Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsbeihilfe. Einkommensanrechnung. Ermittlung des Elterneinkommens. Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung. Absetzung eines Pauschbetrages. Altersvorsorgebeitrag. Vermeidung einer unbilligen Härte. Anwendung der Härtefallregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ermittlung des bei der Berufsausbildungsbeihilfe anrechenbaren Einkommens von Eltern und der hierbei zu berücksichtigenden Aufwendungen ist nicht auf die tatsächlich zu zahlenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung oder zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie der übrigen im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung im Sinne von § 21 Abs 1 S 3 Nr 4 BAföG abzustellen, weil es hierfür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt.
2. Es ist in der Regel nicht gerechtfertigt, für Aufwendungen von Eltern für ihre Altersversorgung einen weiteren Freibetrag vom Einkommen nach § 25 Abs 6 BAföG anzusetzen. Denn das Gesetz verweist die Eltern nicht darauf, derartige Aufwendungen aus den pauschalierten Freibeträgen des § 25 Abs 1 bis 3 BAföG zu tragen. Den Eltern werden Mittel für die Altersvorsorge vielmehr dadurch belassen, dass die Aufwendungen für die Alterssicherung schon bei der Ermittlung des Einkommens (vgl § 21 Abs 1 S 3 Nr 4 BAföG) berücksichtigt sind.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 5. Juni 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 5. Juni 2014, durch welches sie verurteilt wurde, über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die 1986 geborene Klägerin beantragte Am 30. August 2012 die Bewilligung einer Berufsausbildungsbeihilfe für ihre vom 3. September 2012 bis zum 2. September 2015 dauernde Ausbildung zur Friseurin bei der Frisör Y... GmbH in A... Die Bruttoausbildungsvergütung betrug im 1. Ausbildungsjahr 206,00 EUR, im 2. Ausbildungsjahr 242,05 EUR und im 3. Ausbildungsjahr 325,00 EUR. Die Klägerin lebte im Jahr 2012 mit zwei, 2007 und 2009 geborenen Kindern in A... in einem eigenen Haushalt und musste hierfür eine Gesamtmiete in Höhe von 394,00 EUR aufwenden. Ihrem Antrag legte sie den Einkommenssteuerbescheid ihrer zusammenveranlagten Eltern für das Jahr 2010 bei, wonach sich der Gesamtbetrag der Einkünfte ihres Vaters auf 48.609,00 EUR und ihrer Mutter auf 0,00 EUR belief. Das Finanzamt erkannte beschränkt abziehbare Sonderausgaben von insgesamt 8.069,00 EUR an. Hierbei beliefen sich die Beiträge zur Krankenversicherung des Vaters auf 5.373,00 EUR und der Mutter auf 3.212,00 EUR, das heißt insgesamt 8.586,00 EUR. Hinzu kamen Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 437,00 EUR und 438,00 EUR, insgesamt auf 875,00 EUR. Den sich hiernach ergebenden Aufwendungen von 9.461,00 EUR standen eine Beitragsrückerstattung in Höhe von 75,00 EUR sowie eine steuerfreie Arbeitgebererstattung von 3.337,00 EUR gegenüber, so dass sich die Aufwendungen auf insgesamt 6.019,00 EUR beliefen. Weitere 2.050,00 EUR erkannte das Finanzamt in Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen als abzugsfähig an. Es berücksichtigte hierbei 70 % der Altersvorsorgeaufwendungen von insgesamt 10.481,00 EUR, das heißt 7.337,00 EUR und brachte den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung in Höhe von 5.287,00 EUR in Abzug. Die sich hiernach von den Eltern der Klägerin zu zahlende Einkommensteuer einschließlich des Solidaritätszuschlags setzte das Finanzamt in Höhe von 5.523,98 EUR fest.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 3. September 2012 bis zum 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 118,00 EUR. Hierbei ermittelte sie einen monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 844,00 EUR, der sich aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 572,00 EUR (anderweitige Unterbringung in Höhe von 497,00 EUR und Zusatzbedarf für die Unterkunft in Höhe von 75,00 EUR), für Arbeitskleidung in Höhe von 12,00 EUR sowie für Kinderbetreuungskosten in Höhe von 272,00 EUR zusammensetzte. Hiervon zog sie die durchschnittliche Ausbildungsvergütung der Klägerin in Höhe von 171,58 EUR sowie anrechenbares Einkommen des Vaters in Höhe von 554,25 EUR ab. Sie ging von einem Jahreseinkommen des Vaters in Höhe von 48.394,20 EUR aus und brachte die gezahlte Einkommenssteuer in Höhe von 5.523,98 EUR sowie die Sozialpauschale von 21,3 %, das heißt 10.307,96 EUR, in Abzug. Vom sich hiernach ergebenden Monatseinkommen von 2.713,52 EUR zog die Beklagte den Grundfreibetrag (vgl. § 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung [Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG]) in Höhe von 1.605,00 EUR ab und rechnete das danach verbleibende Einkomm...