Rz. 7
Findet ein Betriebsübergang statt, erstreckt sich gem. § 128 Abs. 2 die Vermutung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO oder die gerichtliche Feststellung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO auch darauf, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist.
§ 128 Abs. 2 InsO enthält keine materiellrechtliche Vorschrift, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Vorschrift zur Regelung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess. Dem Arbeitnehmer obliegt damit der Vollbeweis nach § 46 Abs. 2 ArbGG, § 292 ZPO. Eine weitergehende Bedeutung kommt dieser Vorschrift nicht zu. Diese Regelung ist zunächst eine Klarstellung, denn die Vermutungswirkung erstreckt sich schon nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe, was gedanklich miteinschließt, dass die Kündigung nicht wegen des Betriebsübergangs, sondern aus anderen Gründen ausgesprochen wird. Eine eigenständige Bedeutung entfaltet § 128 Abs. 2 InsO allein gegenüber Arbeitnehmern, die mangels Anwendbarkeit des KSchG keine Unwirksamkeit nach § 1 Abs. 2, 3 KSchG geltend machen können, denn sie könnten sich darauf berufen, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden.
Rz. 8
Darüber hinaus verstärkt § 128 Abs. 2 InsO die verfahrensrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers. Zwar ist der Arbeitnehmer, der sich auf die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613a Abs. 4 BGB beruft, ohnehin darlegungs- und beweispflichtig. Insoweit ist die Regelung in Bezug auf § 125 InsO von geringer Bedeutung, sie ist jedoch nicht überflüssig. Im Rahmen des § 613a Abs. 4 BGB greifen nämlich wiederum Erleichterungen der Darlegungslast ein, wenn es in nahem Zusammenhang mit einer ausgesprochenen Kündigung zu einem Betriebsübergang kommt, da dies Rückschlüsse auf eine fehlende Stilllegungsabsicht und einen kausalen Zusammenhang zwischen Betriebsübergang und Kündigung zulässt. Diese Erleichterungen gelten im Insolvenzfall angesichts der verstärkenden Regelung des § 128 Abs. 2 InsO nicht mehr.
Hat der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich über eine Betriebsänderung nebst Namensliste abgeschlossen, obliegt dem Arbeitnehmer immer die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung nicht nur anlässlich, sondern wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen worden ist.
Rz. 9
Die Vermutungswirkung des § 128 Abs. 2 InsO gilt auch für einen Betriebsteilübergang. Auch hier gilt also Entsprechendes zu Abs. 1. Es lässt sich weder gesetzessystematisch noch teleologisch rechtfertigen, den Betriebsteilübergang auszunehmen, weil der Gesetzgeber ihn in § 128 Abs. 2 InsO nicht ausdrücklich erwähnt hat.
Rz. 10
Die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erstreckt sich lediglich auf die im Interessenausgleich geregelte Betriebsänderung und erfasst damit nur Kündigungen in Vollzug der Betriebsänderung, über die der Interessenausgleich mit Namensliste zu Stande gekommen ist. Die Vermutungswirkung greift mithin nicht, wenn der im Interessenausgleich bezeichnete Arbeitnehmer in einem Bereich beschäftigt ist, der überhaupt nicht von der im Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung erfasst wird. Liegt keine Betriebsänderung vor, sondern handelt es sich in Wahrheit um einen Betriebsteilübergang i. S. d. § 613a BGB, so greift § 125 Abs. 1 InsO jedenfalls für die vom Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse nicht ein.
Rz. 11
Die Wirkung des § 128 Abs. 2 InsO endet ebenso wie in den §§ 125–127 InsO mit einer wesentlichen Änderung der Sachlage.