Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsverträge. Transparenzgebot als Teil der vertraglichen Inhaltskontrolle. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
Enthält der Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ausschließlich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers mit Vertragsstrafe bedrohen, während gleichwertige Pflichtverletzungen des Arbeitgebers nicht entsprechend sanktioniert sind, kann dies zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber sind als Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB anzusehen. Wiederholbare und vorformulierte Vertragsbestimmungen in Arbeitsverträgen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB zugänglich.
2. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt sein, dass der Vertragspartner des Verwenders schon bei Abschluss des Vertrags erkennen kann, was auf ihn zukommt. Eine Klausel verletzt das Transparenzgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume für die Interpretation eröffnet.
3. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Zu weit reichende Klauseln können nicht durch richterliche Umgestaltung auf einen noch zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, gegen Treu und Glauben verstoßende Allgemeine Geschäftsbedingungen auf das noch vertretbare Maß abzumildern und so eine dem Verwender der Klausel möglichst günstige, gerade noch zulässige Fassung zu finden. Das wäre eine einseitige Wahrung der Interessen des Klauselverwenders, die der Rechtsprechung verwehrt ist.
Normenkette
BGB §§ 305c, 310 Abs. 3 Hs. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 622, 310 Abs. 4 S. 2, § 309 Nr. 6, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2; TzBfG § 15 Abs. 5; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Entscheidung vom 05.07.2021; Aktenzeichen 11 Ca 366/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05.07.2021, Az.: 11 Ca 366/21 wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
er Beklagte wendet sich im Berufungsrechtszug gegen die Abweisung seiner auf die Zahlung von Vertragsstrafen gerichteten Widerklage.
Der Kläger war bei dem Beklagten seit 07.08.2018 zunächst mit einer monatlichen Arbeitszeit von 30 Stunden für ein Bruttoarbeitsentgelt von 450,00 € monatlich als examinierter Altenpfleger tätig. In dem am 17.12.2018 unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:
§ 2 Arbeitsbeginn, Dauer, Befristung, Probezeit
(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 07.12.2018 und wird zunächst auf 2 Jahre befristet. Es endet somit am 06.12.2020, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
(…)
(3) Der Arbeitsvertrag wird zunächst auf die Dauer von 6 Monaten zur Probe abgeschlossen. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 3 Wochen von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden.
(…)
§ 17 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(1) Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund der Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
(2) Nach Ablauf der Probezeit kann das befristete Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer Frist von 1 Monat zum Quartalsende gekündigt werden, soweit keine längeren gesetzlichen Kündigungsfristen bestehen.
(…)
(5) Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug einer ungekürzten Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat.
(…)
§ 18 Vertragsstrafe bei Vertragsbruch
(1) Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung erhalten hätte, maximal jedoch ein Bruttomonatsgehalt.
(…)
§ 19 Herausgabe von Arbeitsmitteln und Unterlagen
(1) Der Arbeitnehmer hat auf Verlangen des Arbeitgebers – aber auch bei längerer Abwesenheit im Unternehmen wie im Falle von Kündigung, Freistellung o. ä. – sämtliche Arbeitsunterlagen, -mittel und -ergebnisse, insbesondere auch Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien, gleichgültig auf welchem Datenträger, an den Arbeitgeber zurück- bzw. herauszugeben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er dies unaufgefordert zu tun.
(2) Dieselbe Verpflichtung gilt hinsichtlich sämtlicher weiterer Sachen und Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, wie beispielsweise Firmenfahrzeug, Berechtigungskarten, Schlüssel, Mobiltelefon, Laptop o. ä.
(…)
§ 20 Vertragsstrafe bei Herausgabeverweigerun...