Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 5
Nach § 22 Abs. 1 KSchG entfällt die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen, wenn es sich um einen Saison- oder Kampagne-Betrieb handelt und die Entlassungen gerade durch diese Eigenart bedingt sind. Da die Regelung Saison- und Kampagne-Betriebe gleichermaßen privilegiert, ist dabei keine trennscharfe Abgrenzung zwischen beiden Begriffen, wohl aber zum allgemeinen Betriebsbegriff, erforderlich.
2.1 Saisonbetrieb
Rz. 6
Saisonbetriebe sind solche Betriebe, die zwar durchgehend, aber zu bestimmten Hauptzeiten (Saison) verstärkt, d. h. mit einem erhöhten Personalbestand, arbeiten. Entscheidend ist dabei, dass es sich um regelmäßig wiederkehrende Schwankungen handelt, die für die betreffende Betriebsart typisch und von der jeweiligen Saison abhängig sind. Gründe hierfür können witterungsbedingt (z. B. bei Freibädern, land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Drahtseilbahnen im Gebirge, Kies- und Sandgruben, Steinbrüchen, Ziegeleien ohne künstliche Trockenvorrichtung und Sumpfhaus), absatzbedingt (z. B. bei der Herstellung von Weihnachts- und Karnevalsartikeln, Sommer- bzw. Winterkleidung, Kisten für Obst und Gemüse) oder jahreszeitbedingt (z. B. bei Verkehrseinrichtungen, Jahrmarktständen) sein. Veränderungen aufgrund außergewöhnlicher Umstände oder für die betreffende Jahreszeit ungewöhnlicher Witterungen, die nicht betriebstypisch und saisonabhängig sind, gehören jedoch nicht dazu. Ebenso keine Saisonbetriebe sind solche Betriebe, die ausschließlich als Lohnunternehmer Rohstoffe oder Halbfabrikate weiterverarbeiten bzw. auf Bestellung tätig sind, sofern sie die Arbeit bei Auftragsmangel einschränken oder einstellen.
2.2 Kampagne-Betrieb
Rz. 7
Zu Kampagne-Betrieben sind diejenigen Betriebe zu rechnen, deren Arbeitsanfall auf eine bestimmte Zeitspanne im Kalenderjahr beschränkt ist. Insbesondere sind hiervon Betriebe erfasst, die aufgrund ihres Produktionsablaufs keine Beschäftigung mehr haben, wenn die Zufuhr an Rohstoffen und deren Verarbeitung endet. Dies ist insbesondere der Fall bei landwirtschaftsnahen Produktionsbetrieben, wie z. B. Fischräuchereien und -salzereien, Gemüse- und Fruchtkonserven, Stärke- und Zuckerfabriken. I. d. R. dauert hier die Produktionstätigkeit lediglich einige Monate im Kalenderjahr. Daneben sind unter Kampagne-Betrieben auch Dienstleistungsbetriebe zu verstehen, deren Dienstleistungen nur in bestimmten Zeiten in Betracht kommen, wie z. B. anlässlich einer Messe oder während der Ferienzeit. Die zeitliche Dauer der Kampagne-Frist hängt dabei jeweils von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.
2.3 Mischbetriebe
Rz. 8
Die Ausnahmebestimmung in § 22 KSchG gilt auch für diejenigen Mitarbeiter, die im saison- bzw. kampagneabhängigen Teil eines sog. Mischbetriebs beschäftigt sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine selbstständige Betriebsabteilung existiert, welche die Merkmale eines Saison- bzw. Kampagne-Betriebs aufweist.
2.4 Kein geförderter Betrieb des Baugewerbes
Rz. 9
Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegt keine Ausnahme von der Anzeigepflicht nach §§ 17 ff. KSchG vor, sofern es sich um einen Betrieb des Baugewerbes handelt, in dem die ganzjährige Beschäftigung gem. § 101 SGB III gefördert wird. Auf die Frage, ob sie nach den allgemeinen Kriterien als Saison- oder Kampagne-Betriebe anzusehen sind, kommt es dabei nicht an.
2.5 Entlassungen aufgrund der Eigenart des Betriebs
Rz. 10
Zu beachten ist schließlich, dass auch bei Saison- und Kampagne-Betrieben nur solche Entlassungen von den Vorschriften des 3. Abschnitts ausgenommen werden, die gerade durch die Eigenart des Betriebs bedingt sind. Hierdurch soll ausgeschlossen werden, dass Saison- oder Kampagne-Betriebe in den Fällen, in denen die Entlassungen auf allgemeinen, wie z. B. strukturellen, konjunkturellen oder wirtschaftspolitischen Gründen beruhen, abweichend von anderen Betrieben behandelt werden. Liegt kein Kausalzusammenhang zwischen der Eigenart des Betriebs und der Massenentlassung vor, z. B. weil die Entlassungen innerhalb der Saison oder Kampagne erfolgen, sind diese bei Überschreiten der Schwellenwerte anzeigepflichtig.