Rz. 33
Die Sätze 1 und 2 des 1. Absatzes beschreiben den Katalog konkreter Gefährdungsszenarien beim Umgang mit den dort aufgeführten Stoffen. Satz 3 schließt hingegen beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen eine unverantwortbare Gefährdung aus. Die Regelung nach Satz 3 übernimmt damit die Logik der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 MuSchG: Danach ist eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer Schwangeren oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.
Rz. 34
Für Gefahrstoffe gilt nach Satz 3 eine unverantwortbare Gefährdung i. S. v. Satz 2 insbesondere als ausgeschlossen, wenn
Rz. 35
Wenn ein Gefahrstoff als reproduktionstoxisch nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation zu bewerten ist, kann eine unverantwortbare Gefährdung des Kindes – selbst wenn der Gefahrstoff nicht fruchtschädigend ist – nicht ausgeschlossen werden, weil dann spätere Schädigungen des Kindes über das Stillen nicht ausgeschlossen werden können.
Rz. 36
Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 gilt eine unverantwortbare Gefährdung auch dann als ausgeschlossen, wenn der Gefahrstoff nicht in der Lage ist, die Plazentaschranke zu überwinden, oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, dass eine Fruchtschädigung eintritt. Die Plazentaschranke ist ein Gewebefilter, das den mütterlichen Blutkreislauf vom fetalen Blutkreislauf trennt. Die Regelung betrifft insbesondere Gefahrstoffe, für die keine arbeitsplatzbezogenen Vorgaben (v. a. Arbeitsplatzgrenzwerte) bestehen. Hierzu gehören viele karzinogene oder toxische Stoffe, aber bspw. auch Stoffe, die dem Arzneimittelrecht unterliegen (wie etwa bestimmte Inhalationsanästhetika).
Nach Satz 4 gilt bspw. eine unverantwortbare Gefährdung dann als ausgeschlossen, wenn für den jeweiligen Stoff eine Fruchtschädigung ausgeschlossen werden kann. Dies ist bspw. bei Holz- und Quarzstäuben der Fall, die zwar karzinogen sind, jedoch die Plazentaschranke nicht überwinden können.
Rz. 37
Sofern keine arbeitsplatzbezogenen Vorgaben vorliegen, sind in den Fällen des Satzes 4 vor allem im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen die Vorgaben der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 400) zu beachten. Die TRGS geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wider. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben. Die TRGS konkretisieren im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der GefStoffV. Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.
Rz. 38
Die TRGS 400 ist nach § 2 GefStoffV sogar von Unternehmen ohne Beschäftigte zu beachten, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, um die aufgrund der GefStoffV notwendigen Maßnahmen zum Schutz Dritter festlegen zu können.
Rz. 39
Auch hier gilt der Grundsatz der Prävention: Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Es geht im Mutterschutz um den wirksamen Ausschluss von Gefährdungen, daher der restriktive Ansatz.
2.2.1 Einhaltung von Grenzwerten – Sicherheitsdatenblätter
Rz. 40
Die Verwendung von Gefahrstoffen begründet zunächst einmal eine Gefährdung. Die Vermutung des Ausschlusses einer Gefährdung gilt, wenn – neben der stofflichen Beschreibung – arbeitsplatzbezogene Vorgaben eingehalten werden. Diese finden sich in den Gefahrstoffverordnungen und gelten für alle Tätigkeiten, bei denen...