Rz. 60
Zweck der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist es, die Arbeitnehmer über den Betriebsrat an der Entscheidung über die Lage ihrer Arbeitszeit teilhaben zu lassen. Der Betriebsrat soll die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung bringen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dient aber (anders als § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) nicht dem Schutz der Arbeitnehmer vor Überforderung. Das Mitbestimmungsrecht beschreibt mehrere Angelegenheiten:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
- Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage
- Festlegungen zu Pausen
Ob darüber hinaus auch die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit der Mitbestimmung unterliegt, ist zwar in der Lehre umstritten, wird aber vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung eindeutig verneint. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wird das Mitbestimmungsrecht für die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit eingeräumt. Daraus lässt sich im Gegenschluss entnehmen, dass über diese Ausnahmeregelung hinaus das Volumen der Arbeitszeit nicht mitbestimmungspflichtig ist. Sofern es sich hinsichtlich der Dauer und des Umfangs um eine nicht unerhebliche Erweiterung der arbeitsvertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit eines im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers handelt, liegt allerdings eine neuerliche Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst nicht die Zuweisung der innerhalb der maßgeblichen Arbeitszeit von den Arbeitnehmern zu verrichtenden Tätigkeiten.
Rz. 61
Entscheidend für den Umfang des Mitbestimmungsrechts ist, welche Zeiten zur "Arbeitszeit" zählen. "Arbeitszeit" im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. In der Arbeitszeit soll der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen. Mitbestimmungspflichtig ist folglich eine Änderung der Lage der Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit außerhalb des festgelegten Zeitraums erbringt oder erbringen soll. Einzubeziehen sind Zeiten der Arbeitsbereitschaft, des Bereitschaftsdienstes (zur Frage inwieweit der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit im Sinne des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrechts zählt, siehe BAG, Beschluss v. 18.2.2003, 1 ABR 2/02; zur Frage, ob Betriebsvereinbarungen gegen nationales oder europäisches Arbeitszeitrecht verstoßen können, wenn sie selbst keine Regelungen über die konkrete Ausgestaltung der Dienst- und Bereitschaftspläne enthalten, siehe BAG, Beschluss v. 18.2.2003, 1 ABR 17/02, wo die Frage verneint wird. Aus dem Bereitschaftsdienst ergibt sich nicht automatisch die Verpflichtung, diese wie Vollarbeitszeit zu vergüten. Siehe ferner: EuGH, Urteil v. 9.9.2003 in der Rechtssache C 151/02 zur arbeitszeitrechtlichen Einordnung des Bereitschaftsdienstes in Deutschland – Näheres dazu unter dem Stichwort Bereitschaftsdienst) und der Rufbereitschaft. Es kommt nicht darauf an, ob für diese Zeiten eine Vergütungspflicht besteht. Allerdings scheidet das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aus, wenn es sich um Reisezeiten handelt und während der Reise keine Arbeitsleistung zu erbringen ist. Die Nutzung freier Tage durch die Arbeitnehmer ist ebenfalls keine Regelung der Arbeitszeit. Speziell zur Frage des Umkleidens hat sich das BAG mehrfach geäußert. So ist das An- und Ausziehen von Firmenkleidung Arbeitszeit im Sinne dieses Mitbestimmungstatbestands, wenn die Kleidung besonders auffällig ist und deshalb nicht bereits auf dem Arbeitsweg getragen werden braucht. Bei dem An- und Ablegen einer auffälligen Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handelt es sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und damit um Arbeitszeit i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Auch die Anordnung der Teilnahme an einem Personalgespräch außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig.
Das Mitbestimmungsrecht geht auch nicht soweit, dass der Umfang der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und die Einordnung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit von der Mitbestimmungspflicht erfasst werden würde. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über die Lage der Arbeitszeit mitzubestimmen, nicht aber über deren wöchentlichen Umfang.
Reagiert der Arbeitgeber auf einen Mehrbedarf an Arbeitskräften durch die Aufstockung der Zahl der Arbeitnehmer, ist das nicht mitbestimmungspflichtig.
Rz. 62
Häufig werden dem Arbeitgeber in Arbeitszeitfragen verbindliche Vorgaben durch Gesetze oder Tarifverträge gemacht. Nach den allgemeinen Grundsätzen entfällt dann die Mitbestimmung, soweit den Betriebspartnern kein Regelungsspielraum mehr...