Rz. 57
Bei Betriebs- und Personalräten und sonstigen nach § 15 Abs. 1-3a KSchG geschützten Arbeitnehmern scheidet ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers aus, weil bei der allein möglichen außerordentlichen Kündigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG nur der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen kann. Gleiches gilt in all den Fällen, in denen die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.
Hiervon zu trennen sind die Fälle, in denen ein gekündigter Arbeitnehmer während eines Kündigungsschutzprozesses zum Betriebsrat oder Personalrat gewählt wird oder als Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlbewerber den besonderen Kündigungsschutz erlangt. Dieser nachträgliche Sonderkündigungsschutz mit Ausschluss der außerordentlichen Kündigung von Arbeitgeberseite spielt bei der Prüfung der Wirksamkeit der zuvor ausgesprochenen Kündigung keine Rolle. Umstritten ist jedoch, ob der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens einen Auflösungsantrag stellen kann. Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass zur Sicherung der personellen Zusammensetzung der Arbeitnehmervertretungen dem Arbeitgeber die Stellung eines Auflösungsantrags verwehrt ist. Zu § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG hat das BAG in einer älteren Entscheidung darauf abgestellt, dass einschränkend der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag nur dann stellen kann, wenn ein wichtiger Grund nach § 626 BGB vorliegt und der Auflösungsantrag auf einen Sachverhalt gestützt wird, welcher nach Beginn des besonderen Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers nach § 15 Abs. 2 KSchG entstanden ist.
Abweichend hiervon hat das BAG nunmehr zu § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG mit überzeugender Begründung entschieden, dass bei einem Sonderkündigungsschutz nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 15 Abs 3 Satz 1 KSchG, der erst nach Zugang der ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers entstanden ist, eine teleologische Reduktion von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ausscheidet und die Auflösungsgründe keinen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB erfordern. Gleiches muss auch bei Vorliegen des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG gelten. Die Zustimmung des Betriebsrats oder Personalrats in entsprechender Anwendung der §§ 103 BetrVG, 108 BPersVG ist daher nicht erforderlich.
Im Rahmen der Prüfung der Auflösungsgründe ist jedoch zu prüfen, inwieweit die Auflösungsgründe mit der Amtsausübung in Zusammenhang stehen. Die Verletzung ausschließlich betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten ist kein Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Wird der Auflösungsantrag auf ein Verhalten vor Beginn des Schutzes nach § 15 Abs. 1-3a KSchG gestützt, gelten keine Besonderheiten, da die Gefahr der Umgehung des § 15 KSchG nicht besteht. Ist ein Sonderkündigungsschutz zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder beendet, gelten ebenfalls keine Besonderheiten. Hängen die Tatsachen, die die Auflösung begründen sollen, mit der Ausübung eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats zusammen, ist dies bei der Bewertung des Auflösungsgrundes zu berücksichtigen.
Rz. 58
Bei sonstigen kündigungsschutzrechtlich besonders geschützten Personen wie z. B. nach § 168 SGB IX, § 17 MuSchG oder § 18 BEEG gelten auch für den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag keine Besonderheiten, wenn die nötige behördliche Zustimmung für die Kündigung vorliegt.
Tritt der besondere Kündigungsschutz erst nach Zugang der Kündigung ein, gilt nichts anderes. Einer Erstreckung des behördlichen Zustimmungserfordernisses auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG durch analoge Anwendung steht entgegen, dass keine planwidrige Regelungslücke besteht. Dem besonderen Schutz kann durch eine strengere Prüfung der Auflösungsgründe Rechnung getragen werden.