Rz. 64
Zwar ist grundlegende Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankenbehandlung nur die Versicherteneigenschaft, die nicht zwangsläufig die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse zur Folge haben muss (z. B. die nach § 10 Familienversicherten). Von der Mitgliedschaft zu unterscheiden ist der so genannte nachgehende Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 (vgl. die dortige Komm.). Hiervon macht Abs. 2 Ausnahmen für folgende Personen:
- Personen mit nur kurzem oder voraussichtlich vorübergehendem Aufenthalt (vgl. hierzu § 30 SGB I) im Inland (Abs. 2 HS 1);
- Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde (Abs. 2 Satz 1). Das Vorliegen von völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen rechtfertigt nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dementsprechend beschränkt sich die Regelung auf Ausländer, die im Besitz der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 und 5 Aufenthaltsgesetz sind;
- asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Abs. 2 HS 2 Nr. 1);
- Spätaussiedler und Vertriebene i. S. d. § 4 Bundesvertriebenengesetz sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge (Abs. 2 HS 2 Nr. 2).
Für diese Personen besteht bei der Versorgung mit Zahnersatz eine Wartefrist. Sie müssen unmittelbar vor der Inanspruchnahme der Leistungen ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse oder familienversichert nach § 10 gewesen sein. Die Mitgliedschaft bei einer ausländischen Krankenkasse reicht nicht aus. Durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 ist das Ende der Wartefrist an die Inanspruchnahme und nicht mehr wie zuvor an die Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit geknüpft. Diese Regelung dient der Praktikabilität, eröffnet hingegen Versicherungsschutz auch für diejenigen, die schon vor dem Jahreszeitraum behandlungsbedürftig waren.
Rz. 65
Die frühere Voraussetzung "mit Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt" ist durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 gestrichen worden. Solche asylsuchende Ausländer, Vertriebene sowie Spätaussiedler und ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge sind in aller Regel nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die Vorschrift in der alten Fassung lief ins Leere. Grundlegende Voraussetzung ist ferner die Mitgliedschaft bei den in § 4 genannten inländischen Krankenkassen. Der einleitende Satz von Abs. 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erteilung einer Duldung im Aufenthaltsgesetz ab 1.1.2005 nicht mehr vorgesehen ist. Nunmehr rechtfertigt das Vorliegen von völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Entsprechend der Duldung, die nur Ausländer mit vorübergehendem Aufenthalt erhielten, beschränkt sich die Regelung auf Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 Aufenthaltsgesetz (hierzu Rz. 7a) sind.
Rz. 66
Ohne Wartezeit besteht ein Anspruch auf Zahnersatz nur, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist. So ist ein Ausnahmefall z. B. dann gegeben, wenn ohne die Behandlung ein weiterer erheblicher, nicht wiedergutzumachender Gesundheitsschaden eintreten würde. Damit sind Ausnahmefälle im Rahmen der Entscheidung des Medizinischen Dienstes möglich (§ 275). Die Krankenkassen sind gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 5 verpflichtet, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vor Erbringung der Leistung prüfen zu lassen, ob die Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist. Erst nach Einholung dieses Pflichtgutachtens darf die Krankenkasse über den Leistungsanspruch entscheiden.
Rz. 67
§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG stellt insoweit eine Sonderregelung dar. Die zuständige Behörde stellt die ärztliche und zahnärztliche Versorgung einschließlich der amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen sicher, § 4 Abs. 3 AsylbLG. Hilfeempfänger nach dem AsylbLG haben im Rahmen der Leistungen bei Krankheit keinen Anspruch auf optimale und bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Hilfe bei akuten Erkrankungen sowie Schmerzzuständen. Langwierige Behandlungen, die wegen der absehbar kurzen Dauer des weiteren Aufenthalts voraussichtlich nicht abgeschlossen werden können, begründen keine Leistungsverpflichtung. Über die Auffang- und Öffnungsklausel des § 6 Abs. 1 AsylbLG können nur unerlässliche, d. h. unverzichtbare Leistungen erbracht werden. Das gilt auch im Falle von chronischen Erkrankungen (LSG BW, Beschluss v. 11.1.2007, L 7 AY 6025/06 PKH-B).
Rz. 68
Versichert sind nunmehr auch die Lebenspartner (vgl. Rz. 5) des in Abs. 2 Nr. 2 beschriebenen Personenkreises. Darunter ist eine Lebenspartnerin oder ein Lebenspartner zu verstehen, mit dem eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz. 1 LPartG begründet worden ist. Auch für diese gilt die einjährige Wartefrist.