Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und Führungsebene

Zum Jahreswechsel 2023/2024 haben es viele Frauen in die oberste Führungsebene geschafft: Der Frauenanteil in Vorständen ist so hoch wie nie zuvor. Männer dominieren jedoch weiterhin und die Entwicklung verliert an Schwung. Aktuelle Zahlen zum Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten zeigen Analysen von DIW, EY und Fidar.

In den Top-Etagen börsennotierter deutscher Unternehmen gibt es nach einem erneuten Zuwachs so viele Frauen wie nie zuvor. Nach einer Auswertung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) ist die Zahl der Top-Managerinnen in den 160 Unternehmen der Dax-Familie zwischen Juli 2023 und Januar 2024 um sieben auf 128 gewachsen. Fast jedes fünfte Vorstandsmitglied ist nun weiblich. Verglichen mit dem Jahresbeginn 2020 hat sich der Frauenanteil in den Vorständen mehr als verdoppelt.

Der Frauenanteil in Vorständen liegt damit auf dem höchsten Wert seit Beginn der Auswertung vor zehn Jahren. In der Mehrheit aller Vorstände ist eine Frau vertreten: In 100 der 160 untersuchten Unternehmen ist aktuell mindestens ein Vorstandsmitglied weiblich. Mehr als zwei Top-Managerinnen sind die große Ausnahme: In gerade einmal 22 Unternehmen (14 Prozent) sind mindestens zwei Frauen im Vorstand.

Frauenanteil auf Höchststand: Sieben neue Frauen in Dax-Vorständen

"Wir sehen zwar einen stabilen Aufwärtstrend, der Frauenanteil in den Vorständen bleibt jedoch überschaubar", sagt EY-Expertin Ev Bangemann. Sie kritisiert: "Etliche Unternehmen begnügen sich damit, nur eine Frau in den Vorstand zu berufen. Da liegt die Vermutung nahe, dass gerade mal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt werden sollen."

Bangemann bezieht sich dabei auf die seit 2021 im "Zweiten Führungspositionengesetz" (FüPoG II) festgelegte Frauenquote für Vorstände. Bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Firmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mehr als drei Vorstandsmitgliedern muss bei Neubesetzungen darauf geachtet werden, dass mindestens eine Frau im Vorstand sitzt. Andere börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen, die nicht unter die Mindestvorgabe fallen, müssen es begründen, wenn sie ihren Vorstand ohne Frauen planen - wenn sie also eine "Zielgröße Null" in ihren Berichten angeben. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder.

"Nur mit moderner Personalpolitik werden Frauen in angemessener Zahl Führungspositionen einnehmen." - Bundesfrauenministerin Lisa Paus


Zum Jahreswechsel 2022/2023 ist zudem die EU-Führungspositionen-Richtlinie  in Kraft getretenen. Demnach sollen in Aufsichtsräten großer Börsenunternehmen in der EU bis Ende 2026 mindestens 40 Prozent Frauen (bzw. das unterrepräsentierte Geschlecht) vertreten sein. Alternativ gilt für Aufsichtsrat und Vorstand eine Quote von 33 Prozent. "Nur mit moderner Personalpolitik werden Frauen in angemessener Zahl Führungspositionen einnehmen", meinte Bundesfrauenministerin Lisa Paus. Für Unternehmen sei es von Vorteil, wenn der Frauenanteil an den Führungspositionen wächst. Denn Diversität zahle sich positiv aus.

Aktuelle Zahlen zum Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat

Verschiedene Studien verfolgen seit Jahren die Entwicklung der Frauenanteile in Führungspositionen. Das DIW Berlin analysiert in seinem "DIW Managerinnen-Barometer" seit 2010 jährlich die Frauenanteile in den 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen. Die Beratungsgesellschaft EY betrachtet in ihrem "Mixed Leadership Barometer" halbjährlich die 160 börsennotierten deutschen Unternehmen (DAX, MDax, SDax). Ebenfalls jährlich veröffentlicht "Fidar – Die Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte" ihren "Women-on-Board-Index". Hier stehen die Frauenanteile in den Aufsichtsräten im Fokus, betrachtet werden aber auch die Quoten in den Vorständen.

Der zusätzlich erscheinende " Public Women on Board"-Index ist ein Ranking der größten öffentlichen Unternehmen in Deutschland auf Bundes- und Landesebene nach dem Frauenanteil in Aufsichtsgremien und Top-Managementorganen.

Frauenquote zeigt zahlenmäßig deutlich Wirkung

Nach den Zahlen des aktuellen Women-on-Board-Index (Stand Februar 2024) ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 179 untersuchten Unternehmen leicht auf 36,5 Prozent gestiegen, in den Vorständen auf 19,3 Prozent. Ausgewertet wurden Konzerne in den Börsenindizes Dax, MDax und SDax sowie die im regulierten Markt an der Börse notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen.

Der Index zeigt, dass die 2015 mit dem FüPoG eingeführte 30-Prozent-Quote für die Besetzung der Aufsichtsräte zumindest zahlenmäßig wirkt. Bei den aktuell 101 von der Vorgabe betroffenen Unternehmen ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten mit 38,1 Prozent (Stand Februar 2024; Januar 2023: 36,7 Prozent) und in den Vorständen (Februar 2024: 21,1 Prozent; Januar 2023: 17,4 Prozent) deutlich höher als in den 78 Unternehmen, die nicht unter die Quote fallen. 

"Wir erwarten von den Unternehmen deutlich mehr Engagement im eigenen Interesse. Sie müssen sich glaubhaft und sichtbar für gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen einsetzen", sagt Fidar-Präsidentin Prof. Dr. Anja Seng. Neben der Festlegung von Zielgrößen für Aufsichtsrat, Vorstand sowie die erste und zweite Managementebene gehöre dazu eine verbindliche Strategie für alle Führungsebenen, um die gleichberechtigte Teilhabe umzusetzen, sowie deutlich mehr Transparenz. "Denn die Unternehmen stehen unter weit höherer Beobachtung", betont Seng.

Frauenanteil in öffentlichen Unternehmen steigt nur langsam

Ein Blick in den Public Women-on-Board-Index (Stand November 2023) zeigt: Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien und Top-Managementorganen der öffentlichen Unternehmen in Deutschland steigt weiter an. Aber er wächst noch zu langsam: In den Aufsichtsgremien der Bundes- und Landesunternehmen ist er nur um 1,3 Prozentpunkte auf 37,1 Prozent und in den Top-Managementorganen um 2,5 Prozentpunkte auf 25,7 Prozent gestiegen. Bei diesem Tempo dauert es noch sehr lange bis zur Parität.

Doch woran liegt das? "Die öffentlichen Unternehmen haben sich lange auf ihrem Vorsprung zur Privatwirtschaft ausgeruht", sagte Fidar-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow. "Aber die Entwicklung bei den börsennotierten Unternehmen zeigt, dass bei entsprechendem Druck und größerem öffentlichen Interesse mehr Fortschritt möglich ist." Vor diesem Hintergrund sei die Entwicklung bei den Bundes- und Länderbeteiligungen nicht zufriedenstellend.

Frauenanteil bleibt meist beim Mindestmaß

Das DIW Managerinnen-Barometer verzeichnet aktuell (Stand: Januar 2024) 153 Vorständinnen – sieben mehr als ein Jahr zuvor. Das ist der gleiche Zuwachs wie von 2022 auf 2023. Damit stieg der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen auf 17,5 Prozent. Das entspricht einem Plus von 1,9 Prozentpunkten.

Die Untersuchung des DIW zeigt, dass die Unternehmen, die der Mindestbeteiligung unterliegen, nach und nach im Zuge von Neubesetzungen die gesetzliche Vorgabe erfüllen. In der untersuchten Gruppe der 200 umsatzstärksten Unternehmen ist die Mehrheit nicht an das Mindestbeteiligungsgebot gebunden: Hier hat noch fast jedes zweite Unternehmen keine Frau im Vorstand - und wenn es eine Vorständin gibt, ist sie meist die einzige.

"Viele Unternehmen tun offenbar nicht mehr, als sie müssen", sagt Virginia Sondergeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. Schleichend könne sich so die Zielgröße von einer Frau im Vorstand als neue soziale Norm etablieren. Das sei zwar ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Zielgröße von null Frauen im Vorstand, die sich viele Unternehmen noch vor nicht allzu langer Zeit gesetzt haben. "Die Mindestbeteiligung wörtlich zu nehmen und Frauen tatsächlich nur im Mindestmaß an Vorstandsposten zu beteiligen, kann aber keinesfalls der Weisheit letzter Schluss sein", kritisiert Sondergeld.

Frauenanteil in den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen

Im Vergleich zum Juli 2023 stieg der Anteil der Unternehmen, die wenigstens ein weibliches Vorstandsmitglied beschäftigen, dem Mixed-Leadership-Barometer von EY zufolge von 58,1 Prozent auf 62,5 Prozent (Stand Januar 2024). Das heißt aber umgekehrt: In rund vier von zehn Unternehmen ist das Vorstandsgremium ausschließlich mit Männern besetzt. Die Zahl der weiblichen CEOs bleibt wie im Vorjahr auf extrem niedrigen Niveau: 2024 werden lediglich sieben der 160 Unternehmen aus Dax, MDax und SDax von einer Frau als CEO geführt. 2022 waren es noch neun.

Am häufigsten sind Frauen im Vorstand für Operatives zuständig: Aktuell stehen 38 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder einem operativen Geschäftsbereich vor. Darunter sind neun Prozent als COO tätig. Am zweithäufigsten verantworten Frauen den Bereich Human Resources (26 Prozent) gefolgt vom Finanzressort (24 Prozent).

Frauenanteile in den Dax-40-Unternehmen, SDax und MDax

Der Frauenanteil im Dax stieg bis zum Stichtag am 1. Januar 2024 leicht auf 23,5 Prozent. Derzeit haben 92,5 Prozent der Dax-Unternehmen - also 37 Unternehmen - mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied. 15 Dax-Unternehmen haben mehr als eine Frau im Vorstand.

Der Frauenanteil im MDax liegt bei 17,9 Prozent und damit zwei Prozentpunkte höher als im Juli 2023. 60 Prozent der Unternehmen haben also mindestens eine Frau im Vorstand. Die Entwicklung des Frauenanteils im MDax hat damit einen neuen Höchststand erreicht, liegt aber weiterhin deutlich unter der Quote der Dax-Unternehmen. Im SDax legte der Anteil von 12,7 auf 13,8 Prozent zu. Aktuell beschäftigen 33 der 70 SDax-Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand, nur zwei SDax-Unternehmen haben mehr als eine Frau im Vorstand.


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