Der EuGH hat akzeptiert, dass das nationale Recht den Verfall von Urlaubsansprüchen am Ende des Urlaubsjahres oder eines sich daran anschließenden Kalenderjahres anordnet.
Der EuGH fordert aber, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub wahrzunehmen. Daraus folgert er nicht, dass der Arbeitgeber ihn zum Ende des Jahres seinerseits auch ohne Antrag des Arbeitnehmers beurlauben muss. Vielmehr verlangt das Gericht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Information in die Lage versetzt, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen.
Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer demzufolge – "erforderlichenfalls förmlich", wie der EuGH feststellt – aufzufordern, den Jahresurlaub zu nehmen. Nach Auffassung des EuGH hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in diesem Rahmen auch klar und rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines "zulässigen" Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn er nicht genommen werden sollte.
Dieser Sichtweise hat sich das BAG angeschlossen. Es betont bei dieser Gelegenheit nach wie vor, dass der Arbeitgeber nur den Hinweis erteilen muss; er muss nach wie vor nicht seinerseits den Urlaub gewähren – selbst dann nicht, wenn die Lage des Urlaubs wegen des nahen Verfalls zum Jahresende oder zum Ende des Übertragungszeitraums an sich eindeutig feststehen würde.
Was "rechtzeitig" bedeutet, haben der EuGH und das BAG nicht gesagt. Jedenfalls muss der Hinweis so frühzeitig erteilt werden, dass der restliche Urlaub in der Zeit nach dem Hinweis bis zum Verfallszeitpunkt noch in vollem Umfang genommen werden kann. Es empfiehlt sich, seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig zu Beginn des Kalenderjahres zu erfüllen. Um die Nachdrücklichkeit und Ernsthaftigkeit zu betonen, kann es sinnvoll sein, die Unterrichtung zu Beginn des 3. Quartals zu wiederholen.
Hat der Arbeitgeber die Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, tritt der am 31.12. eines Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1.1. des Folgejahres entsteht. Dieser übertragene Urlaubsanspruch ist gegenüber dem Teil, den der Arbeitnehmer zu Beginn des nächsten Urlaubsjahres erwirbt, nicht privilegiert. Beim nicht genommenen Urlaub handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern weiterhin um den primären Urlaubsanspruch. Der nicht verfallene Urlaub wird zum Urlaubsanspruch des darauffolgenden Jahres addiert. Für ihn gelten nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG ebenso wie für den neu entstandenen Urlaub.
Vor Ende jener nächsten Verfallfrist trifft den Arbeitgeber wieder dieselbe Hinweisobliegenheit mit denselben Folgen bei Nichtbeachtung.
Mitwirkungsobliegenheit auch beim Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen
Dieselbe Lage ergibt sich auch für gesetzlichen Urlaub außerhalb des Bundesurlaubsgesetzes, namentlich für den Urlaub schwerbehinderter Menschen nach § 208 SGB IX. Eine diesbezügliche Hinweispflicht hat der Arbeitgeber aber nur gegenüber Mitarbeitern, deren Schwerbehinderung ihm bekannt ist. Das heißt, er muss auf den Zusatzurlaub schwerbehinderter Mitarbeiter hinweisen und dafür sorgen, dass der schwerbehinderte Mitarbeiter in der Lage ist, den Urlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber ist aber nicht dazu verpflichtet, jeden Arbeitnehmer anlasslos vorsorglich auf den Zusatzurlaub hinzuweisen.
Sonderproblematik bei Altersteilzeit im Blockmodell
Das BAG hat beim EuGH unter anderem angefragt, ob das Unionsrecht einem Verfall des nicht genommenen Urlaubs zum 31.3. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres bei folgender Konstellation entgegensteht:
- Der Arbeitgeber hat seine Hinweisobliegenheit nicht beachtet,
- der Beschäftigte hat seinen Urlaub dennoch rechtzeitig vor Beginn der Freistellungsphase in der Altersteilzeit (Blockmodell) beantragt,
- der Mitarbeiter ist dann aber erkrankt und konnte seinen Urlaub nicht mehr vor Beginn der unmittelbar folgenden Freistellungsphase nehmen.
Das Problem dabei: Mit Eintritt einer Freistellungsphase bei Altersteilzeit im Blockmodell verfällt noch bestehender Urlaub grundsätzlich ersatzlos. Er kann vom Beschäftigten mangels Arbeitspflicht nicht mehr genommen werden. Andererseits ist das Beschäftigungsverhältnis aber noch nicht beendet, sodass auch eine Abgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht infrage kommt.
Der EuGH hat einen Widerspruch zum Unionsrecht bejaht und klargestellt, dass Mitarbeiter in solchen Konstellationen ein finanzieller Ausgleich zugesprochen werden müsste.