Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Anspruch des nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträgers gegen den Rentenversicherungsträger aufgrund der Bewilligung einer Witwenrente. erhöhte Witwenrente im Sterbevierteljahr. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. zweckbestimmte Einnahme. ausdrücklich genannter Zweck

 

Orientierungssatz

Der Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 104 Abs 1 S 1 SGB 10 bei Zusammentreffen von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist im sogenannten Sterbevierteljahr nicht auf den Betrag der mit dem nach Ablauf des Sterbevierteljahres maßgeblichen Rentenartfaktor berechneten Witwenrente beschränkt. Denn bei der erhöhten Witwenrente im Sterbevierteljahr handelt es sich nicht um eine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbrachte Leistung iS des § 11a Abs 3 S 1 SGB 2 (vgl LSG Schleswig vom 19.1.2016 - L 7 R 173/15).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.12.2023; Aktenzeichen B 5 R 1/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. August 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf € 583,38 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Erstattung einer Witwenrente im sog. „Sterbevierteljahr“.

Die Beklagte bewilligte Frau M nach dem Tode ihres Ehemannes Herrn M am 25. Februar 2016 mit Bescheid vom 30. Juni 2016 große Witwenrente ab dem Todestag. Für den Zeitraum von März bis Mai 2016 wurde eine erhöhte Witwenrente im sog. „Sterbevierteljahr“ gewährt. Für Februar 2016 wurde ein anteiliger Betrag von € 95,76, für den Zeitraum von März bis Mai 2016 in Höhe von monatlich €554,14, für Juni 2016 in Höhe von € 332,49 und für Juli 2016 in Höhe von € 346,59 ausgewiesen. Die Gesamtnachzahlung für den Zeitraum von 25. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 betrug € 2.437,26. Dieser Betrag wurde nicht an Frau M ausgezahlt.

Der Kläger gewährte Frau M seit Dezember 2015 und auch im Zeitraum vom 25.Februar 2016 bis 31. Mai 2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2016 die Höhe der jeweiligen Rentenansprüche ab 25. Februar 2016 mit und bat um Bezifferung des Erstattungsanspruchs getrennt nach Monaten. Ein Erstattungsanspruch könne sich im Sterbevierteljahr lediglich auf den Betrag der nach Ablauf des Sterbevierteljahres zu zahlenden Rente beziehen. Der „Sterbevierteljahrbonus“ gelte als zweckbestimmtes Einkommen.

Der Kläger meldete mit am 11. Juli 2016 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben einen Erstattungsanspruch auf die Rentennachzahlung an. Dabei schlüsselte er den Bezug der SGB-Leistungen für den Zeitraum von Februar bis Juli 2016 wie folgt auf:

-

Februar 2015

€ 65,76 Arbeitslosengeld II

-

März 2016

€ 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft

-

April 2016

€ 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft

-

Mai 2016

€ 404,00 Arbeitslosengeld II und € 120,14 Kosten der Unterkunft

-

Juni 2016

€ 302,49 Arbeitslosengeld II

-

Juli 2016

€ 316,59 Arbeitslosgengeld 

Die Gesamtleistung betrage € 2.257,26. Um Überweisung des Betrages werde gebeten.

Die Beklagte erstattete an den Kläger nachfolgend lediglich einen Betrag von     € 1.673,88. Den Restbetrag von € 763,38 überwies die Beklagte laut Mitteilung vom 17. August 2016 an Frau M.

Der Kläger bat mit Schreiben vom 24. August 2016 erneut um Zahlung des Differenzbetrages von € 583,38 und verwies nachfolgend auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2016 zum AZ: L 7 R 173/15, das die Rechtsauffassung des Klägers stütze.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2017 mit, dass es sich nach der geltenden Beschlusslage der Rentenversicherungsträger bei dem Sterbevierteljahrbonus um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handele, so dass dieser bei der Erstattung keine Berücksichtigung finden könne. Das zitierte Urteil widerspreche der geltenden Beschlusslage und ihm werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu bislang nicht vorliege.

Der Kläger setzte der Beklagten mit Schreiben vom 13. Februar 2017 eine Frist zur Zahlung bis zum 28. Februar 2017, die die Beklagte verstreichen ließ.

Der Kläger hat am 20. März 2017 Klage bei dem Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung im Wesentlichen auf die schon im Verwaltungsverfahren zitierte Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, wonach es sich beim „Sterbevierteljahrbonus“ nicht um zweckbestimmte Leistungen im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handele, Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?