Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Vorstandsmitglied einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts. Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 betreffend Vorstandsmitglieder einer AG hier nicht anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beschäftigung des Vorstands einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts.

2. § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 sind auf Vorstände einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts nicht entsprechend anwendbar.

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. März 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 27. März 2006 und 28. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 geändert.

II. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin zu 2 seit 1. März 2005 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.

III. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat den Klägern 1/3 ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Berufungskläger zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin und Berufungsklägerin zu 2 (im Folgenden: Kläger zu 1 bzw. Klägerin zu 2) seit 1. März 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Klägerin zu 2 ist eine 1999 gegründete kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts. Sie betreibt Einrichtungen der Alten-, Behinderten-, Kinder-, Jugend- und Suchtkrankenhilfe und führt die Entwicklung und Betreuung weiterer sozialer Hilfs- und Beratungsangebote therapeutischer und sozialpädagogischer Aktivitäten für entsprechend bedürftige Menschen fort. Ihre Organe sind der aus neun Personen bestehende Stiftungsrat und der aus zwei Personen bestehende Vorstand, von denen einer der Kläger zu 1 ist.

Der Kläger zu 1 war zunächst Mitglied des Stiftungsrates der Klägerin zu 2, bevor er am 1. Juli 2000 durch Beschluss des Stiftungsrates zum zweiten Vorstand berufen wurde. Er ist nach einer internen Absprache zuständig für die Bereiche Recht, Finanzen, Betriebswirtschaft, der andere Vorstand für die inhaltlich-pädagogische Leitung der Einrichtungen, das Bauwesen, die Mitarbeiterführung und die Außenrepräsentation. Die Vorstände vertreten sich gegenseitig im Falle von Krankheit, Urlaub oder sonstiger Abwesenheit.

Nach der am 18. Dezember 2003 genehmigten Satzung der Klägerin zu 2 (im Folgenden: Satzung) ist der Stiftungsrat zuständig für Grundsatzentscheidungen und führt die Aufsicht über den Vorstand. Er gibt Anregungen für die Arbeit des Vorstandes, greift jedoch nicht in die unmittelbare Geschäftsführung ein. Weitere Aufgaben und Rechte des Stiftungsrates sind u. a. die Entscheidung über die Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes sowie Abschluss, Änderung und Kündigung ihrer Anstellungsverträge (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Satzung). Bei Abschluss der Anstellungsverträge wird die Stiftung durch den Stiftungsratsvorsitzenden vertreten. Der Vorstand hat das Recht der jederzeitigen Unterrichtung über alle Angelegenheiten der Stiftung, Einsichtnahme in die Bücher und Prüfung der Kassenführung, gegebenenfalls durch Dritte. Er verabschiedet den jährlichen Haushaltsplan. Dabei bedürfen wesentliche Änderungen der Zustimmung des Stiftungsrates (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 der Satzung). Er fasst den Beschluss über den Jahresabschluss und die Entlastung des Vorstandes und verabschiedet nach Nr. 6 der Regelung die Geschäftsordnung des Vorstandes; deren Änderung muss er zustimmen. Er kann vom Vorstand Vorlagen zur Beschlussfassung im Stiftungsrat erbitten. Der Zustimmung des Stiftungsrates bedürfen nach § 9 Abs. 2 Nr. 5 der Satzung u.a. Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind, die Aufnahme von Darlehen und Übernahme von Bürgschaften ab 50.000,- Euro oder eines Volumens ab 150.000,- Euro pro Geschäftsjahr, soweit dieses nicht schon im verabschiedeten Wirtschaftsplan enthalten ist, die Aufnahme oder Beendigung bestehender Arbeitszweige, deren Erweiterung, Einschränkung oder Veränderung sowie Maßnahmen, die für den Auftrag und den Zweck der Stiftung von erheblicher Bedeutung sind oder sein können, ferner die Gründung von und Beteiligung an Gesellschaften und Einrichtungen und größere Bau- und Investitionsmaßnahmen, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind. Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 7 der Satzung kann der Stiftungsrat beschließen, dass auch weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung bedürfen.

Der Vorstand leitet und verwaltet die Stiftung (§ 12 der Satzung), er vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich (§ 11 Abs. 3 der Satzung). Mitglieder des Vorstandes können aus wichtigem Grun...

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