Rz. 157

Wer eine Kündigung von einem Dritten im Namen des Vertragspartners erhält, sollte bei Zweifeln an der Vollmacht die Kündigung unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern, § 121 BGB) zurückweisen. Dem Kündigungsempfänger steht eine gewisse Überlegungszeit zu.[1] Nach Ansicht des BAG ist eine Zeitspanne von einer Woche unter gewöhnlichen Umständen ausreichend, um die Entscheidung über die Rüge zu treffen. Die Wochenfrist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung. Es soll schnell geklärt werden, ob er die Wirksamkeit der Kündigung unter formalen Gesichtspunkten infrage stellt. Die Rüge ist an keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtsverhältnisse gebunden und erfordert auch keinen schwierigen Abwägungsprozess.[2]

Handelte der Dritte tatsächlich ohne Vollmacht, ist die Kündigung nach§ 180 Satz 1 BGB nichtig. Ohne die rechtzeitige Zurückweisung ist die Kündigung dagegen schwebend unwirksam und kann vom Vertretenen nach §§ 180 Satz 2, 177 BGB genehmigt werden (vgl. Rz. 154).

 

Rz. 158

Handelte der Dritte mit Vollmacht, die er aber nicht durch die Originalurkunde belegt hat, ist die Kündigung damit nach § 174 BGB unwirksam, wenn die Kündigung aus diesem Grund zurückgewiesen wurde. § 174 BGB gilt unmittelbar allein für das Handeln rechtsgeschäftlicher, nicht aber gesetzlicher und organschaftlicher Vertreter.[3] Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des BAG unter anderem dann analog anzuwenden, wenn ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB a.F. nach § 710 BGB a.F. (nunmehr § 720 BGB n.F.) allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Kündigung erklärt.[4]

Für nach §§ 707a Abs. 1, 707 Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F. in das Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts (eGbR) kann dies jedoch nicht mehr gelten, da sich die Vertretungsbefugnis hier aus einem öffentlichen Register ergibt und daher über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertretungsmacht keine Unsicherheit besteht.[5]

 

Rz. 159

Die Vorlage des Originals der Vollmachtsurkunde beweist, dass dem Bevollmächtigten die Vollmacht nicht wieder entzogen wurde (vgl. § 172 Abs. 2 BGB). Bei der Zurückweisung sollte der Vertreter des Kündigungsempfängers seinerseits eine Vollmacht beifügen, um seinerseits eine Unwirksamkeit nach § 174 BGB zu vermeiden.

 

Rz. 160

Die Zurückweisung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte oder die Ungewissheit über die Kündigungsberechtigung aufgrund anderer Umstände ausgeschlossen ist, etwa weil der Mitarbeiter eine Stellung innehat, mit der regelmäßig ein Kündigungsrecht verbunden ist.[6]

 

Beispiele

Der Erklärungsempfänger ist z. B. von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt, wenn die für die erste Kündigung vorgelegte Vollmacht sich auch auf eine Folgekündigung erstreckt, es sei denn, der Vollmachtgeber hat zwischenzeitlich dem Erklärungsempfänger das Erlöschen der Vollmacht angezeigt.[7]

Die Vollmachtsurkunde ist entbehrlich bei der Kündigung durch

  • den Betriebs- oder Personalleiter,
  • den Prokuristen, dessen Kündigung der Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 HGB auch bei fehlender positiver Kenntnis gegen sich gelten lassen muss[8],
  • einen Rechtsanwalt, der eine allgemeine Feststellungsklage über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führt (zum Umfang der Prozessvollmacht vgl. Rz. 155),
  • einen besonderen Vereinsvertreter i. S. d. § 30 BGB mit satzungsmäßiger Kündigungsbefugnis[9].

Die Vollmachtsurkunde ist nicht entbehrlich bei der Kündigung durch

  • einen Sachbearbeiter oder Referatsleiter der Personalabteilung,
  • einen Geschäftsführer einer GmbH, der nur zusammen mit anderen zur Geschäftsführung vertretungsberechtigt war (Gesamtvertretung) und dann von ihnen für den Einzelfall ermächtigt wurde[10].
 

Rz. 161

Folge der Unwirksamkeit: Die Kündigung muss unter Vorlage der Vollmachtsurkunde wiederholt werden, was den Kündigenden unter Umständen in Zeitnot bringt, etwa im Hinblick auf die gem. § 622 BGB einzuhaltende Kündigungsfrist oder die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

[1] APS/Preis, Grundlagen C,Rz. 78; HaKo-KSchG/Mestwerdt, Einleitung Rz. 72.
[2] BAG, Urteil v. 20.5.2021, 2 AZR 596/20; BAG, Urteil v. 25.4.2013, 6 AZR 49/12.
[3] BAG, Urteil v. 5.12.2019, 2 AZR 147/19.
[4] BAG, Urteil v. 5.12.2019, 2 AZR 147/19.
[5] Schaich, NZA 2023, 1226, 1227.
[6] MünchHdbArbR/Greiner, § 108 Rz. 15.
[8] BAG, Urteil v. 11.7.1991, 2 AZR 107/91, AP BGB § 174 Nr. 9; HaKo-KSchG/Mestwerdt, Einleitung Rz. 73, 74.
[9] BAG, Urteil v. 18.1.1990, 2 AZR 358/89, NZA 1990, 520, 521; HaKo-KSchG/Mestwerdt, Einleitung Rz. 74.

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