Rz. 4

Da das MuSchG keinen eigenständigen Betriebsbegriff verwendet, ist bei § 26 Abs. 1 auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff abzustellen. Danach versteht man unter einem Betrieb eine organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln fortgesetzt einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt.[1] Dabei ist es unerheblich, welcher arbeitstechnische Zweck verfolgt wird. Das Gesetz sieht keine Ausnahmen vom Anwendungsbereich vor, sodass Betriebe aller Branchen hiervon erfasst werden. Inhaber des Betriebs können dabei sowohl natürliche als auch juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sein. Auch Freiberufler, Land- und Forstwirtschaft sowie die Schifffahrt werden hiervon erfasst. Liegt ein Gemeinschaftsbetrieb[2] vor, so müssen die den Betrieb gemeinsam führenden natürlichen oder juristischen Personen der Aushangpflicht nachkommen.

 

Rz. 5

Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt die Aushangpflicht für den Betrieb, nicht aber für unselbstständige Teile desselben. Allerdings können auch an sich unselbstständige Teile als Betrieb i. S. d. § 26 anzusehen sein. Dabei ist die entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geboten. Danach ist ein selbstständiger Betrieb gegeben, wenn in ihm mindestens 5 ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen 3 wählbar sind, beschäftigt werden und er entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist.[3] Ob bei unselbstständigen Nebenbetrieben eine gesonderte Aushangpflicht besteht, ist umstritten. Teilweise wird bei Betrieben, die nur eine, dem arbeitstechnischen Zweck untergeordnete, Hilfsfunktion haben, nur für den Hauptbetrieb eine Aushangpflicht angenommen.[4] Nach anderer Auffassung ist auch bei einem räumlich weit entfernten unselbstständigen Betriebsteil eine Aushangpflicht gegeben, da der Hauptbetrieb in diesem Fall als eine nicht zur Einsicht geeignete Stelle i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 1 anzusehen ist.[5]

Dem ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck, der Frau die Einsicht ohne erheblichen Aufwand zu gewähren, grundsätzlich zuzustimmen. Eine Aushangpflicht wird aber nur dann ausgelöst, wenn in diesem Betriebsteil mehr als 3 Frauen beschäftigt werden. Ist dies nicht der Fall, so verbleibt es nur bei der Aushangpflicht im Hauptbetrieb.

 

Rz. 6

Unter den Begriff Verwaltungen i. S. d. § 26 Abs. 1 fallen Dienststellen der staatlichen Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie der öffentlich-rechtlich verfassten Körperschaften. Dabei entscheidet die Organisationsstruktur der jeweiligen Behörde darüber, welche Dienststellen als eigenständige Verwaltung anzusehen sind.[6]

 

Rz. 7

Nach dem obigen Betriebsbegriff stellen Familienhaushalte keine Betriebe dar, da die dort verrichtete Tätigkeit nur der Befriedigung des Eigenbedarfs dient, sodass eine direkte Anwendung der Norm ausscheidet. Aber auch für eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 1 auf Familienhaushalte ist aufgrund einer fehlenden bewussten Regelungslücke kein Raum. Bereits im Rahmen der Änderung des MuSchG im Jahr 1997 wie auch bei der aktuellen Neufassung des MuSchG im Jahr 2017 wurde trotz der hierdurch beabsichtigten Gleichstellung der in Familienhaushalten beschäftigten Frauen mit den in Betrieben und Verwaltungen tätigen Frauen in Kenntnis des Gesetzgebers vom Betriebsbegriff eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht vorgenommen. Eine solche Ausweitung erfolgte auch nicht im Rahmen des erweiterten Anwendungsbereiches des Gesetzes in § 1 Abs. 2 MuSchG. Insbesondere angesichts der umfangreichen Neuregelung sowie der Erweiterung des Anwendungsbereiches des Gesetzes in § 1 Abs. 2 MuSchG kann nicht von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers[7] ausgegangen werden. Angesichts der Strafbewehrung der Vorgängervorschrift des § 18 MuSchG a. F. verbietet sich eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm über den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut hinaus, obwohl die Strafbewehrung in § 26 MuSchG in Wegfall geraten ist.[8]

Allerdings dürfte die praktische Relevanz des Streits gering sein, setzt die analoge Anwendung der Vorschrift doch die gleichzeitige Beschäftigung von mehr als 3 Frauen im Familienhaushalt voraus.[9]

[2] Vgl. zur Definition § 1 Abs. 2 BetrVG.
[3] Vgl. hierzu Fitting, § 4 BetrVG, Rz. 16 ff.
[4] So etwa für die Lackiererei eines Autozulieferers Hk-MuSchG/BEEG/Pepping, § 26 MuSchG, Rz. 4.
[5] So Brose/Weth/Volk/Latterner/Weth, § 26 MuSchG, Rz. 3.
[6] Vgl. zum Begriff § 6 BPersVG.
[7] So aber Bucher/Becker, § 18 MuSchG, Rz. 19.
[8] So auch Hk-MuSchG/BEEG/Pepping, § 26 MuSchG, Rz. 6.
[9] Worauf Pepping a. a. O. zu Recht hinweist.

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