Rz. 18
Die fiktive Kündigungsfrist beträgt 1 Jahr nach Abs. 1 Satz 4, wenn die ordentliche Arbeitgeberkündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung zulässig war. Das betrifft nicht die Fälle, in denen es dem Arbeitgeber an Kündigungsgründen mangelt und er deshalb zur Entlassungsentschädigung greift. Von dieser Regelung sind hauptsächlich Sozialpläne und Interessenausgleiche betroffen, denen entsprechende Sozialplanleistungen folgen. In der Rechtsprechung ist unumstritten, dass auch Abfindungen aufgrund eines Sozialplanes das Ruhen begründen, wenn die Entlassungsentschädigung eine ordentliche Kündbarkeit erst wieder eröffnet. Grundsätzlich rechtfertigt ein Sozialplan aufgrund seiner sozialen Ziele, betriebliche Veränderungen abzufedern, keine teleologische Reduktion des § 158 Abs. 1 Satz 4. Das gilt auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden ist (BSG, Urteil v. 29.1.2001, B 7 AL 62/99 R, aub 2001 S. 182). Nach dieser Rechtsprechung ist allerdings dann die ordentliche Kündigungsfrist maßgebend, wenn ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung wegen des Sozialplans zugleich die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen hätten (was voraussetzt, dass eine ordentliche Kündigung überhaupt nicht mehr möglich ist). Ansonsten stünde der eingeschränkt Kündbare hinsichtlich der Berücksichtigung des Arbeitsentgelts bei seinem Alg-Anspruch ungünstiger da als der schlechthin Unkündbare, bei dem ausnahmsweise eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist, der also kündigungsrechtlich besser geschützt ist (vgl. auch Rz. 9 ff.). Wählt der Arbeitgeber das Verfahren nach § 1a KSchG, soll nach der Zielsetzung dieser Vorschrift eine Prüfung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes gerade unterbleiben. Dafür kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche betriebsbedingte Kündigung (mit sozialer Auslauffrist) handelt. Im Rahmen des Abs. 1 Satz 3 und 4 ist aber gerade der Kündigungsschutz zu überprüfen. Durch teleologische Reduktion wird § 1a KSchG Vorrang eingeräumt. Sozialpläne dürfen die aus ihnen resultierenden Lasten nicht auf die Gemeinschaft der Beitragszahler abwälzen. Der Anspruch auf Alg ruht wegen des Erhalts einer Abfindung bzw. Entlassungsentschädigung auch dann, wenn ein Arbeitgeber eine Betriebsänderung zum Anlass nimmt, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan mit Abfindungsregelung zu vereinbaren, um danach gegenüber einem Arbeitnehmer die konkrete Kündigung aufgrund dieser Betriebsvereinbarung auszusprechen. Zwischen einer tarifvertraglichen Regelung, die den Wiedereintritt in die ordentliche Kündbarkeit an das Vorliegen eines Sozialplans knüpft und einer Regelung, die die Aufhebung des tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutzes bei Betriebsänderungen ermöglicht, bestehen keine rechtserheblichen Unterschiede (BSG, Urteil v. 9.2.2006, B 7a/7 AL 48/04 R, SozR 3-4300 § 143 a Nr. 1). Satz 4 wäre nur dann nicht anzuwenden, wenn der Arbeitgeber trotz Unkündbarkeit mit sozialer Auslauffrist bzw. fristgebunden aus wichtigem Grund hätte kündigen können; dann wäre Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 anzuwenden (vgl. BSG, Urteil v. 9.2.2006, B 7a AL 22/05 R, SozSich 2006 S. 72; so auch schon BSG, Urteil v. 29.1.2001, B 7 AL 62/99 R, SozR 3-4100 § 117 Nr. 22 und Urteil des Bayr. LSG v. 24.2.2005, L 10 AL 322/02, aub 2005 S. 249). Auch das Hess. LSG hat entschieden, dass bei ordentlicher Kündigung eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers der Anspruch auf Alg bei Erhalt einer Entlassungsentschädigung nur für die Dauer der eigentlichen ordentlichen Kündigungsfrist ruht, wenn der Arbeitgeber Reinigungsarbeiten an ein privates Fremdunternehmen vergeben hat, um Kosten zu sparen, der relevante Arbeitsplatz ohne Ausweichmöglichkeit entfallen ist und deshalb eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund rechtlich möglich gewesen wäre (LSG Hessen, Urteil v. 21.5.2012, L 7 AL 188/11, AZ beim BSG ist B 11 AL 13/12 R). Die Revision beim BSG war aber erfolglos (vgl. Rz. 15). Deshalb ist ggf. der Tatsache, dass der maßgebende Tarifvertrag die Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes nicht vom Vorliegen eines Sozialplanes abhängig macht, keine Bedeutung beizumessen, wenn nach § 111 BetrVG bei einer Betriebsänderung grundsätzlich ein Sozialplan erforderlich ist und der Tarifvertrag deshalb so auszulegen ist, dass Betriebsänderungen in diesem Sinne zur Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes führen sollen (BSG, Urteil v. 9.2.2006, B 7a AL 44/05 R, NZS 2006 S. 662). Unerheblich ist für Entscheidungen nach § 158 in diesem Zusammenhang, ob auch ein Sozialplan ohne Zahlung einer Entlassungsentschädigung hätte vereinbart werden können. Erforderlich für die einjährige fiktive Kündigungsfrist ist eine Kündigungsmöglichkeit nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung. Es genügt nicht, dass das Arbeitsverhältnis nur bei Zahlung einer Abfindung beendet werden kann (z. B. auch...