Rz. 76

Die Regelung fasst die bisher in § 2 Abs. 2 und 3 MuSchG geregelten Tatbestände zusammen und stellt für den Arbeitgeber konkrete Handlungsschritte auf, die allein in der Schwangerschaft und Stillzeit gelten.

6.1 Gestaltung des Arbeitsplatzes – Kurzpausen

 

Rz. 77

Der Arbeitgeber muss nach Abs. 3 Satz 1, wenn er eine werdende oder stillende Mutter mit Arbeiten beschäftigt, Gelegenheit zu kurzen Unterbrechungen der Arbeit geben. Die Unterbrechung erfolgt nach subjektiver Einschätzung der Frau. Der Gesetzgeber regelt, dass die Unterbrechung dann erfolgt, wenn es für die Frau erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff anhand der konkreten Umstände und Situationen zu beurteilen. Diese Vorschrift soll der Schwangeren oder stillenden Mutter Gelegenheit zu körperlichem Ausgleich geben (Belastungsausgleich). Es kommt zur Beurteilung auf das Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung der üblichen Arbeitsabläufe an.

 
Praxis-Beispiel

Ergonomische Verbesserungen bei Schreibtischtätigkeiten

Tätigkeiten im Büro können durch die Einrichtung höhenverstellbarer Schreibtische auch teilweise im Stehen verrichtet werden (z. B. Telefonieren, Schreiben). Ergonomische Büroplätze verfügen über die Möglichkeit, einen Belastungsausgleich herzustellen.

 

Rz. 78

Die Gewährung kurzer Pausen nach § 9 Abs. 3 stellt eine Unterbrechung der Tätigkeit dar, ohne dass die Entgeltzahlung gemindert werden kann. Die Unterbrechung der Arbeitsleistung darf deswegen nicht zu einer Reduzierung oder Benachteiligung etwa in der Leistungsbeurteilung führen. Gerade bei Tätigkeiten mit einer nach Anzahl oder Qualität vorgegebenen Leistung (Akkord) darf das Einlegen von Kurzpausen nicht zu einer Benachteiligung der Frau oder zu einer mittelbaren Benachteiligung durch Berücksichtigung einer so geminderten Gruppenleistung führen.

 

Rz. 79

Teilweise sehen Tarifverträge zum Belastungsausgleich bei bestimmten Tätigkeiten ohnehin kurzzeitige Unterbrechungen vor. Diese sind zunächst auch durch die Schwangere oder stillende Mutter zu nutzen, erst bei einer darüber hinausgehenden körperlichen Notwendigkeit können Kurzpausen nach Abs. 3 Satz 1 gewährt werden. Auch hier bestimmt das subjektive körperliche Empfinden der Schwangeren oder stillenden Mutter die Notwendigkeit und damit Anzahl und konkrete Dauer der Unterbrechungen.

Gleiches gilt für Pausenvorschriften aus anderen Schutzgesetzen (z. B. Arbeitszeitgesetz).

 

Rz. 80

Arbeitsunterbrechungen dürfen nicht auf die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen nach dem Arbeitszeitgesetz angerechnet werden.

6.2 Gestaltung des Arbeitsplatzes – Ruhemöglichkeiten

 

Rz. 81

Der Arbeitgeber hat nach § 9 Abs. 3 Satz 2 geeignete Bedingungen zum Hinsetzen, Hinlegen und Ausruhen zu schaffen. Hier greift die konkrete Vorgabe der Technischen Regel für Arbeitsstätten, Vorschrift für Pausen- und Ruheräume.[1] Die Nutzung getrennt nach Frauen und Männern ist dabei räumlich oder organisatorisch sicherzustellen. Der Raum muss verschließbar, nicht einsehbar und verdunkelbar sein. Für die Zeit der Nutzung der Liegen ist eine Nutzung des Raums durch andere Personen (z. B. als Pausenraum, Büro, Arztzimmer) nicht zulässig. Liegen müssen gepolstert und mit einem wasch- oder wegwerfbaren Belag ausgestattet sein.

Als besondere im Gesetzestext in Abs. 3 Satz 2 konkretisierte Obliegenheit hat der Arbeitgeber für eine werdende Mutter Sitzgelegenheiten zum kurzen Ausruhen bereitzustellen. Damit muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann. Die Regelung entspricht damit inhaltlich § 6 Abs. 3 Satz 4 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).

 

Rz. 82

Damit sollen körperliche Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden, ohne dass hierfür eine spezielle Einschätzung vorausgehen muss. Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen und entsprechende Räumlichkeiten bereitzustellen. Er muss Platz schaffen, um die Sitz- und Ruhegelegenheiten unterzubringen, was bei bestimmten betrieblichen Konstellationen eine Herausforderung darstellen kann, zumal die Sitzgelegenheit in räumlicher Nähe zum konkreten Arbeitsplatz sein muss und nicht noch eigens Wegstrecken zurückgelegt werden müssen. Die Sitzgelegenheit muss unmittelbar erreichbar und benutzbar sein, und zwar während der Arbeitszeit.

Die Anforderungen an eine Sitzgelegenheit sind pragmatisch auszulegen. Oft reicht ein einfacher Hocker oder greifbarer Stuhl, um den körperlichen Entlastungseffekt des Sitzens zu erreichen. Das Sitzen muss als Teil des Ausruhens erfolgen und nicht als Teil der Tätigkeit. Nur so kann der Schutzzweck der Norm erfüllt werden.

 

Rz. 83

Die Schwangere muss die Möglichkeit haben, die Sitzgelegenheit unmittelbar zu nutzen und in zumutbarer Entfernung/Wegstrecke und Zeit zu erreichen. Dazu müssen die Arbeitsabläufe so gestaltet sein, dass eine jederzeitige, durch die individuelle Entscheidung der Schwangeren herbeigeführte und in der Länge bestimmte Unterbrechung technisch möglich ist, ohne den Pro...

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