Felicitas von Kyaw über Employee Experience

Wie schaffen Unternehmen positive Erlebnisse für Mitarbeitende? Ist das auch in Zeiten der Unsicherheit, die das Land derzeit prägt, möglich? Ein Gespräch mit Felicitas von Kyaw, die zu den Pionierinnen von Employee Experience zählt und seit Anfang des Jahres 2022 CHRO von Vodafone Deutschland ist. 

Personalmagazin: Seit Januar 2022 sind Sie als Personalchefin bei Vodafone Deutschland im Amt. Wie verlief der Start?

Felicitas von Kyaw: Mein Onboarding bei Vodafone verlief fast ausschließlich virtuell und ich bin beeindruckt, wie reibungslos das funktioniert hat. Sehr viele Menschen haben sich offensichtlich vorher gute Gedanken gemacht, was für mich wichtig sein würde und wen ich kennenlernen sollte. Für die Zukunft freue ich mich trotzdem auf die persönlichen Kontakte.  

Personalmagazin: Auf dem Businessnetzwerk Linkedin beschreiben Sie sich selbst als Transformerin, Change Catalyst und Coach. Welche Veränderungen möchten Sie bei Vodafone anregen?

von Kyaw: Nach gerade einmal drei Monaten im Amt möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wir sind mittendrin, gemeinsam mit dem Business Ziele und Strategien zu konkretisieren. Im Großen wollen wir unsere Reise zu einem digitalen Technologie- und Kommunikationsunternehmen fortsetzen. Das heißt, neben der klassischen Telefonie ergänzende Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

Personalmagazin: Welche Rolle spielt der Personalbereich darin?

von Kyaw: Wir unterstützen das Business dabei, Vodafones Reise zur "TechCommsCompany" anzugehen, das heißt, Veränderungen auszugestalten und zu realisieren. Unsere Mitarbeitenden begleiten wir in dem Prozess und fokussieren uns dabei auf die relevanten Fähigkeiten für die Zukunft. Lernen soll fester Teil des (Arbeits-)Lebens werden. Insgesamt geht es um die weitere Gestaltung des Arbeitens in dynamischen, sich verändernden Arbeitswelten. 

In der Arbeitswelt spielen Erlebnisse eine wichtige Rolle

Personalmagazin: Bei der Ausgestaltung legen immer mehr Unternehmen Wert auf sogenannte Employee Experience oder Mitarbeiter­erfahrungen als Bewertungsmaßstab. Sie unterstützen diesen Ansatz bereits seit Längerem. Weshalb?

von Kyaw: Ich bin davon überzeugt, dass es in der heutigen Arbeitswelt um Erlebnisse geht. Wir leben in einer Experience Economy: Kundenerlebnisse, Markenerlebnisse, Mitarbeitererlebnisse. Darin geht es immer auch um Beziehung. Die Qualität der Erlebnisse, die Mitarbeitende mit ihrem Arbeitgeber machen, prägt ihre Beziehung. Als HR stehen wir dafür, die Beziehung von Mitarbeitenden und Unternehmen mitzugestalten. Wir wollen möglichst engagierte Beschäftigte – Menschen, die sich mit Herzblut einbringen. Ich habe früher in einem anderen Kontext gesagt, Arbeitgeber wollen Fans. Und ich glaube, darum geht es. 

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Personalmagazin: Sehen Sie sich demnach in der Rolle der Fanbeauftragten?

von Kyaw: So habe ich mich bisher nicht gesehen. Außerdem wäre mir dieser Blick zu solitär. Ich glaube aber schon, dass HR einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie Mitarbeitende ihren Arbeitsalltag und folglich auch ihren Arbeitgeber wahrnehmen. Schlussendlich geht es um eine Loyalität, eine Verbundenheit, die über positive Gefühle, Erfahrungen und persönliche Erlebnisse entsteht.

Personalmagazin: Kritiker würden argumentieren, die Gefühle von Mitarbeitenden gehen das Unternehmen nichts an.

von Kyaw: Dem würde ich widersprechen. Natürlich geht es am Ende um Leistung. Aber die erreichen wir nicht mit reiner Vernunft. Dafür brauchen wir auch Begeisterung und Engagement. Beides setzt auch Gefühle, möglichst positive, voraus. Darum messen wir auch das Engagement von Mitarbeitenden, sicherlich auch als Leistungsindikator für wirtschaftlichen Gesamterfolg.

Employee Experience als Haltungsfrage

Personalmagazin: Bei Employee Experience geht es darum, welche Erfahrungen Mitarbeitende mit dem Unternehmen und den handelnden Personen machen. Wer trägt dafür die Verantwortung?

von Kyaw: Ich sehe alle in der Verantwortung, die Kontakte zu Mitarbeitenden haben: Führungskräfte, HR, aber auch Kolleginnen und Kollegen. Employee Experience ist auch eine Haltungsfrage. Das zeigt sich aktuell beispielsweise im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine, der viele unserer Beschäftigten berührt und bewegt. Wir geben diesen Emotionen Raum und schauen, wie wir als Unternehmen darauf reagieren können, etwa indem wir vereinfachte Jobbewerbungen für Geflüchtete ermöglichen oder Mitarbeitende unterstützen, die sich mit Hilfsangeboten engagieren möchten. Krisen prägen Kultur, sagt man – und das zeigt sich auch in diesen Monaten. Wir sind stolz darauf, einen Beitrag leisten zu können. 

Personalmagazin: Sie spielen auf die sogenannten "Moments that matter" an,  Schlüsselmomente, die für die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen besonders prägend sind – das ist auch für Sie ein zentraler Bestandteil des EX-Konzepts? 

von Kyaw: Exakt. Wobei das Beispiel der Krise zeigt, dass der klassische Ansatz etwas zu kurz greift. Neben planbaren Ereignissen wie Onboarding, Beförderung, Elternzeit oder Offboarding gibt es immer wieder außergewöhnliche Situationen, in denen wir die Möglichkeit haben, positive Emotionen zu schaffen. So ist beispielsweise aus der Coronapandemie unser Fullflex-Arbeitsmodell entstanden, in dem Mitarbeitende frei wählen können, wann und von wo sie arbeiten möchten. Solche "Momente", über den Standard hinaus, schaffen eine besondere Verbundenheit.

Neben planbaren Ereignissen wie #Onboarding, #Beförderung, #Elternzeit oder #Offboarding gibt es immer wieder außergewöhnliche Situationen, in denen wir die Möglichkeit haben, positive Emotionen zu schaffen." - Felicitas von Kyaw, Vodafone


Personalmagazin: Gleichzeitig haben Sie als Unternehmen kaum Einfluss darauf, ob und wann diese eintreten. Wie sieht es bei den planbaren Momenten aus? Wie gestalten Sie diese?

von Kyaw: Arbeitgeber wünschen sich Mitarbeitende, die mitmachen. In der Kundensprache heißt das, Prosumer ihrer eigenen Welt zu werden. Ein Beispiel: Wenn ich auf Linkedin meine Gedanken teile, dann bekomme ich fachlichen Input und Austausch. Einen solchen Austausch möchten wir auch innerhalb des Unternehmens fördern. Wir wollen Mitarbeitende zum Mitwirken und Mitmachen einladen. Nicht im Sinne eines Wunschkonzerts, sondern im Sinne der gemeinsamen Ausgestaltung des Arbeitsalltags und Miteinanders.

Drei Säulen für eine bessere Employee Experience

Personalmagazin: Ist die Employee Experience eine Antwort auf den Fachkräftemangel? Überspitzt gesprochen: Müssen Sie als Unternehmen "netter" sein als bisher? 

von Kyaw: Für mich ist das keine Frage der äußeren Umstände, sondern der Haltung. Wenn wir engagierte Mitarbeitende wollen, müssen wir mit diesen auch fair und wertschätzend umgehen. Das ist unabhängig von der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Lage. 

Personalmagazin: Als "Moments that matter" gelten Stationen entlang des Mitarbeiterlebenszyklus. Wie finden Sie heraus, welche davon für Mitarbeitende wirklich entscheidend sind?

von Kyaw: Wir sammeln in unserer Mitarbeiterbefragung "Spirit Beat" entsprechende Daten. Daraus erstellen wir ein Kulturbarometer, das verschiedene Dimensionen misst: Wie geht eine Führungskraft mit ihren Mitarbeitenden um? Wie ist das Teamklima? Wie das Engagement? Aus diesem Feedback können wir Maßnahmen ableiten. Unsere Daten bestätigen: Klassische Momente wie Elternwerden oder Lernangebote werden als prägend wahrgenommen. 

Personalmagazin: Wir haben eingangs bereits über die Messbarkeit von EX gesprochen. Welche Rolle spielt der digitale Reifegrad von HR für positive Mitarbeitererfahrungen?

von Kyaw: Digitale Prozesse sind Katalysator für die Kundenorientierung. Das äußert sich auch darin, wie einfach es für Mitarbeitende ist, mit HR in Verbindung zu treten. Der Maßstab sollte eine Experi­ence sein, wie wir sie von Netflix oder Amazon kennen. Wir haben uns vorgenommen, an drei Säulen für eine bessere Experience zu arbeiten und nennen das Effectiveness, Ease und Emotions. 

Personalmagazin: Wie erleben Sie die Lernbereitschaft Ihrer Organisation?

von Kyaw: Mein Eindruck ist der einer neugierigen Organisation. Das mag auch teilweise an der Branche liegen. Wir gehören zur kritischen Infrastruktur, da ist der Veränderungsdruck hoch. Die technologischen Veränderungen werden bei uns früh spürbar. Unsere Mitarbeitenden wissen das und können damit umgehen. Offenheit und Lernbereitschaft sind der Schlüssel zur Beschäftigungsfähigkeit.

Personalmagazin: Wie unterstützen Sie Mitarbeitende dabei?

von Kyaw: Wir bauen gerade eine digitale Talent-Plattform auf, wobei ich den Begriff "Talent" eigentlich nicht mag. Das klingt so elitär. Jeder Mensch hat ein Talent. Alle Mitarbeitenden sollen auf der Plattform Weiterentwicklungsmöglichkeiten finden, die sie selbstverantwortlich wahrnehmen können. 

Investitionen in eine positive Employee Experience zahlen sich aus

Personalmagazin: Wie messen Sie den Erfolg?

von Kyaw: Begeisterte Mitarbeitende leisten einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Investitionen in eine positive Employee Experience zahlen sich aus. Kundenorientierung, Engagement und Produktivität steigen. Fluktuation und Krankenstand gehen zurück. So profitieren am Ende alle: Mitarbeitende, Arbeitgeber und der Kunde. Bei all den Messdaten ist es aber auch ein Stück weit eine Frage des Glauben-Wollens. Die Kultur, um die es im Grunde geht, ist keine rein mathematische Größe.

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Personalmagazin: Im vergangenen Jahr sprach das Personalmagazin mit Ihrer Vorgängerin Bettina Karsch über die Leistungskultur bei Vodafone. Inwiefern beeinflusst die Art der Kultur die Ausgestaltung der Employee Experience? 

von Kyaw: Für mich steht beides nicht im Widerspruch, falls Sie darauf hinauswollen. Es mag der Eindruck entstehen, EX sei ein Kuschelkurs. Das stimmt nicht! Es geht darum, dass Mitarbeitende sich mit ihrer gesamten Persönlichkeit einbringen können – und dadurch ihre volle Kraft entfalten. Psychologische Sicherheit ist das Stichwort. Aber klar, wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und da geht es um Ergebnisse. 

Personalmagazin: Ihr Unternehmen hat mit Hannes Ametsreiter einen kommunikationsstarken CEO, der sich auch für Personalthemen einsetzt. Profitiert HR davon?

von Kyaw: Gute Personalarbeit ist ein Teamsport und natürlich hilft es uns, wenn der CEO unsere Themen trägt. Ich halte es für nicht selbstverständlich, dass ein Vorstandschef sich jeden Montag in einem Townhall Meeting Zeit nimmt, die Fragen seiner Beschäftigten zu beantworten. In solchen Momenten drückt sich eine Haltung und Wertschätzung aus. Mehr Kundenorientierung geht kaum!

Personalmagazin: Mit Beginn der Coronapandemie änderten sich Anforderungen an Führungskräfte. Kommunikationsstärke und Empathie waren besonders gefragt. 

von Kyaw: Stimmt. Führungskräfte sind maßgebliche Bezugspersonen für Mitarbeitende, ihr Führungsstil beeinflusst das Mitarbeitererlebnis. Dabei geht es weniger um einen einzelnen Moment, etwa in einem Feedback-Gespräch, es geht um die fortlaufende Erfahrung. Nach dieser Logik haben wir unser Leadership-Programm aufgesetzt. Statt einer einmaligen "Druckbetankung" bieten wir kontinuierlich neue Module an, die aktuelle Themen und Herausforderungen aufgreifen. Wir nennen das Leadership Accelerator. 

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Personalmagazin: Neben positiven Ereignissen wie Neueinstellungen oder Beförderungen gehören auch negative wie Personalabbau zum Business von HR. Lässt sich der Rauswurf als Erlebnis verpacken?

von Kyaw: Das ist mir zu plakativ! Beziehungsmanagement, um das es im Grunde geht, ist in guten wie in schlechten Zeiten wichtig. Nicht jede Entscheidung in einem Unternehmen ist populär. Gerade auch in diesen Momenten, in anspruchsvollen Veränderungs­­­situationen, kommt es auf eine gute (Krisen- oder Veränderungs-)Kommunikation an. Wie wir uns in Krisen verhalten, merken sich die Mitarbeitenden. 

Personalmagazin: Was waren für Sie berufliche Schlüsselmomente? 

von Kyaw: Entscheidend für meine persönliche Motivation war immer die Möglichkeit, wachsen und mich entwickeln zu können. Stillstand ist Rückstand. Insofern habe ich immer gerne dort gewirkt, wo ich Dinge begleiten, bewegen, beeinflussen konnte.


Dieses Interview ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 6/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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