Rz. 26
§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nimmt in den Buchstaben a bis e Gefahrstoffe in Bezug, die mutterschutzrechtlich bedeutsame Einstufungskriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen. Die Bezeichnung der Gefährdungskategorien ist an die darin enthaltene Nomenklatur und an die dort vorgesehene konzeptionelle Herangehensweise zur Identifikation von Gefahrstoffen angepasst. Ein Gefahrstoff i. S. d. Nr. 1 liegt vor, wenn er die im Einzelnen jeweils bezeichneten Einstufungskriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllt. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die entsprechenden Voraussetzungen für jeden Gefahrstoff zu prüfen. Mit dem Wortlaut wird klargestellt, dass sich der Arbeitgeber nicht auf die vorgefundene Kennzeichnung des Stoffes verlassen darf, sondern gegebenenfalls eine eigene Prüfung veranlassen muss.
Rz. 27
In Buchstabe a werden alle Gefahrstoffe erfasst, die nach den Kriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxisch nach der Kategorie 1A, 1B oder 2 oder der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation (Milchbildung) einzustufen sind. Zu diesen Stoffen gehören nicht nur fruchtschädigende, sondern auch ausschließlich fruchtbarkeitsverändernde (fertilitätsmindernde) Stoffe. Hintergrund ist, dass das derzeitige Einstufungssystem der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 die ursprüngliche Differenzierung fruchtschädigender und fruchtbarkeitsschädigender Eigenschaften aus der Richtlinie 67/548/EWG des Rates v. 27.6.1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe nicht übernommen hat. Eine korrekte Differenzierung ist damit anhand der Kategorisierung nach der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 im Augenblick nicht möglich. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt bei diesen Gefahrstoffen dementsprechend nur dann als ausgeschlossen, wenn der jeweilige Stoff hinsichtlich einer Fruchtschädigung als sicher einzustufen ist (bspw. aufgrund der Zusatzbemerkung "Y" nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900)).
Auch Stoffe, die die Einstufungskriterien der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation erfüllen, werden von Buchstabe a erfasst, da sie auch zur Reproduktionstoxizität gehören. Dies ist erforderlich, weil bestimmte Auswirkungen auf das Stillen bereits durch Gefahrstoffeinwirkungen während der Schwangerschaft ausgelöst werden können.
Rz. 28
In den Buchstaben b und c werden Gefahrstoffe erfasst, die nach den Kriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als keimzellmutagen oder karzinogen nach der Kategorie 1A oder 1B einzustufen sind. Bei diesen Stoffen ist eine schädliche Wirkung auf den Menschen oder auf Säugetiere im Hinblick auf die Keimzellveränderung (vererbbare Veränderungen in den Keimzellen) bzw. die Krebsentwicklung (bösartige Gewebeneubildung) nachgewiesen. Diesen Stoffen kann aufgrund ihrer zellbeeinflussenden Wirkung grundsätzlich ein besonderes Gefährdungspotenzial für die schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind beigemessen werden. Ist eine schwangere Frau diesen beispielhaft genannten Gefahrstoffen ausgesetzt, wird dies nach Satz 2 grundsätzlich als eine unverantwortbare Gefährdung eingestuft.
Bei Stoffen und Gemischen, die im Hinblick auf Keimzellmutagenität oder Karzinogenität nur möglicherweise schädlich für den Menschen oder Säugetiere sind (Verdachtsstoffe), erscheint die grundsätzliche Vermutung einer möglichen fruchtschädigenden Wirkung nicht gerechtfertigt. Sie werden nicht von der Regelung der Buchstaben b oder c erfasst. Soweit der jeweilige Stoff als möglicherweise fruchtschädigend einzuordnen ist (bspw. aufgrund der Zusatzbemerkung "Z" nach der TRGS 900), wird er jedoch durch die Regelung der Nr. 3 erfasst, wonach eine unverantwortbare Gefährdung insbesondere vorliegt, wenn die schwangere Frau Tätigkeiten ausübt oder Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist, bei denen sie diesen Stoffen ausgesetzt ist oder sein kann.
Zudem sind Verdachtsstoffe im Rahmen der Prüfung nach Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen. Die unverantwortbare Gefährdung gilt wie bei Nr. 1 Buchstabe a als ausgeschlossen, wenn der jeweilige Stoff hinsichtlich einer Fruchtschädigung – bspw. aufgrund der Zusatzbemerkung "Y" nach der TRGS 900 – als sicher einzustufen ist.
Rz. 29
Mit Buchstabe d werden Gefahrstoffe erfasst, die nach den Kriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als spezifisch zielorgantoxisch nach einmaliger Exposition nach der Kategorie 1 zu bewerten sind. Diesen Stoffen kann aufgrund ihrer zielorgantoxischen Wirkung bereits nach einmaliger Exposition grundsätzlich ein besonderes Gefährdungspotenzial für die schwangere oder stillende Frau und damit auch für ihr (ungeborenes) Kind beigemessen werden. Gleiches gilt nach Buchstabe e für Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs I der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als akut toxisch nach den Kategorien 1-3 zu bewerten sind. Ist eine schwangere ...