Rz. 17
Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG können auch mehrere Unternehmen gemeinsame Betriebe haben. Diese Regelung beinhaltet lediglich eine Klarstellung, da der Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen bereits vorher von der Rechtsprechung anerkannt war. Mit dem Gemeinschaftsbetrieb zusammenhängende Fragen wie z. B., ob die Unternehmen tatsächlich vereinbart haben oder von der Konzernspitze angewiesen worden sind, einen Betrieb gemeinsam zu führen, sind in der Praxis oft Anlass von Streitigkeiten. Entsprechende Nachweise sind vor allem von den Wahlvorständen bzw. Betriebsräten kaum zu erbringen. Hier soll eine Vermutungsregelung weiterhelfen, die an zwei unterschiedlichen Tatbeständen anknüpft.
Rz. 18
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wird die Annahme eines gemeinsamen Betriebs widerlegbar vermutet, wenn von den Unternehmen die in einer Betriebsstätte vorhandenen sachlichen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die arbeitstechnischen Zwecke gemeinsam genutzt und die Arbeitnehmer – unabhängig davon, zu welchem der Unternehmer (Arbeitgeber) sie in einem Arbeitsverhältnis stehen – gemeinsam eingesetzt werden.
Rz. 19
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG betrifft den Fall, dass im Zuge der Spaltung eines Unternehmens von einem Betrieb dieses Unternehmens ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden. Bleibt bei dieser Zuordnung die Organisation des davon betroffenen Betriebs im Wesentlichen unverändert, wird nach der Gesetzesbegründung widerlegbar vermutet, dass die an der Spaltung beteiligten Unternehmen den Betrieb als gemeinsamen Betrieb weiterführen, um auch weiterhin die arbeitstechnischen Vorteile eines langjährigen, eingespielten Betriebs zu nutzen. Diese Regelung entspricht weitgehend dem außer Kraft gesetzten § 322 Abs. 1 UmwG a. F. Der Begriff der Spaltung im Sinne dieser Vorschrift umfasst die Fälle der Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung sowohl in Form der Gesamtrechtsnachfolge als auch in Form der Einzelrechtsnachfolge.
Rz. 20
§ 1 Abs. 2 BetrVG enthält keine eigenständige Definition des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen. Greifen die Vermutungstatbestände nicht ein, schließt dies das Bestehen eines gemeinsamen Betriebs nicht aus. Das Gesetz führt die schon vorhandene Rechtsprechung fort. Greifen die Vermutungstatbestände nicht ein, besteht dennoch ein gemeinsamer Betrieb, wenn die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen vorliegen (BAG, Beschluss v. 11.2.2004, 7 ABR 27/03). Danach besteht ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Das setzt voraus, dass sich die Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben (Führungsvereinbarung), die sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt (BAG, Beschluss v. 11.2.2004, 7 ABR 27/03). Die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes genügt für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs jedoch alleine noch nicht. Dies gilt selbst dann, wenn das herrschende Unternehmen dem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch noch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebs. Liegen weitere Umstände nicht vor, fehlt es somit an der erforderlichen Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern (vgl. BAG, Urteil v. 11.12.2007, 1 AZR 824/06).
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