Rz. 7
§ 12 ist ähnlich aufgebaut wie § 11 MuSchG. § 12 bestimmt spezialgesetzlich unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für stillende Frauen im Hinblick auf allgemeine Gefahrstoffe (Abs. 1), Biostoffe (Abs. 2), physikalische Einwirkungen (Abs. 3) oder eine belastende Arbeitsumgebung (Abs. 4) sowie Akkord- und Fließarbeit (Abs. 5). Die Abs. 4 und 5 enthalten Kataloge von Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen, die ohne eine gesonderte Prüfung und Einstufung durch den Arbeitgeber als unzulässig bewertet werden, da sie aufgrund der gesetzgeberischen Wertung in jedem Fall eine unverantwortbare Gefährdung sind.
Die Unzulässigkeit einer Tätigkeit ergibt sich aus der mit der Tätigkeit verbundenen Gefährdung, wobei auch die Gesamtumstände und nicht nur die einzelnen Arbeitsschritte zu beurteilen sind.
Eine Gefährdung im arbeitsschutzrechtlichen Sinn liegt vor, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Besondere Anforderungen an das Ausmaß der Gefährdung oder die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts bestehen nicht. Eine Gefährdung ist unverantwortbar und damit vom Arbeitgeber auszuschließen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit so hoch ist, dass sie wegen der Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Vorausgesetzt ist also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts im Zusammenwirken mit einer erhöhten Schwere der möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung.
Rz. 8
In der bis Ende 2017 geltenden Mutterschutzverordnung waren bestimmte Gefährdungssituationen beschrieben und als unvereinbar mit dem Stillen erklärt. Die Inhalte dieser Rechtsverordnung sind in der Neufassung ab 1.1.2018 nun direkt in das Gesetz übernommen worden. Daher enthält § 12 eine Positivliste der Tätigkeiten, die für eine Stillende unzulässig sind. Muss ein Arbeitgeber nach §§ 9, 10 MuSchG eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und prüfen, ob die Tätigkeit mit der Schwangerschaft vereinbar ist, so sind alle Tätigkeiten, die § 12 auflistet, von vornherein mit dem Stillen unvereinbar und machen eine Tätigkeit unzulässig.
In der Praxis schließt sich die Stillzeit nach § 12 der Schwangerschaft nach § 11 MuSchG an. Daher kann der Arbeitgeber praktischerweise die für die Schwangerschaft vorgenommene Einstufung und Bewertung nach § 11 MuSchG im einfachen Verfahren die sich anschließende Stillzeit übertragen, sodass faktisch der Schutzbereich von § 11 MuSchG über die Schwangerschaft hinaus auf das Ende der Stillzeit erstreckt wird.
Rz. 9
Eine Gefährdungsbeurteilung und Abwägungsentscheidung des Arbeitgebers, auch die Durchführung von Schutzmaßnahmen nach §§ 9, 10 MuSchG sind dennoch durchzuführen. In der Praxis sind sie für die vor der Zeit des Stillens liegende Schwangerschaft bereits vorgenommen worden, sodass für den Tatbestand des Stillens lediglich eine Aktualisierung vorzunehmen sein wird. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG ist zunächst zu prüfen, ob die von den jeweiligen Tätigkeiten oder den mit ihnen verbundenen Arbeitsbedingungen ausgehende unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau durch Änderung der Gestaltung der Arbeitsbedingungen oder durch einen Arbeitsplatzwechsel ausgeschlossen werden kann. Das betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG kommt nur als letzte Möglichkeit in Betracht.
Die Vorgaben des § 12 sind bei der Bestimmung der erforderlichen Schutzmaßnahmen nach § 10 Abs. 1 und 2 MuSchG zu berücksichtigen. Die sich aus § 12 ergebenden Verbote schließen eine Weiterbeschäftigung nicht generell aus – diese richtet sich ggf. nach Durchführung der Reihenfolge der Schutzmaßnahmen nach § 13 MuSchG.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erstreckte sich der Schutz vor Infektion auch auf das Stillen. Insofern waren alle Maßnahmen notwendig, die eine Infektionsmöglichkeit durch und während des Stillens ausschlossen.
Rz. 10
Das Gesetz gliedert und regelt unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für Stillende im Hinblick auf:
- Gefahrstoffe (Abs. 1),
- Biostoffe (Abs. 2),
- physikalische Einwirkungen (Abs. 3),
- eine belastende Arbeitsumgebung (Abs. 4),
- körperliche Belastungen oder mechanische Einwirkungen (Abs. 5) sowie Akkord- und Fließarbeit (Abs. 6).
Rz. 11
Der Gesetzgeber unterscheidet in unzulässige Tätigkeiten auf der einen und unzulässige Arbeitsbedingungen für Stillende auf der anderen Seite (§ 12) und folgt damit einer sachlichen Differenzierung der Gefährdungslage während einer Stillzeit im Unterschied zu einer Schwangerschaft, die andere Gefährdungslagen aufweist. Die bisher in der Mutterschutzverordnung – MuSchArbV aufgeführten Sachverhalte (Gefahrstoffe, biologische, chemische, physikalische Einwirkungen) sind nun direkt in das MuSchG übernommen worden, die MuSchArbV ist zum 31.12.2017 außer Kraft getreten. Gleiches gilt für die Bußgeldvorschriften von § 6 MuSchArbV, die sich nun unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (§ 32 MuSchG).