Rz. 11
Nach der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung des § 1 Abs. 5 KSchG können in einen Interessenausgleich Namenslisten über zu kündigende Mitarbeiter aufgenommen werden. Die Namensliste begründet die gesetzliche Vermutung, dass die nachfolgende Kündigung durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt war. Diese Bestimmung hat mit im Wesentlichen gleichen Wortlaut bereits von 1996 bis 1998 gegolten; zu den damaligen Bestimmungen bereits vereinzelt ergangene Rechtsprechung kann daher Wirkungen auf die jetzige Formulierung haben. § 1 Abs. 5 KSchG findet keine Anwendung auf außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen (BAG, Urteil v. 28.5.2009, 2 AZR 844/07). Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung im Rahmen der vom Interessenausgleich beschriebenen Maßnahme handelt – auch darum ist es wichtig, die Maßnahme, die von Interessenausgleich erfasst wird, möglichst genau zu beschreiben. Eine Namensliste kann nur für solche Arbeitnehmer erstellt werden, für die der Betriebsrat Regelungsbefugnis besitzt – also nicht für leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Art der auszusprechenden Kündigung – Änderungs- oder Beendigungskündigung – muss im Interessenausgleich festgelegt werden.
Rz. 12
Die Namensliste muss den Formerfordernissen des Interessenausgleichs genügen, also insbesondere schriftlich als Teil des Interessenausgleichs festgelegt sein (s. o. Rz. 7). Die Schriftform erfordert, dass der Text unterschrieben wurde (§ 126 BGB). Dem genügt es nicht, wenn die Namensliste ohne Unterschrift dem Interessenausgleich lose beigefügt wurde. Die Rechtsprechung fordert vielmehr eine feste Verbindung der Teile z. B. mittels Heftmaschine (BAG, Urteil v. 6.12.2001, 2 AZR 422/00).
Rz. 13
Die Namensliste begründet die gesetzliche Vermutung, dass die nachfolgende Kündigung durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt ist.
Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitnehmer daher darlegen und ggf. beweisen, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorlagen. Ferner ist die soziale Auswahl der auf der Namensliste als zu kündigen bezeichneten Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Bei der Festlegung billigte die Rechtsprechung den Betriebsparteien im Rahmen der wortgleichen Bestimmung aus den Jahren 1996 bis 1998 einen weiten Beurteilungsspielraum zu. Eine grobe Fehlerhaftigkeit nimmt das BAG nur an, wenn die Auswahl jegliche Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG, Urteil v. 21.1.1999, 2 AZR 624/98). Die Vermutungswirkung erstreckt sich auch auf die Gruppenbildung sowie auf das Nichtvorliegen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb (BAG, Urteil v. 7.5.1998, 2 AZR 536/97).
Prozessuale Situation
Die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 KSchG führt im Prozess dazu, dass der Arbeitgeber weite Teile der Kündigungsvoraussetzungen nicht mehr vortragen muss, sondern dass diese Last nunmehr den Arbeitnehmer trifft. Der Arbeitgeber muss nur noch vortragen,
- dass der Interessenausgleich wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen ist,
- dass der Arbeitnehmer wegen der diesem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung entlassen worden ist,
- ggf., dass der Arbeitnehmer einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet worden ist;
- dass der gekündigte Arbeitnehmer in diesem Interessenausgleich namentlich bezeichnet ist (vgl. LAG Hamm, Urteil v. 2.9.1999, 4 Sa 962/99)
- aus welchen Gründen die getroffene Sozialauswahl beruht, soweit der Arbeitnehmer dies verlangt.
Der Arbeitnehmer kann insbesondere einwenden und muss dann bei Bestreiten auch beweisen
- dass sein Arbeitsplatz trotz der durchgeführten Betriebsänderung noch vorhanden ist,
- dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens besteht,
- dass die Betriebsänderung nicht wie geplant und im Interessenausgleich zugrunde gelegt durchgeführt wird oder
- sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 Abs. 5 S. 3 KSchG)
- dass die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist.
Das ändert nichts daran, dass der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz vom Arbeitgeber verlangen kann, ihm die Gründe für die getroffene Sozialauswahl mitzuteilen (BAG, Urteil v. 10.2.1999, 2 AZR 716/98).
Rz. 14
Werden dem Betriebsrat vom Arbeitgeber die einzelnen betroffenen Arbeitnehmer angegeben und ihm der Kündigungssachverhalt dargelegt, können zugleich mit der Vereinbarung des Interessenausgleichs die Informations- und Anhörungsverfahren nach §§ 99 und 102 BetrVG (Beteiligung des Betriebsrats bei Kündigungen) erledigt werden. Dies geschieht allerdings nicht automatisch (BAG, Urteil v. 20.5.1999, 2 AZR 148/99; BAG, Urteil v. 20.5.1999, 2 AZR 532/98). Erforderlich ist vielmehr, dass deren Voraussetzungen erfüllt werden.
Beweispflichtig dafür, dass dies geschehen ist und der Betriebsrat über hinreichende Vorkenntnisse des Kündigungssachverhalts verfügt, ist der Arbeitgeber. U...