"Marktführend zu sein, heißt nicht, den Euro zu zählen"
Haufe Online Redaktion: Die Unternehmensberatung Mercer, Teil des US-amerikanischen Dienstleitungsunternehmens Marsh McLennan, übernimmt die inhabergeführte Vergütungsberatung HKP Group. Die Großen fressen die Kleinen. Ist das ein positives Signal für den deutschen Beratungsmarkt?
Michael H. Kramarsch: Dieses Bild wird der Sache nicht gerecht. Unser Zusammenschluss mit Mercer ist eine sehr bewusste und strategische Entscheidung, die wir im Sinne unserer Kunden und Mitarbeitenden getroffen haben. Wir sind durch unseren Erfolg der letzten Jahre tief verankert in den DAX-Unternehmen. Um wettbewerbsfähig in relevanten Transformationsprojekten zu sein, braucht es Zugang zu Ressourcen und globalen Daten. So kam die Überlegung, uns mit einem der großen Strategen zusammenzuschließen. Mit Mercer sehen wir viele Gemeinsamkeiten was Kultur, Inhalte und Qualitätsverständnis betrifft.
Haufe Online Redaktion: Damit verschwindet eine weitere mittelständische Beratung.
Kramarsch: Ich möchte dem entgegenhalten, dass in der Kombination mit Mercer ein schlagkräftiger People Advisor entsteht, der für Markt und Kunden von Vorteil ist.
Martin Haep: Das möchte ich unterstreichen. Die Übernahme ist Teil einer langfristigen Strategie bei Mercer, wie wir uns von einem klassischen Vergütungsproduktanbieter zu einem ganzheitlichen People-Berater weiterentwickeln können. Vor der Transaktion wurden wir häufig als Experten für Vergütungsdaten wahrgenommen, obwohl wir beispielsweise durch die Übernahme von Kincentric zu einem der weltweit größten Berater für Employee Experience aufgestiegen sind. Der Zusammenschluss mit HKP ist ein weiterer Baustein in dieser Strategie – und kein Schnellschuss, sondern das Resultat eines einjährigen Dialogs mit Michael und den Partnern.
Gemeinsam die besten Lösungen finden
Haufe Online Redaktion: Sie betonen die Synergien, die sich für beide Unternehmen ergeben sollen. Fakt ist: Die rund 100 Mitarbeitenden der HKP Group werden Teil eines Beratungskonzerns mit weltweit rund 25.000 Mitarbeitenden. Wie viel vom HKP-Geist lässt sich bewahren?
Kramarsch: Rein oberflächlich betrachtet laufen in Boutique-Beratungen manche Dinge anders oder müssen sogar anders laufen als in großen Beratungen. Entscheidend für uns war, ob wir in den Werten, wie wir beraten, eine Übereinstimmung finden. Wie arbeiten wir zusammen? Wie groß ist der Appetit auf Innovation? Was verstehen wir unter Qualität? Darin sind wir uns einig. Und ich denke, dass schon dieser gemeinsame Reflexionsprozess zu Beginn die Voraussetzung für eine lange und glückliche Ehe ist.
Haep: Unsere ehemalige globale CEO hat ein Bild geprägt: Wir bringen Empathie und Economics zusammen. Das ist für uns kulturprägend. Wir gehen respektvoll miteinander um, versuchen das Gegenüber zu verstehen und gemeinsam die beste Lösung zu finden. So habe ich auch den Austausch mit Michael erlebt.
Haufe Online Redaktion: Ist Mercer durch die Akquisition von HKP Group nun Marktführer für Vergütungsberatung in Deutschland?
Haep: Ich tue mich schwer mit solchen Begriffen, weil sie schon daran scheitern, einen solchen Markt überhaupt klar abzugrenzen. Anwälte betreiben Vergütungsberatung, Wirtschaftsprüfer betreiben Vergütungsberatung, Boutiquen betreiben Vergütungsberatung. Ich wüsste nicht, wie ich einen Vergütungsmarkt in Deutschland definieren sollte. Die Stärke dieses Zusammenschlusses liegt in der Komplementarität unserer Angebote.
Kramarsch: Wir bringen in einem speziellen Segment, nämlich Top-Executive-Daten, unsere Expertise ein. Das ist, im Verhältnis zu den weltweiten Daten von Mercer, eine sehr geringe Menge. Wir sind stark, wenn es ums Design geht. Vor allem aber ergänzen wir uns bei Themen wie Grading, dynamische Skills, Benchmarking oder Performance Management.
Mehr Zugänge, größeres Potenzial
Haufe Online Redaktion: Eine andere Lesart des Deals könnte lauten: Mercer ist es nicht gelungen, aus eigener Kraft Zugang in die Vorstandsetage der Dax-Unternehmen zu schaffen. Und HKP ist nun die Eintrittskarte dorthin.
Haep: Das ist nicht der Fall. Es gibt wahrscheinlich kein einziges Dax-Unternehmen in Deutschland, mit dem wir nicht geschäftlich verbunden sind. Nichtsdestotrotz bringt HKP einen exzellenten Zugang zu Personalvorständen ein, deren strategische Sparringspartner wir als People-Berater sein wollen. Diese Zugänge vergrößern unser Potenzial, Konzerne grenzüberschreitend zu beraten. Und wir verfügen über die Power, das auch global zu tun. Wir bringen also die Ressourcen mit, über die Michael eingangs gesprochen hat.
Haufe Online Redaktion: Herr Kramarsch, Sie sind in der HR-Szene nicht nur als Gründer und CEO der HKP Group , sondern auch für Ihr Engagement im Ethikbeirat HR Tech sowie beim HR-Start-up-Award bekannt. Werden Sie diese Aktivitäten auch in Ihrer neuen Rolle als Teil der Geschäftsleitung bei Mercer weiterführen?
Kramarsch: Ich werde HR und Corporate Governance auch künftig verbunden bleiben und freue mich als unruhiger Geist, die eine oder andere Diskussion anzustoßen und Themen voranzutreiben, die auch bei Mercer eine gute Heimat haben.
Haufe Online Redaktion: Herr Haep, Sie holen sich mit Michael Kramarsch nicht nur einen Vergütungsexperten, sondern auch einen Unternehmer ins Haus. Was bedeutet das für die künftige Zusammenarbeit?
Haep: Ich hoffe auf viele positive Impulse, denn davon leben wir als Organisation. Natürlich muss man in einem Konzern auch Corporate-Gene haben, um gemeinsame Wege zu finden. Trotzdem wollen wir auch Persönlichkeiten in der Organisation, die unternehmerisch denken und an bestimmten Stellen mehr Risiko gehen. Ich habe keinerlei Sorge, dass neue Denkanstöße unsere Strukturen stören.
Eine Marke mit gemeinsamer Identität
Haufe Online Redaktion: Wird die Marke HKP weiterbestehen oder in Mercer aufgehen?
Haep: Langfristig wird sie in Mercer aufgehen, da wir global mit einer Marke auftreten. Bis dahin wird es aber eine Übergangsfrist geben. Die Marke HKP Group steht im deutschen Markt für Exzellenz. Deshalb ist ein Co-Branding für die Anfangszeit sinnvoll.
Haufe Online Redaktion: HKP stand bislang für einen europäischen Blick auf das Thema Vergütung. Geht diese Sichtweise im amerikanischen Konzern Mercer verloren?
Kramarsch: In HR gibt es regionale Unterschiede, doch viele Themen sind global. Mercer ist für mich außerdem Mercer plus Promerit (HR-Beratung, die 2017 von Mercer übernommen wurde; Anm. d. Red.). Nun kommt mit uns ein weiteres Unternehmen dazu. Ich bin überzeugt, dass aus der kulturellen Integration eine neue gemeinsame Identität entstehen kann. Sicherlich ist Mercer durch seine Größe in gewisser Hinsicht der Pacemaker. Und dennoch verlieren wir ja nicht unsere europäische Beratungsidentität, sondern werden lokale Ansätze und globale Ansprüche zusammenführen.
Haep: Wenn wir auf Mercer Deutschland schauen, sind wir rund 700 Mitarbeitende. Davon sind rund 120 Mitarbeitende in der HR-Beratung tätig. Das relativiert das vermeintliche Übergewicht gegenüber den 100 Kolleginnen und Kollegen von HKP Group doch ganz erheblich.
Das Ziel: Themen anführen und Innovationen antreiben
Haufe Online Redaktion: Herr Kramarsch, Sie haben auf Linkedin den Anspruch formuliert, "größter und schlagkräftigster People Advisor in Deutschland" sein zu wollen. Also doch ein (Markt-) Führungsanspruch?
Haep: Michael, darf ich zuerst? Diese Attitüde der Führerschaft ist für mich kein Wert an sich. Vielmehr geht es um Exzellenz, um permanente Verbesserung. Wenn Michael sagt, er möchte der Schlagkräftigste sein, dann unterschreibe ich das sofort. Aber ob ich 12 oder 15 Prozent Marktanteil habe, ist nicht relevant.
Kramarsch: Marktführend heißt nach unserer Definition, führend in Themen zu sein, die Agenda zu setzen, Innovation zu treiben – und nicht den Euro zu zählen. Wenn ich mir jedoch anschaue, was wir gemeinsam erreichen wollen, sehe ich kaum jemanden, der Vergleichbares anbieten kann.
Haufe Online Redaktion: Für Sie gibt es also keine Wettbewerber?
Haep: Zumindest nicht den einen. In den vergangenen Jahren hat sich die Beraterwelt stark gewandelt, sodass wir in unterschiedlichen Projekten auf unterschiedliche Berater treffen. Mal sind es die Vergütungsberater, mal die Strategieberater, mal die Big Four. Deshalb gibt es kein homogenes Wettbewerbsumfeld.
Haufe Online Redaktion: Übernimmt ein Unternehmen ein anders, dauert es mitunter Jahre, bis eine reibungslose Zusammenarbeit und ein gemeinsames Verständnis entsteht, wenn überhaupt. Wann profitieren Ihre Kunden vom Zusammenschluss?
Kramarsch: Ab heute. Beide Organisationen sind erfolgreich und haben laufende Projekte. Der Austausch darüber beginnt sofort und dann stellen wir fest: es gibt Gemeinsamkeiten. Darauf bauen wir auf.
Haep: Natürlich müssen wir HKP auch prozessual in Mercer integrieren. Das hindert aber keinen Berater daran, schon jetzt Synergien zu nutzen. Gleichzeitig geht es darum, ein gemeinsames Geschäftsmodell zu entwickeln. Mit einem After Work am Tag nach dem Vertragsabschluss geben wir den Kolleginnen und Kollegin direkt die Möglichkeit, sich zu vernetzen.
Haufe Online Redaktion: Ihre Frankfurter Büros liegen nur einen Steinwurf entfernt. Wer zieht künftig zum wem?
Haep: Unsere Strategie bei Marsh McLennan ist, dass wo immer das möglich ist, alle operativen Unternehmen unter einem Dach arbeiten. Das werden wir auch in Frankfurt versuchen.
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