Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 18
Die Zulassungsentscheidung der Bundesagentur für Arbeit ermächtigt den Arbeitgeber, die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend herabzusetzen. Dem Arbeitgeber wird dementsprechend ein einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt, durch welches dessen Individualrechte erweitert werden. Gleichzeitig wird das Recht des Arbeitnehmers vorübergehend eingeschränkt, entsprechend seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit beschäftigt zu werden. Die Zulassungsentscheidung enthält aber noch keine konkrete Anordnung zur Einführung von Kurzarbeit. Denn hierzu ist allein der Arbeitgeber berechtigt. Innerhalb des von der Bundesagentur für Arbeit vorgegebenen Rahmens steht es ihm frei, ob und in welchem zeitlichen und betrieblichen Umfang er von der Ermächtigung Gebrauch macht. Dabei kann der Arbeitgeber auch ganz davon absehen, Kurzarbeit einzuführen. In der Praxis wird dies vor allem dann der Fall sein, wenn mit der Kurzarbeit keine finanziellen Entlastungen entbunden sind, etwa weil die Kündigungsfristen der Arbeitnehmer noch über die Sperrzeit hinausgehen und der Arbeitgeber bis zum Ende der jeweiligen Kündigungsfrist zur Zahlung des vollen Arbeitsentgelts verpflichtet ist. Soweit der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnet, kann er jedoch innerhalb der Grenzen der Zulassungsentscheidung bestimmen, wie er dies umsetzt. Insbesondere kann er den Beginn und die Dauer im Rahmen der Ermächtigung und unter Beachtung der arbeitszeitschutzrechtlichen Regelungen frei festlegen. Weiterhin steht es ihm frei zu entscheiden, bei welchen Arbeitnehmern die Arbeitszeit reduziert wird. In praktischer Hinsicht wird dies regelmäßig dazu führen, dass nur für diejenigen Arbeitnehmer Kurzarbeit eingeführt wird, bei denen auch eine Gehaltskürzung vorgenommen werden kann.
Rz. 19
Je nach den wirtschaftlichen und betrieblichen Erfordernissen kann der Arbeitgeber – vorbehaltlich des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats (vgl. Rz. 28 ff.) – z. B. bestimmen, dass nur noch montags, mittwochs und freitags jeweils 8 Stunden oder an allen Werktagen je 4 Stunden gearbeitet wird. Unter Beachtung der §§ 4, 7 ArbZG kann die 8-stündige Arbeitszeit pro Tag auch verlängert werden, sofern es insgesamt zu einer Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit kommt. Die Kurzarbeit hat dabei keinen Einfluss auf Urlaubs- und Urlaubsentgeltansprüche (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 BurlG). Insofern gelten die allgemeinen Grundsätze für die Berechnung des Arbeitsentgelts, die auch sonst bei Kurzarbeit zur Anwendung kommen. Auch Tage, an denen die Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit vollständig ausfällt, sind bei der Berechnung normalen Werktagen gleichzusetzen.
Rz. 20
Die Ermächtigung der Bundesagentur für Arbeit gibt dem Arbeitgeber im Verhältnis zum Arbeitnehmer also das Recht, einseitig die Arbeitsbedingungen zu ändern und erweitert damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Eine einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen gegenüber dem Arbeitnehmer ist ansonsten nur dann möglich, wenn ein Änderungsvorbehalt wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Liegt ein derartiger Änderungsvorbehalt im Hinblick auf die Einführung von Kurzarbeit nicht vor, wäre der Arbeitgeber ohne die Regelung in § 19 KSchG grds. auf die schwerfällige Änderungskündigung verwiesen. Da eine Änderungskündigung jedoch der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt und zumindest während der Sperrfrist nicht durchführbar ist, stellt dieses Instrument ein ungeeignetes Mittel in der wirtschaftlichen Krise dar.
Rz. 21
Da die Verkürzung der Arbeitszeit allein durch die Anordnung des Arbeitgebers eintritt und eine Zustimmung des Arbeitnehmers nicht erforderlich ist, muss der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen zunächst hinnehmen. Er kann sich hiergegen insbesondere nicht im Wege einer Kündigungsschutzklage wehren, da die einseitige Änderung der Arbeitsbedingung gerade keine Kündigung des Arbeitgebers ist. Dem Arbeitnehmer, der es ablehnt, unter Verkürzung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsentgelts zu arbeiten, bleibt nur die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Hierbei hat er jedoch die Kündigungsfristen einzuhalten, da die Einführung von Kurzarbeit regelmäßig keinen wichtigen Grund i. S. v. § 626 BGB darstellt und der Arbeitnehmer damit keine außerordentliche Kündigung aussprechen kann. Der betreffende Arbeitnehmer könnte ferner im Rahmen einer Feststellungsklage die vorgenommene Arbeitszeitverkürzung – in der Regel nachträglich – arbeitsgerichtlich daraufhin überprüfen lassen, ob tatsächlich die Voraussetzungen anzeigepflichtiger Entlassungen vorlagen und ob eine Zulassungsentscheidung der Bundesagentur vorlag. Dabei ist das Arbeitsgericht allerdings an den sachlichen Inhalt der Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit gebunden und kann insbesondere nicht überprüfen, ob das Ermessen richtig ausgeübt wurde.