Rz. 3
Anspruch auf ein Persönliches Budget haben Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen i. S. d. § 2 Abs. 1, also Menschen, die leistungsberechtigt i. S. d. SGB IX sind (u. a. muss der Teilhabebedarf wegen einer eingetretenen oder einer konkret zu erwartenden Behinderung für eine Dauer von mindestens 6 Monaten bestehen, wobei die Dauer der Behinderung von ihrem Eintritt bis zur voraussichtlichen Beendigung zu schätzen ist). Dies gilt unabhängig vom Alter des Leistungsberechtigten und unabhängig von der Art, der Schwere und der Ursache der Behinderung. Anspruchsberechtigt sind somit auch Kinder und Jugendliche.
Die Notwendigkeit, bei der Verwendung bzw. der Verwaltung des Persönlichen Budgets auf Beratung und Unterstützung durch Dritte angewiesen zu sein (z. B. Familienangehörige oder rechtliche Betreuer), steht diesem Anspruch nicht entgegen. Allerdings haben dann die gesetzlichen Vertreter zu handeln. Damit soll für Menschen mit Behinderungen oder mit drohenden Behinderungen (chronische Erkrankung mit schwerem Verlauf) die Grundlage dafür geschaffen werden, im stärkeren Maße ein möglichst selbstbestimmtes und selbstständiges Leben in eigener Verantwortung zu führen.
Dem Budgetnehmer steht es frei, nur bestimmte, ausgewählte Leistungen oder nur Teile von Leistungen in ein Persönliches Budget umwandeln lassen.
Bei einer bestehenden oder drohenden Behinderung besteht ein Anspruch auf Umwandlung in ein Persönliches Budget nicht nur für die Teilhabehabeleistungen (§§ 42 ff., 49 ff., 75, 76 ff.), sondern in der Krankenversicherung auch für alle krankheitsbedingt notwendigen Leistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V). Das bedeutet, dass ein Mensch mit Behinderung auch nur z. B. Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) in ein Persönliches Budget umwandeln lassen kann.
Ein an Diabetes erkrankter, allein lebender 78-jähriger Mensch muss sich dreimal am Tag Insulin spritzen, kann dieses jedoch nicht, weil er zittert. Deshalb wird er im Rahmen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) durch eine Gemeindeschwester bzw. durch einen Pflegedienst dreimal am Tag versorgt. Mit dieser Situation ist er jedoch unzufrieden, weil die Gemeindeschwester/der Pflegedienst so gut wie nie pünktlich ist und er "immer nur zu Hause warten muss".
Eine nebenan wohnende Krankenschwester, die sich in der Elternzeit befindet, ist bereit, das Insulin zu den vorgesehenen Zeiten zu spritzen. Statt der sonst als Dienstleistung angefallenen 9,00 EUR je Einsatz (inkl. Fahrzeit) verlangt die benachbarte Krankenschwester für den ca. 5- bis 10-minütigen Einsatz 4,50 EUR.
Mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld (4,50 EUR je Einsatz) kann der betroffene Mensch seinen Teilhabebedarf decken.
Der Berechtigte kann auch Leistungen der Pflegeversicherung in ein Persönliches Budget umwandeln lassen, sofern er aufgrund seines Pflegegrades (vgl. §§ 14, 15 SGB XI) Leistungen der Pflegeversicherung erhält bzw. beanspruchen kann.
Dieser Anspruch bestand aufgrund des bis 31.12.2017 geltenden Rechts jedoch nur dann, wenn die Pflegeversicherungsleistungen neben anderen Teilhabeleistungen i. S. d. § 5 gezahlt wurden. Wurden neben den Pflegeversicherungsleistungen keine Teilhabeleistungen eines anderen Rehabilitationsträgers regelmäßig gewährt, war dem Berechtigten die Wahl eines Persönlichen Budgets verwehrt. Das hat sich aufgrund § 29 Abs. 1 Satz 2 und 4 i. V. m. der Änderung des § 35a SGB XI ab 1.1.2018 (vgl. Art. 10 BTHG) geändert. Jetzt können auch außerhalb eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets Pflegeleistungen in ein persönliches Budget umgewandelt werden.
Kann der Betroffene Pflegeversicherungsleistungen in ein Persönliches Budget umwandeln, ist die einschränkende Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 8 zu beachten. Danach ist § 35a SGB XI zu berücksichtigen. Nach § 35a SGB XI werden für Pflegebedürftige auf Antrag nur die Leistungen nach
- § 36 (Pflegesachleistung),
- § 37 Abs. 1 (Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen),
- § 38 (Kombination aus Sach- und Geldleistung; aufgrund des Wortlautes des § 35a SGB IX ist allerdings nur das anteilige und im Voraus bestimmte Pflegegeld als Geldleistung budgetfähig),
- § 40 Abs. 2 (Aufwendungen der Pflegekassen für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel) und
- § 41 (Tages- und Nachpflege)
durch ein Persönliches Budget erbracht. Die Sachleistungen nach den §§ 36, 38 und 41 SGB XI dürfen nur in Form von Gutscheinen zur Verfügung gestellt werden, die zur Inanspruchnahme von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI berechtigen.
Rz. 4
Das Persönliche Budget ist vor allem bei der Eingliederungshilfe von hoher Bedeutung. Hier wurde gemäß der vom BMAS in Auftrag gegebenen PROGNOS-Studie aus dem Jahr 2012 (Fundstelle vgl. Rz. 32) Assistenz- und andere persönliche Hilfeleistungen (im Haushalt, in der Freizeit, bei Fahrten, Hilfe beim Waschen, Duschen, Ankleiden, Essen etc.) in Anspruch genommen. Es entstanden auch Persönliche Budgets beim Betreuten Wohnen bzw. bei der Unterkunft in Wohn- oder...