Rz. 14
Abs. 2 halbiert die Anwartschaftszeit für einen besonderen Personenkreis. Seit dem 1.8.2009 kann damit aufgrund wiederholt befristeter Regelung, derzeit bis zum 31.12.2022, wiederum ein Anspruch auf Alg erworben werden, wenn keine 12 Monate versicherungspflichtige Zeiten innerhalb der Rahmenfrist zurückgelegt worden sind. Dies bedeutet eine Abkehr des Gesetzgebers von der restriktiven Regelung, durch Streichung der Anwartschaftszeit für Saisonarbeitnehmer ausnahmslos nur mit der Regelanwartschaftszeit den Zugang zum Alg zuzulassen. Zum 1.8.2016 war die Überführung der Vorschrift von einer befristeten Sonderreglung in eine Regelvorschrift zu erwarten, womit der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode umgesetzt werden sollte. Es fehlte jedoch im Jahr 2016 an einer politischen Durchsetzbarkeit, durch Verlängerung der Befristung ist eine endgültige Regelung faktisch auf die 20. Legislaturperiode verschoben worden. Das gilt erst recht durch die Erweiterung der Befristung bis zum 31.12.2022. Die Regelung ist den nachhaltigen Forderungen der Politiker im Deutschen Bundestag zuzuschreiben, die die Interessen der Kultur und insbesondere Kultur schaffenden Arbeitnehmern vertreten. Im Grundsatz wird die Halbierung der Anwartschaftszeit bei der Bestimmung der Dauer des Anspruches auf Alg fortgesetzt. Flankierende Regelungen zur Anspruchsdauer, zur Bemessung des Alg, aber auch bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten (kein Rechtsanspruch auf den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, vgl. § 45 Abs. 4 und 7), sollen verhindern, dass über den bloßen Zugang zum Alg hinaus weitere Vergünstigungen für die Betroffenen eröffnet werden, die gegenüber der Versichertengemeinschaft nicht vertretbar erscheinen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages berät jährlich über die Wirkungen der Neuregelungen. Angesichts der aktuellen öffentlichen Debatte über die strengen Versicherungsregelungen ist nicht damit zu rechnen und auch nicht zu befürworten, dass die verkürzte Anwartschaftszeit aus politischen Gründen wieder zurückgenommen wird. Dies dürfte auch in Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu sehen sein. Diese ist mit Wirkung zum 1.1.2023 durch das 8. SGB IV-ÄndG vorgenommen worden. Nach der Gesetzesbegründung entsteht durch die Entfristung der Regelung bei der Bundesagentur für Arbeit ein laufender jährlicher Aufwand in Höhe von rd. 344.000,00 EUR durch die Prüfung und Bewilligung von Neuansprüchen auf Arbeitslosengeld. Darüber hinaus entstehen für die Umsetzung der Regelung aufgrund der Erstellung bzw. Aktualisierung von Weisungen, Anpassungen von Arbeitsmitteln und Schulungsunterlagen Aufwände in geringem Umfang, die nicht näher beziffert werden können.
Rz. 15
Abs. 2 stellt eine Sonderregelung auf der Rechtsfolgenseite dar, durch die der bei den Tatbestandsmerkmalen definierte Personenkreis einen gezielten Zugang zum Alg erhalten soll, der ihm sonst verwehrt bliebe. Die Sonderregelung ist deshalb von vornherein ausgeschlossen, wenn die in der Rahmenfrist zurückgelegten Zeiten ausreichen, um die Regelanwartschaftszeit nach Abs. 1 zu erfüllen. Dabei ist es unerheblich, in welchem Umfang Versicherungspflichtzeiten aus kurzfristigen Beschäftigungen von bis zu 6 Wochen (bis 31.7.2012) bzw. 10 Wochen (ab 1.8.2012) oder 14 Wochen (ab 1.1.2020) Dauer zur Erfüllung der Anwartschaftszeit beigetragen haben. Zu Recht wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass es sich bei Abs. 2 um ein besonderes Privileg für den betroffenen Personenkreis handelt. Der betroffene Personenkreis wird nicht über Berufe oder Wirtschaftszweige definiert. Entscheidend ist allein, ob die typisierend in Abs. 2 geschaffenen Voraussetzungen vorliegen, um einem Betroffenen berufsübergreifend die Begünstigung zuzuerkennen. Hierauf besteht bei nachgewiesenem Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Die Voraussetzungen nach Abs. 2 enthalten neben der Versicherungs- und Zeitkomponente eine Entgeltkomponente.
Rz. 16
Der Anwendungsbereich des Abs. 2 reicht daher – abgesehen von den Fällen, in denen in der Rahmenfrist auch keine Versicherungspflichtzeiten in einem Umfang von 180 Kalendertagen zurückgelegt wurden und deshalb auch ein Alg aufgrund des Abs. 2 nicht in Betracht kommt – hinsichtlich der zurückgelegten Versicherungspflichtzeiten von 180 bis 359 Kalendertagen bzw. von 6 bis unter 12 Monaten. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 verweist dazu zunächst auf die Rahmenfrist nach § 143. Wie bei der Regelanwartschaftszeit beträgt die Rahmenfrist 2 Jahre i. S. d. § 143 Abs. 1. Anzuwenden ist auch die Vorschrift des § 143 Abs. 2, wonach die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der die Anwartschaftszeit erfüllt wurde. Diese Begrenzung gilt gleichermaßen für Anwartschaftszeiten nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2. Damit wird gewährleistet, dass keine versicherungspflichtige Zeit mehrfach zur Begründung eines Anspruches herang...