Rz. 28
Nach den Intensionen des Gesetzgebers gehört die Führung des Haushalts bei Verwandten und Verschwägerten bis zum 2. Grad zu den Familienpflichten, die selbstverständlich sind und nicht vergütet werden. Die Regelung scheint wegen des Grundsatzes der Solidarität und der Eigenverantwortung (§ 1 SGB IX, § 1 SGB V) sachgerecht. Für Verwandte und Verschwägerte bis zum 2. Grad werden deshalb keine Kosten für deren "Arbeit" im Haushalt des Rehabilitanden erstattet; der Rehabilitationsträger kann jedoch der Ersatzkraft
- die ihr notwendig entstandenen Fahrkosten (um zum weiterzuführenden Haushalt zu gelangen; je nach Verhältnismäßigkeit Fahrkosten für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Pkw) und
- den entgangenen (Netto-)Verdienstausfall (z. B. bei unbezahlten Urlaub des Verwandten/Verschwägerten, um als Vertrauensperson den Haushalt weiterzuführen)
erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (§ 74 Abs. 1 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Nicht erstattungsfähig sind die Verpflegungskosten für den "aushelfenden" Verwandten/Verschwägerten, da diese auch sonst anfallen würden. Die Aufwendungen bzw. der Verdienstausfall ist nachzuweisen; die Erstattung eines fiktiven Verdienstausfalls ist ausgeschlossen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.2.2020, L 5 KR 2908/19).
Ob zwischen dem Rehabilitanden und der Ersatzkraft ein Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis besteht, richtet sich nach den §§ 1589 bzw. 1590 BGB.
Verwandtschaftsverhältnis
In gerader Linie sind die Personen miteinander verwandt, die voneinander abstammen (§ 1589 Satz 1 BGB). Wer nicht in gerader Linie verwandt ist, aber von derselben 3. Person abstammt, ist in der Seitenlinie verwandt (§ 1589 Satz 2 BGB). Der Grad der Verwandtschaft ergibt sich dann durch die Anzahl der vermittelnden Geburten zwischen den Personen (§ 1589 Satz 3 BGB), wobei in der geraden Linie die Geburten der einen Linie zählen, in der Seitenlinie die Geburten beider Seiten.
Zu den Verwandten (§ 1589 BGB) bis zum 2. Grad des Rehabilitanden zählen Eltern, Kinder (einschließlich der für ehelich erklärten und der angenommenen Kinder), Großeltern, Enkelkinder und Geschwister.
Schwägerschaftsverhältnis
Nach § 1590 BGB sind die Verwandten eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft. Ist die Schwägerschaft einmal durch eine Ehe begründet, entfällt sie durch die Eheauflösung nicht (§ 1590 Abs. 1 und 2 BGB). Nach der Eheauflösung kann aber keine neue Schwägerschaft zu den Verwandten des geschiedenen Ehegatten mehr begründet werden. Allerdings kann durch eine neue Eheschließung ein neues Schwägerschaftsverhältnis zu den Verwandten des neuen Ehegatten begründet werden. Ein Rehabilitand kann somit nach einer erneuten Eheschließung gleichzeitig jeweils 2 Schwiegermütter und -väter im Rechtssinne haben.
Zu den Verschwägerten bis zum 2. Grad zählen Stiefeltern, Stiefkinder, Stiefenkelkinder, Schwiegerkinder (Schwiegersohn und -tochter), Schwiegerenkel (Ehegatten der Enkelkinder), Großeltern der Ehegatten, Stiefgroßeltern und Schwager/Schwägerin.
Auf außerhalb des Haushalts wohnende Ehegatten einschließlich der früheren Ehegatten sind die Regelungen bezüglich der eingeschränkten Erstattungsfähigkeit aufgrund der engen Verwandtschaft bzw. Schwägerschaft sinngemäß anzuwenden (BSG, Urteil v. 16.11.1999, B 1 KR 16/98 R).
Nach § 11 Abs. 2 LPartG gelten auch die Verwandten eines Lebenspartners als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert. Dies führt dazu, dass Lebenspartner i. S. des LPartG wie Ehegatten zu berücksichtigen sind und die oben erwähnten Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnisse entsprechend gelten.
Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht den Grad der Verwandtschaft und der Schwägerschaft im Bezug zum Rehabilitanden:
Im Haushalt des geschiedenen Rehabilitanden leben 2 Kinder im Alter von 5 und 3 Jahren. Während der Teilhabeleistung führt die rechtskräftig geschiedene, außerhalb des Haushalts lebende und Arbeitslosengeld beziehende Mutter der beiden Kinder den Haushalt weiter. Für die Arbeitsleistung gibt der Rehabilitand seiner ehemaligen Ehefrau 40,00 EUR je Tag und bittet den Rehabilitationsträger um Kostenerstattung. Fahrkosten sind nicht angefallen.
Lösung:
Der Rehabilitationsträger kann dem Rehabilitanden keine Kosten erstatten.