Rz. 50
Sofern die Schutzmaßnahmen nicht verhältnismäßig sind, also der Aufwand das dadurch zu erreichende Schutzergebnis deutlich übersteigt und etwa nur für den Einzelfall in eine das Normalmaß des Arbeitgebers übersteigende finanzielle Belastung führen würde, trifft den Arbeitgeber ein Versetzungsgebot nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG. Dann hat er der Frau auf einem die Gefährdung ausschließenden Arbeitsplatz einzusetzen. Dabei ist die Zumutbarkeit und Vergleichbarkeit der Tätigkeit i. S. d. Wertigkeit einer Tätigkeit zu beachten. Dies geschieht grundsätzlich im Rahmen eines erweiterten Direktionsrechts des Arbeitgebers und berücksichtigt die zumutbare Wertigkeit des anderen – temporären – Arbeitsplatzes. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bleiben unberührt. § 13 Abs. 1 Ziff. 2 MuSchG spricht davon, dass der Arbeitgeber die Schwangere an einem anderen, gefährdungsfreien Arbeitsplatz einsetzen kann. Damit ist ein eigener Begriff gewählt worden, der nicht "Versetzung" meint, denn eine Versetzung ist nach § 95 Abs. 3 BetrVG gesetzlich definiert und nicht nur von vorübergehender Natur. Bei einer Schwangerschaft ist jedoch die zeitliche Begrenzung durch die Schwangerschaft selbst gegeben, daher ist der anderweitige Einsatz schon deswegen von befristeter zeitlicher Dauer. Die Grenze der Zuweisung einer anderen Beschäftigung ist das Benachteiligungs- und Diskriminierungsverbot nach dem AGG.
Unzumutbarer Arbeitsplatzwechsel
Eine in hochwertiger Tätigkeit beschäftigte Chemielaborantin darf nicht – um die mit dem Umgang gefährlicher Stoffe verbundene Gefährdung auszuschließen – als Telefonistin eingesetzt werden. Ein solcher Arbeitsplatzwechsel würde zwar die Gefährdung vermeiden, da die Laborantin nicht mehr mit gefährlichen Stoffen umgehen muss, die Wertigkeit der Tätigkeit ist jedoch nicht vergleichbar und daher eine Versetzung unzumutbar. Andere Maßnahmen wie etwa Schutzkleidung führen nur zu einer Verringerung, aber nicht zu einem Ausschluss der Gefährdung.
Rz. 51
Bei einer Änderung der Gefährdungsbeurteilung wegen der Änderung der Ausgangs- und Gefahrenlage (z. B. wegen anderer verwendeten Gefahrstoffe) oder bei einer wegen Zeitverlaufs neu durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung ist anschließend eine erneute Unterrichtung geboten.
Rz. 52
Der Arbeitgeber muss dazu rechtzeitig eine sorgfältige Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchführen. Diese Beurteilung erstreckt sich auf jede Tätigkeit, die die werdende oder stillende Mutter durchführt und beinhaltet Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung. Über das Ergebnis der Beurteilung sind die werdende Mutter (bzw. stillende Mutter) sowie die übrigen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen und der Betriebs- oder Personalrat zu unterrichten.
Falls die Arbeitsplatzbeurteilung ergibt, dass Sicherheit oder Gesundheit der werdenden oder stillenden Mutter gefährdet sind, muss der Arbeitgeber den Arbeitsplatz oder die Arbeitsbedingungen umgestalten. Ist dies nicht möglich, ist die betroffene Arbeitnehmerin auf einen anderen, geeigneten Arbeitsplatz umzusetzen oder als letzte Konsequenz ganz von der Arbeit freizustellen.