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3.1 Anhörung der Schwerbehindertenvertretung
Nach § 178 Abs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. Er hat diese Anhörungspflicht daher auch bei jeder Kündigung. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne diese Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. Eine Frist für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (wie etwa bei der Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 2 BetrVG – eine Woche bei ordentlichen und 3 Tage bei außerordentlichen Kündigungen) ist im SGB IX nicht geregelt. § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sieht vor, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung "unverzüglich" anhören muss. Wenn ein Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung aber nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat, macht das allein eine Kündigung noch nicht unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung auch nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats wirksam beteiligen kann.
3.2 Antrag beim Integrationsamt
Die Zustimmung des zuständigen Integrationsamts hat der Arbeitgeber nach § 170 Abs. 1 SGB IX schriftlich zu beantragen und eigenhändig zu unterzeichnen. Die Unterschrift eines Bevollmächtigten ist ebenfalls ausreichend. Reicht der Arbeitgeber den Antrag bei einem örtlich unzuständigen Integrationsamt ein, ist dieses verpflichtet, das Schreiben an das zuständige Amt weiterzuleiten. Zugegangen ist es in diesem Fall aber erst, wenn es die örtlich zuständige Stelle erreicht hat.
Der Antrag sollte folgende Angaben enthalten:
- Die Personalangaben (den Namen des schwerbehinderten Mitarbeiters),
- die Gründe für die Kündigung des schwerbehinderten Mitarbeiters (die Angabe des Grundes ist zwar nicht zwingend, fehlt sie aber, wird der Arbeitgeber ohnehin dazu aufgefordert, sie nachzureichen),
- den ausdrücklichen und eindeutigen Antrag auf Zustimmung zur geplanten Kündigung.
Musterformulierung: "Hiermit wird die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des schwerbehinderten Mitarbeiters … beantragt."
3.3 Verfahren beim Integrationsamt
Das Integrationsamt hört den schwerbehinderten Mitarbeiter selbst schriftlich oder mündlich an. Eine Pflicht des Integrationsamts, den Arbeitnehmer mündlich zu hören, besteht jedoch nur dann, wenn dieser es ausdrücklich wünscht.
Ferner holt das Amt eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit ein, die sich zur Vermittelbarkeit des schwerbehinderten Menschen und über die voraussichtliche Dauer einer drohenden Arbeitslosigkeit äußern soll. Sie soll außerdem zu der Frage Stellung nehmen, ob der Mitarbeiter innerhalb des Betriebs umgesetzt werden kann oder welche berufliche Förderung möglich und wünschenswert wäre. Schließlich fordert das Integrationsamt auch Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebs- bzw. des Personalrats an. Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, die durch den Arbeitgeber stattgefunden hat, kann diese Stellungnahme nicht ersetzen. Verletzt das Integrationsamt eine dieser Aufklärungspflichten, ist eine trotzdem erteilte Zustimmung fehlerhaft. Für den schwerbehinderten Arbeitnehmer besteht dann die Möglichkeit, die Zustimmung im Widerspruchsverfahren anzufechten. Das Integrationsamt kann in diesem Verfahren die Anhörungen allerdings nachholen und die Zustimmung dadurch heilen.
3.4 Ermessen des Integrationsamts
Bevor es eine Entscheidung trifft, muss das Integrationsamt auf eine gütliche Einigung hinwirken, d. h. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermitteln. Als Ergebnis einer solchen Einigung ist z. B. denkbar:
- Die Zurücknahme des Zustimmungsantrags durch den Arbeitgeber oder
- eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im Einvernehmen.
Kann keine Einigung erzielt werden, trifft das Integrationsamt eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung aller vorgetragenen Argumente und des Schutzzwecks des SGB IX – falls nötig aufgrund mündlicher Verhandlung.
Die Ermessensausübung ist abhängig vom Kündigungsgrund.
- Möchte der Arbeitgeber verhaltensbedingt kündigen, muss das Integrationsamt die gegensätzlichen Interessen des schwerbehinderten Mitarbeiters und des Arbeitgebers gegeneinander abwägen. Hat ein dem Menschen mit Behinderungen zum Vorwurf gemachtes Verhalten seine Ursache gerade in der Behinderung, kann die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dazu führen, dass seine Interessen im zumutbaren Rahmen zurücktreten müssen. Das gilt vor allem, wenn der Arbeitgeber das Verhalten durch Maßnahmen in Zukunft verhindern kann. Grobes Fehlverhalten oder schwere Störungen des Betriebsfriedens muss der Arbeitgeber jedoch nicht hinnehmen.
Beispiele: Schwere Diebstähle, tätliche Angriffe gegen andere Mitarbei...