Rz. 6
Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden (z. B. ausreichende geistige, psychische und körperliche Verfassung, ausreichende Mobilität, ausreichende Mitarbeit und Motivation, ausreichender körperlicher und allgemeiner Kräftezustand). Die Rehabilitationsfähigkeit ist immer im Zusammenhang mit dem geplanten Rehabilitations- bzw. Teilhabeziel (vgl. Rz. 5) zu bewerten.
Die Rehabilitationsfähigkeit wird immer geprüft, bevor der Rehabilitand an einer geeigneten Maßnahme zur Teilhabe teilnehmen und eine entsprechende Leistung erhalten kann. Ansonsten ist die "Maßnahme" nicht oder noch nicht durchführbar oder nicht oder noch nicht wirtschaftlich.
Rehabilitationsfähigkeit besteht nicht, wenn der Betroffene nach den gewonnenen Erkenntnissen aufgrund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes nicht oder noch nicht in der Lage sein wird, aktiv am Rehabilitationsgeschehen mitzuwirken, um das gesetzte Rehabilitationsziel zu erreichen. Dabei reicht es nicht aus, dass lediglich Zweifel an der Rehabilitationsfähigkeit bestehen; die Rehabilitationsträger können die vorgeschlagenen Leistungen erst dann verweigern, wenn weit überwiegend damit zu rechnen ist, dass aufgrund der unzureichenden Verfassung, der fehlenden Einsicht bzw. Motivation (letzteres insbesondere bei Abhängigkeitskranken) oder aufgrund sonstiger Umstände das Rehabilitationsziel nicht erreicht werden kann. Ggf. sind Alternativleistungen zu prüfen oder – falls die Rehabilitationsfähigkeit noch nicht vorliegt – andere Leistungen vorzuschalten.
Ein Versicherter einer Krankenkasse wird nach einer komplizierten Operation am Kniegelenk aus der stationären Krankenhausbehandlung entlassen. Normalerweise muss erst die Wunde verheilen, bevor eine Rehabilitationsleistung sinnvoll wird. Allerdings wird der Versicherte die nötigen 2 Wochen nicht zuhause weiterbehandelt (zur Heilung der Wunden bei gleichzeitiger Physiotherapie), sondern noch am gleichen Tag in eine Rehabilitationseinrichtung verlegt. Aus medizinischer Sicht beginnt die medizinische Rehabilitationsleistung 2 Wochen zu früh. Der Versicherte kann aufgrund der noch nicht ausreichend verheilten Wunden an vielen Therapieeinheiten nicht teilnehmen. Um das Rehabilitationsziel zu erreichen, muss letztendlich die Dauer der Rehabilitationsleistung um 2 Wochen verlängert werden.
Besonderheiten gelten bei der neurologischen Rehabilitation (Phasenmodell; vgl. Komm. zu § 43).
Die Rehabilitationsfähigkeit ist nicht nur bei Antragstellung bzw. bei Beginn der Rehabilitationsleistungen zu prüfen, sondern während der Rehabilitationsleistung dem Grunde nach jeden Tag. So können z. B. während einer laufenden Rehabilitationsleistung gesundheitliche Rückschläge eintreten, die eine aktive Teilnahme und damit eine Zielerreichung plötzlich unmöglich machen. In diesen Fällen ist die Maßnahme i. d. R. sofort zu beenden. Ggf. sind andere Leistungen einzuleiten, damit die Rehabilitationsfähigkeit wieder erreicht wird.
Interkurrente Erkrankungen können auch ein Grund dafür sein, weshalb die Rehabilitationsfähigkeit plötzlich während einer laufenden Rehabilitationsleistung nicht mehr vorliegt. Hinsichtlich der Abgrenzung der Leistungen zwischen Kranken- und Rentenversicherung bei Vorliegen von interkurrenten Erkrankungen wird auf die Kommentierung zu § 13 SGB VI verwiesen.