Rz. 95
Einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes benachteiligen, sind unwirksam gem. § 134 BGB. Auch eine benachteiligende Vereinbarung ist unwirksam, soweit der Arbeitnehmer von einer begünstigenden Regelung ausgenommen wird. Rechtsgeschäfte, die andere Arbeitnehmer gleichheitswidrig begünstigen, sind demgegenüber grundsätzlich wirksam. Die nach § 134 BGB im Hinblick auf die benachteiligten Arbeitnehmer entstandene Regelungslücke wird grundsätzlich nach oben hin angepasst. Dies gilt nicht ohne Ausnahme. Nach jüngerer Rspr. des BAG verpflichtet der Gleichbehandlungsgrundsatz einen Arbeitgeber, der durch ein sachlich nicht gerechtfertigtes Merkmal eine außerordentlich kleine Gruppe der Belegschaft bessergestellt hat, nicht, diesen Vorteil allen Beschäftigten einzuräumen. Nur solange einzelne Arbeitnehmer benachteiligt worden sind und die hierdurch verursachten Mehrbelastungen des Arbeitgebers nicht ins Gewicht fallen, kann einem benachteiligten Arbeitnehmer wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes der korrigierte volle Abfindungsbetrag zugesprochen werden. Die aus der Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes folgenden finanziellen Belastungen des Arbeitgebers sind in den Fällen, in denen die Gruppe der Bessergestellten außerordentlich klein ist, danach nur gerechtfertigt, wenn zugleich besondere verfassungsrechtliche oder gemeinschaftsrechtliche Differenzierungsverbote, wie bspw. das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts, verletzt worden sind. Das BAG hat freilich offengelassen, was noch als "außerordentlich kleine Gruppe" anzusehen ist und wie in anderen Fällen eine effektive Sanktion aussieht. Die Rspr. ist solange abzulehnen, wie sie hier nicht Wege nennt. Hier darf es – entgegen der bisherigen Rspr. – nicht generell ausgeschlossen sein, dem Arbeitgeber Änderungskündigungsrechte und -pflichten zuzubilligen, um für die Zukunft die bisher nur einzelnen Arbeitnehmern gewährten Leistungen dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend auf eine größere Gruppe von Arbeitnehmern zu verteilen.
Rz. 96
Wo eine Gleichbehandlung nicht mehr möglich ist, kann der Arbeitgeber zum Schadensersatz aus § 280 BGB verpflichtet sein. Das hierfür erforderliche Verschulden wird zuweilen fehlen, denn zum Vorsatz gehört das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, nicht allein das Wissen und Wollen der Differenzierung. Die Rspr. verzichtet daher auch in diesen Fällen auf das Verschulden und leitet einen Anspruch auf kompensatorische Maßnahmen zur Gleichbehandlung unmittelbar aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz selbst ab. Dem Arbeitgeber steht allerdings ein Ermessensspielraum zu, wie er den Anspruch auf Gleichbehandlung in diesen Fällen verwirklicht. Wenn etwa eine Nachversicherung nicht mehr möglich ist, kann er einen gleichwertigen Versorgungsanspruch auf andere Art begründen.
Rz. 97
Die Gleichstellung bisher benachteiligter Arbeitnehmer kann für den Arbeitgeber mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden sein. Diese können ihn berechtigen, im Wege der Änderungskündigung eine Anpassung der Verträge oder der betrieblichen Übung zu erreichen. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht. Die Kündigung kann sowohl die bisher allein begünstigten Arbeitnehmer als auch die gleichzustellenden Arbeitnehmer erfassen. Es gelten jedoch die allgemeinen strengen Regeln zur Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung. Die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stellt für sich genommen noch keinen betriebsbedingten Grund zur Rechtfertigung einer Änderungskündigung dar. Auch, dass sich der Arbeitgeber auf eine die angestrebte Neuregelung vorgebende (Gesamt-)BV berufen kann, erleichtert die Änderungskündigung nicht. Werden die Leistungen unter einem Widerrufsvorbehalt gewährt, kann eine Vereinheitlichung durch deren Widerruf möglich sein. Auch hier sind dann die Grenzen des Gleichbehandlungsgebots zu beachten. Für die Zukunft kann der Arbeitgeber auch darlegen, dass die bisherige Ungleichbehandlung zwar rechtswidrig, andere, weniger weitgehende Unterscheidungen jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind. Für die Vergangenheit ist ihm ein solcher Hinweis allerdings verwehrt.
Rz. 98
Die Grenzen einer rückwirkenden Gleichstellung durch den Arbeitgeber sind bisher durch die Rspr. noch nicht im Einzelnen ausgelotet. Im Grundsatz ist von einer unbegrenzten Verpflichtung für die Vergangenheit auszugehen, begrenzt nur durch die gesetzlichen Verjährungsvorschriften. Unterliegt der Anspruch, in den einbezogen zu werden der klagende Arbeitnehmer verlangt, einer Ausschlussfrist, dann ist sie zumindest als individualvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist auch für den Anspruch auf Gleichbehandlung anzuwenden. Strittiger ist die Anwendung von tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Diese sind bei Gleichbehandlungsbegehren von Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst durch die Rspr. nicht angewandt worden.