Rz. 31
§ 105 SGB X ist grundsätzlich anzuwenden, wenn keiner der in §§ 102 bis 104 SGB X aufgeführten Sachverhalte greift und der erstangegangene Rehabilitationsträger trotz sorgfältiger Prüfung in Verkennung seiner Zuständigkeit geleistet hat (vgl. BSG, Urteil v. 20.4.2010, B 1/3 KR 6/09 R).
Im Zusammenhang mit Teilhabeleistungen (§ 5) ist jedoch gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 ein Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X ausgeschlossen, wenn ein Rehabilitationsträger u. a.
- bewusst seine Zuständigkeit verneint und trotzdem leistet, obwohl ein anderer Rehabilitationsträger nach dem Ergebnis seiner Prüfung zuständig sein müsste. Er greift nämlich zielgerichtet in fremde Zuständigkeiten ein und missachtet das Weiterleitungsgebot des § 14 Abs. 1 Satz 2;
- die Zuständigkeit bei Anträgen auf Teilhabeleistungen (§ 5) nicht sorgfältig geprüft hat, sich zuständig fühlt und deshalb die Weiterleitungsfrist des § 14 Abs. 1 versäumt hat;
- aus organisatorischen Mängeln die Weiterleitungsfrist des § 14 Abs. 1 versäumt.
Für den "schuldhaft" handelnden, erstangegangenen Rehabilitationsträger bestätigt das BSG zu der bis zum 31.12.2017 geltenden Vorgängervorschrift (§ 14) in seinen Urteilen v. 26.6.2007 (B 1 KR 34/06 R) und 28.11.2007 (B 11a AL 29/06 R) den Ausschluss jeglicher Erstattung.
Erstattungsansprüche nach § 105 SGB X sind in der Praxis somit
- nur bei Leistungen, die nicht Teilhabeleistungen (§ 5) sind, und
- in den Fällen des § 14 Abs. 1 S. 3 (Ursache der Behinderung ist nicht geklärt)
möglich.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, durch Vereinbarung zwischen den Rehabilitationsträgern zu regeln, dass bei bestimmen Sachverhalten doch ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 bis 105 SGB X besteht (§ 16 Abs. 4 Satz 1 HS 2). Sinnvoll ist z. B. solch eine Vereinbarung, wenn im Interesse der Anspruchsberechtigten Fehl-Weiterleitungen vermieden werden sollen.
Die zu schließende Vereinbarung kann sowohl für einen Einzelfall aber auch generell für eine bestimmte Gruppe von Sachverhalten geregelt werden. Nach Ansicht des Autors bedarf es für das Zustandekommen solch einer Vereinbarung der Unterschrift beider Rehabilitationsträger. Sind an der Vereinbarung weitere Rehabilitationsträger beteiligt, müssen alle Rehabilitationsträger zustimmen. Einer Zustimmung des Antragstellers bedarf es nicht.
Rz. 31a
In Verbindung mit dem Ausschluss eines Erstattungsanspruchs wegen der fehlenden Anwendung des § 105 SGB X bei Teilhabeleistungen stellt sich die Frage, wie lange die durch § 14 bestimmte Leistungsverpflichtung des die Weiterleistungsfrist des § 14 versäumenden Rehabilitationsträgers geht. Hier ist anzumerken, dass sich der Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X auch auf Leistungen aufgrund von Verlängerungsanträgen, die vom säumigen Rehabilitationsträger zu bewilligen sind, erstreckt. Mit einem kurzen Leistungsbewilligungs-Zeitraum, der die medizinisch erforderliche Dauer der Leistung nicht richtig widerspiegelt, kann somit der säumige Rehabilitationsträger seinen Vermögensschaden nicht mindern (vgl. auch Schaumberg, SGb 2019 S. 142).