z.B. zum Arbeitsschutz auch in Polnisch, zu Krankmeldungen in Arabisch, Aushang mit Antworten auf FAQs in Englisch, Deutsch und Arabisch). Das Bewerbungs-und Auswahlverfahren für Einstellungen erfolgt auf Deutsch. Grundkenntnisse der deutschen Sprache sind dafür ausreichend.
Von den Arbeitnehmern, die nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen, werden am häufigsten die folgenden Sprachen im Betrieb genutzt:
- Englisch (ca. 55 Arbeitnehmer),
- Persisch (ca. 83 Arbeitnehmer),
- Arabisch (ca. 274 Arbeitnehmer),
- Polnisch (ca. 47 Arbeitnehmer),
- Tigrinisch (ca. 43 Arbeitnehmer).
Die bisher durchgeführten Betriebsversammlungen fanden ohne Dolmetscher statt.
Für eine im März 2023 geplante Betriebsversammlung hatte die Beteiligte zu 2. Kostenangebote sowohl für die technische Ausstattung als auch für Dolmetscher der hier geltend gemachten Sprachen eingeholt. Für Persisch wurden dabei 2 Anbieter angefragt, die ein Angebot aber jeweils nicht abgegeben haben. Für Tigrinisch wurden deutschlandweit 2 Anbieter (Frankfurt am Main und Freising) ermittelt, Angebote wurden von dort nicht eingeholt. Nach Mitteilung der Anbieter, welche auf die Anfrage geantwortet haben, werden für die angefragte Dauer mindestens 4 Personen je Sprache für die Simultanübersetzung benötigt. Die Gesamtkosten fürdie geforderten Übersetzungen schätzt die Beteiligte zu 2. danach auf mindestens 31.000,00 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle im Antragserwiderungsschriftsatz vom 11.07.2023, dort Seite 7 und 8 (Bl. 66 d.A.) Bezug genommen.
Für den 18.10.2023 ist eine weitere Betriebsversammlung (in zwei Teilen) geplant. In einer Sitzung am 9. Mai 2023 beschloss der Betriebsrat einstimmig, bei diesen Teilbetriebsversammlungen jeweils Simultanübersetzungen in die o.g. fünf Sprachen anzubieten. Die Beteiligte zu 2. lehnte die Kostenübernahme hierfür vorgerichtlich ab. Für die Betriebsversammlung stehen gegenwärtig keine Themen an, die für die Mitarbeitenden von elementarer Bedeutung wären, wie z.B. Umstrukturierungen, Betriebsänderungen, Personalabbau o.ä.
Der Betriebsrat selbst hat Mitglieder, die A...