Das wollen Bewerber in Stellenanzeigen lesen

Unternehmen stellen sich gerne als nachhaltig, wertschätzend und fair dar. Das ist nett. Doch die Bewerber interessieren sich dafür kaum. Statt paradiesische Zustände vorzugaukeln, sollte in Jobanzeigen mehr von „Hard Facts“ die Rede sein.

Viele Unternehmen machten in den vergangenen Jahren vermehrt die Erfahrung, dass sich immer weniger gut qualifizierte Menschen bei ihnen bewerben. Und dann lehnen die gewünschten Bewerber am Ende des Auswahlprozesses das Stellenangebot häufig auch noch ab. Die Reaktion auf diese unerfreuliche Entwicklung ist oftmals eine bestimmte Form des Personalmarketings, bei der die Prinzipien der Produktwerbung einfach auf das Personalwesen übertragen werden. 

Auf den ersten Blick mag dies durchaus von Erfolg gekrönt sein. Die Anzahl der Bewerber steigt mitunter spürbar an und die letztlich Auserwählten unterschreiben auch häufiger einen Vertrag. Erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbart sich der Fehler. Eine gute, tragfähige Auswahlentscheidung setzt immer voraus, dass sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber alle wichtigen Informationen einholen, um das Angebot der jeweils anderen Seite mit den eigenen Bedürfnissen abgleichen zu können. Auf der einen Seite muss der Arbeitgeber valide Auswahlmethoden einsetzen, um die Eignung der Kandidaten auch tatsächlich feststellen zu können (Fremdselektion). Auf der anderen Seite muss der Bewerber die Merkmale des Arbeitsplatzes beziehungsweise des Arbeitgebers möglichst gut kennen, um sich bewusst für oder gegen das Angebot entscheiden zu können (Selbstselektion). 

Die einfache Marketing-Rechnung geht nicht auf

Ein Personalmarketing, das bei Bewerbern den Eindruck erzeugen soll, dass sie sich im Garten Eden bewerben, dürfte vor allem naive Zeitgenossen anziehen und reflektierte Personen abschrecken. Insgesamt steigt zwar die Anzahl der Bewerber, die Zusammensetzung der Bewerbergruppe ist aber ungünstiger als zuvor. 

Ein fiktives Rechenbeispiel mag dies verdeutlichen: Ein Personalmarketing, das die Arbeitsbedingungen realistisch beschreibt lockt zehn Bewerber an von denen drei für die Stelle geeignet sind. Würde man jetzt per Zufall einen Kandidaten auswählen, so wäre diese Person mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Die Aufgabe der Personalauswahl ist es nun, diesen viel zu geringen Prozentwert nach oben zu schrauben. Je valider die eingesetzten Methoden sind, desto besser gelingt dies. Betreibt man ein schlechtes Personalmarketing, so erhöht sich zwar die Anzahl der Bewerber, nicht aber überproportional der Anteil der geeigneten Personen: Jetzt bewerben sich vielleicht 20 Personen, von denen vier geeignet sind. Die Zufallstrefferquote ist dabei auf 20 Prozent gesunken. Trotz größerer Bewerberanzahl, hat das Marketing dem Auswahlprozess nicht genutzt, sondern geschadet. Das Unternehmen müsste nun weitaus validere Auswahlverfahren einsetzen, um diese Schwächung auszugleichen. Bleibt die Validität gleich oder sinkt sogar ab, weil absurde Methoden wie etwa Bewerber-Castings zum Einsatz kommen, wird das Unternehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit ungeeignete Personen einstellen. 

Das Ziel: Die Zahl der gut geeigneten Bewerber steigern

Gutes Personalmarketing nutzt beiden Seiten, indem es die realen Vorzüge des Arbeitgebers nach außen kommuniziert, gleichzeitig aber auch die Anforderungen nicht kleinredet oder die Arbeitsbedingungen schönt. Es beeinflusst den Markt der potenziellen Bewerber so, dass sich gut geeignete Personen verstärkt auf die ausgeschriebene Stelle bewerben und weniger geeignete Personen sich von einer Bewerbung abschrecken lassen. 

In der Forschung bezeichnet man diesen Prozess als „Realistic Job Preview“. Im Kern geht es darum, den Bewerbern ein möglichst zutreffendes Bild ihrer späteren beruflichen Tätigkeit und der Besonderheiten des Arbeitgebers zu vermitteln, sodass sich die Geeigneten für und die Ungeeigneten gegen eine Bewerbung entscheiden. Die realistische Tätigkeitsinformation setzt sinnvollerweise bereits bei der Stellenanzeige und der Gestaltung der Internetseiten an und wird im eigentlichen Auswahlverfahren – also zum Beispiel im Einstellungsinterview – fortgeführt.

„Realistic Job Preview“: Das wollen Bewerber wissen

Nun stellt sich die Frage, wie eine realistische Tätigkeitsinformation in der Praxis zu bewerkstelligen ist. Verschiedene Forschungsergebnisse liefern hierzu Anregungen.

Stellenanzeige: Informationsmenge wichtiger als das Anzeigenformat

Grundsätzlich trägt die Menge der Informationen, die ein Arbeitgeber veröffentlicht zu höherer Attraktivität bei und zwar insbesondere bei gut qualifizierten Bewerbern oder solchen mit mehr Berufserfahrung. Die Informationsmenge bezieht sich sowohl auf die Anforderungen, die der Arbeitsplatz an zukünftige Mitarbeiter stellt, als auch auf Weiterbildungsmöglichkeiten, Karrierechancen oder andere Aspekte der Rahmenbedingungen. Wer von neuen Mitarbeitern Einsatzbereitschaft oder Führungskompetenz erwartet, muss die üblichen Worthülsen also mit Leben füllen. 

Natürlich lassen sich diese Informationen aus Kostengründen nicht in einer Stellenanzeige unterbringen. Hierzu sind die Internetseiten des Unternehmens viel besser geeignet. Hier ließe sich zum Beispiel auch die Beschreibung einer durchschnittlichen Arbeitswoche oder Ähnliches unterbringen. All dies dient dazu, dass Bewerber einen plastischen Eindruck von der Arbeitsrealität der fraglichen Stelle erhalten. 

Die Reichhaltigkeit der Informationen ist bei einer Stellenanzeige übrigens wichtiger als ihre reine Größe. Große Stellenanzeigen ziehen zwar eher die Aufmerksamkeit auf sich, dies nützt aber wenig, wenn sie kaum verwertbare Informationen liefern. Für aufwendig gestaltete, bunte Stellenanzeigen dürfte dies in gleicher Weise gelten.

Konkrete Arbeitsplatzmerkmale in der Jobanzeige 

Im Zusammenhang mit der unglückseligen Diskussion um Generation X, Y, Z wird immer wieder der Eindruck erweckt, als würden sich insbesondere jüngere Bewerber vor allem für die Werte eines Arbeitgebers interessieren. Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie stark sich die Darstellung von konkreten Arbeitsplatzmerkmalen im Vergleich zu abstrakten Merkmalen auf die Arbeitgeberattraktivität auswirken, bestätigen dies nicht. Sie zeigen vielmehr das Gegenteil. Nach wie vor scheint es so zu sein, dass es für die meisten Bewerber sehr viel wichtiger ist zu erfahren, in welcher Stadt sie arbeiten sollen, wie viel Geld sie verdienen, welche freiwilligen sozialen Leistungen ein Arbeitgeber erbringt, welche Arbeitsaufgaben zu erledigen sind, ob das Unternehmen wirtschaftlich sicher dasteht und vieles mehr.

Werte sind in der Regel wohl erst dann wichtig, wenn für einen Bewerber die Wahl zwischen zwei Arbeitgebern ansteht, die sich hinsichtlich der konkreten Arbeitsplatzmerkmale kaum unterscheiden. In dem Fall mag es eher ausschlaggebend sein, ob ein Unternehmen innovativ oder bodenständig erscheint. Arbeitgeber sollten also in der Außendarstellung zunächst einmal differenziert beschreiben, worum es eigentlich geht, ehe sie sich um ihre Werte Gedanken machen. Hier gilt ganz im Sinne von Bertolt Brecht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

Unternehmenswerte müssen erklärt werden

In vielen Unternehmen lesen sich die publizierten Werte, als hätten die Verantwortlichen einfach alles zusammengetragen, was edel und gut erscheint. Der Anspruch, die Individualität des Unternehmens nach außen zu tragen, wird überschattet von dem Versuch, sich als mindestens ebenso werthaltig zu präsentieren wie die Konkurrenz. Grundsätzlich ist es von Vorteil, Werte zu präsentieren. 

Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass der Effekt deutlich größer wird, wenn Werte nicht nur als solche benannt, sondern auch erklärt werden. Statt lediglich zu schreiben, dass man nachhaltig arbeitet, sollte der Arbeitgeber erläutern, was in seinem Unternehmen unter nachhaltiger Arbeit verstanden wird. Noch besser wäre es, wenn er darüber hinaus Belege liefern würde. So könnte ein produzierendes Unternehmen zum Beispiel konkrete Zahlen nennen und angeben, um wie viel Prozent der CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr reduziert wurde. 

Bilder in der Stellenanzeige fördern die Attraktivität des Arbeitgebers

Unternehmen, die Bilder auf ihren Internetseiten zeigen, werden von potenziellen Bewerbern als attraktiver erlebt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die dargestellten Personen aussehen, wie reale Mitarbeiter. Sobald die Rezipienten den Eindruck haben, dass hier platte Werbung geschaltet wird, geht der Effekt verloren und kann sich sogar in sein Gegenteil verkehren. Bewerber wollen nicht den Eindruck haben, dass man sie über den Tisch zieht. Oder anders ausgedrückt: Mehrheitlich scheinen die Bewerber keine Werbung, sondern Information zu suchen. Dies ist durchaus verständlich. Die Wahl eines Arbeitgebers ist für das eigene Leben viel wichtiger als der Kauf eines Handys oder die Buchung einer Urlaubsreise. 

Glaubwürdigkeit: Das A und O in Stellenanzeigen

Über allem steht das Gebot der Glaubwürdigkeit. Zumindest die qualifizierteren Bewerber beschäftigen sich auch mit der Frage, ob die dargestellten Inhalte glaubwürdig sind, und nutzen die Möglichkeit, sich gegebenenfalls durch andere Quellen über einen Arbeitgeber zu informieren. So wenig wie der Arbeitgeber vom Bewerber angelogen werden will, so wenig wissen es Bewerber zu schätzen, wenn sie von einem potenziellen Arbeitgeber angelogen werden.

  

Dieser Artikel ist in ungekürzer Version in Ausgabe 01/2019 des Personalmagazins erschienen und kann in der Personalmagazin-App gelesen werden.


Schlagworte zum Thema:  Stellenanzeige, Employer Branding, Recruiting