Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit oder abhängigen Beschäftigung als Platten- und Mosaikleger. keine Bindung des Rentenversicherungsträgers an Bescheid über die Bewilligung eines Gründungszuschusses durch Bundesagentur für Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es spricht nicht gegen eine von Anfang an selbständige Tätigkeit als Platten- und Mosaikleger, dass zu Beginn der Existenzgründung im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber Arbeiten ausgeführt wurden, wenn das Gesamtbild des Tätigkeitsverlaufes durch objektive Umstände zeigt, dass der typische Fall eines im Aufbau befindlichen Unternehmens vorliegt (zB Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf mehrere Auftraggeber).

2. Der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Bewilligung eines "Gründungszuschusses" nach § 57 SGB 3 aF (jetzt: § 93 SGB 3 nF) bindet den Rentenversicherungsträger im Betriebsprüfungsverfahren weder im Rahmen der Bestandskraft, der Tatbestandswirkung noch der Feststellungswirkung. Die Bindungswirkung des § 7 Abs 4 SGB 4 in seiner bis zum 30.6.2009 geltenden Fassung, ist unmittelbar nur auf die Fälle des "Existenzgründungszuschuss" nach § 421l SGB 3 aF anwendbar. In Zweifelsfällen spricht die Bewilligung eines Gründungszuschusses auch im Betriebsprüfungsverfahren für die Selbständigkeit der ausgeübten Tätigkeit.

 

Tenor

I. Der Beitragsbescheid vom 09.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2012 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 45.783,95 € nach einer im Jahr 2009 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008.

Die Klägerin ist eine Baufirma mit Schwerpunkt Tiefbau. Sie errichtet Bauwerke, die an oder unter der Erdoberfläche bzw. unter der Ebene von Verkehrswegen liegen. (z. B. Erdbau, Grundbau, Wasserbau, Kanalbau). Die Klägerin beschäftigt zwischen acht und zehn Arbeitnehmer. Die Beigeladenen zu 1.) und 2.) waren vom Zeitpunkt der Firmengründung im Jahre 2005 an bis einschließlich Januar 2007 bei der Klägerin mit dem Schwerpunkt Pflasterarbeiten beschäftigt. Die Beigeladenen zu 1.) und 2.) beendeten auf eigenen Wunsch das Arbeitsverhältnis um sich jeweils selbständig zu machen.

Mit Antrag vom 15.03.2007 beantragten die Beigeladenen zu 1. und 2.) bei der Bundesagentur für Arbeit einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a. F. für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Mit Bescheiden vom 18.04.2007 bzw. 19.04.2007 und Weiterbewilligungsbescheiden vom 28.05.2008 bzw. 03.06.2008 wurde ihnen jeweils für den Zeitraum 02.04.2007 bis 01.07.2008 ein Gründungszuschuss bewilligt.

Am 19.03.2007 meldeten die Beigeladenen zu 1.) und 2.) mit Wirkung zum 02.04.2007 ein Gewerbe mit dem Tätigkeitszweck "Gartenbauarbeiten, Plattenleger, Mosaikleger" an.

Vom 07.04.2009 bis 07.12.2009 führte die Beklagte bei der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2008 eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung durch. Mit Schreiben vom 10.12.2009 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass beabsichtigt sei, für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 46.859,02 € nachzufordern. Insbesondere seien die Beigeladenen zu 1.) und 2.) für den Zeitraum vom 02.04.2007 bis 08.09.2008 bzw. vom 02.04.2007 bis 09.10.2008 als Beschäftigte der Klägerin im Sinne des § 7 SGB IV einzustufen.

Mit Bescheid vom 09.04.2010 setzte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 45.783,95 € fest. Dabei kam die Beklagte zum Ergebnis, dass die die Beigeladenen zu 1.) und 2.) nun für den Zeitraum vom 02.04.2007 bis 31.08.2008 bzw. vom 02.04.2007 bis 30.09.2008 als Beschäftigte der Klägerin im Sinne des § 7 SGB IV einzustufen seien.

Im Wesentlichen stützt sich die Beklagte in der Begründung des Bescheids auf folgenden Erwägungen:

* Die Beigeladenen zu 1.) und 2.) hätten in unveränderter Weise zum vorherigen Arbeitnehmerverhältnis Pflasterarbeiten verrichtet. Sie seien ab Februar 2007 bei der Ausübung der o.g. Tätigkeiten voll an den Betriebsablauf der Klägerin und deren Einrichtungen gebunden gewesen. Weiter spreche für die Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers, dass die Beigeladenen zu 1.) und 2.) selbst keine Betriebsstätte unterhielten. Sie hätten das benötigte Material nicht selber eingekauft und zudem nicht mit den Kunden persönlich abgerechnet.

* Die Beigeladenen zu 1.) und 2.) hätten ihre Dienste an einem bestimmten Ort, nämlich den Baustellen der Klägerin, erbracht und somit den Tätigkeitsort nicht selbst bestimmen können (örtliche Weisungsgebundenheit). Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien auch zeitlich weisungsgebunden gewesen, da sie sich am Betriebsablauf und den Arbeitszeiten der Klägerin orientieren hätten müssen.

* Außerdem hätten die Beigeladenen zu 1.) und 2.) kein Unternehmerrisiko getragen, sondern letztendlich nur ihre Arbeitskraft zu Verfügung geste...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge