Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 125
Die Anzeige ist eine einseitige empfangsbedürftige Wissenserklärung und eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen grundsätzlich entsprechend anwendbar sind. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG sieht ein gesetzliches Schriftformerfordernis i. S. d. § 126 BGB vor. Daher muss der Arbeitgeber oder dessen gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter die Anzeige eigenhändig unterzeichnen (§ 126 Abs. 1 BGB). Es ist dringend zu empfehlen, wenn auch nicht rechtlich geboten (arg. e § 60 Abs. 2 SGB I), bei der Anzeige die von der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellten Vordrucke zu verwenden. Da die Anzeige auch eine Verfahrenshandlung ist, kann sie mitsamt der erforderlichen Anlagen – abweichend von § 126 BGB – auch per Telefax an die Arbeitsagentur übermittelt werden. Dem dürfte auch das Schriftformerfordernis in Art. 3 Abs. 1 MERL nicht entgegenstehen. Der Grundsatz, dass die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig ist, gilt entsprechend auch für Verfahrenshandlungen gegenüber Behörden. Durch § 130 Nr. 6 ZPO wird bestätigt, dass die Übermittlung eines Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst (Telekopie) ausreicht, sofern die Unterschrift des Ausstellers in der Kopie wiedergegeben wird. Die Übermittlung eines Schriftstücks, auf dem die Unterschrift mit einem Unterschriftsstempel (Faksimile-Stempel) angebracht ist, genügt diesen Anforderungen allerdings nicht. Auch eine mündliche oder telefonische Massenentlassungsanzeige ist unwirksam. Ein elektronisches Dokument (E-Mail) wahrt ebenfalls nicht die für bestimmende Schriftsätze vorgeschriebene Schriftform des § 130 Nr. 6 ZPO, sodass eine Übermittlung der Massenentlassungsanzeige per E-Mail grds. nicht ausreichend ist. Etwas anderes gilt nur, wenn die im Original unterschriebene Massenentlassungsanzeige eingescannt wird und als PDF-Datei an die Arbeitsverwaltung übermittelt wird. Dem Unterschriftserfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO ist nämlich nach älterer Rspr. auch genügt, sobald dem Gericht ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten Bilddatei (PDF-Datei) vorliegt, die durch Einscannen des vollständigen und vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt wurde. Mittlerweile gibt es Rechtsvorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr. Nach § 3a Abs. 1 VwVfG bzw. § 36a Abs. 1 SGB I ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (§ 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG, § 36a Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB I). Die Schriftform kann nach § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG bzw. § 36a Abs. 2 Satz 4 SGB I auch ersetzt werden durch unmittelbare Abgabe der Erklärung in einem elektronischen Formular, das von der Behörde in einem Eingabegerät oder über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird (Nr. 1), bei Anträgen und Anzeigen durch Versendung eines elektronischen Dokuments an die Behörde mit der Versandart nach § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes (Nr. 2) oder durch sonstige sichere Verfahren, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, welche den Datenübermittler (Absender der Daten) authentifizieren und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes sowie die Barrierefreiheit gewährleisten (Nr. 4).
Rz. 126
Der Arbeitgeber kann die Anzeige jederzeit wieder zurücknehmen. Durch die Rücknahme werden die Wirkungen der Anzeige wieder beseitigt. Für die Rücknahme als actus contrarius zur Anzeige ist ebenfalls die Schriftform einzuhalten.