Kommentar: Allein im Home Office und trotzdem agil?

IBM schafft das Home Office teilweise ab, um die persönliche Zusammenarbeit zu fördern. Die direkte Kommunikation im Team und vor Ort gilt auch als essenziell beim agilen Arbeiten. Schließen sich Agilität und Home Office also gegenseitig aus? Agilitätsexperte André Häusling klärt auf.

„Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit neuen Formen der Zusammenarbeit, um die künftigen Herausforderungen der Unternehmen zu bewältigen. Vor allem das agile Arbeiten wird immer populärer, nicht nur in der Softwareentwicklung, sondern weit darüber hinaus. Agilität ist wesentlich mehr als ein neues Buzzword; Agilität steht vielmehr für Werte und Prinzipien der Zusammenarbeit, die sich vor allem für ein komplexes Umfeld eignen. Somit sollten nicht zwingend alle Teams agil arbeiten, sondern die Teams, bei denen es Sinn ergibt.

Agiles Arbeiten: kollaborativ und teambasiert

Ein wesentliches Element – von vielen weiteren Elementen – agiler Arbeitsformen ist ein kollaborativer und teambasierter Ansatz. Dies ist für viele Unternehmen eine große kulturelle Veränderung, weil bisher meistens in Funktions-Silos kompetitiv gearbeitet wurde mit einer Vielzahl an Einzelkämpfern, die häufig in Einzelbüros organisiert waren. Dies hat die Kommunikation zwischen Mitarbeitern erheblich erschwert.

Agile Teams: cross-funktional und interdisziplinär

Agile Teams zeichnen sich dadurch aus, dass sie cross-funktional und interdisziplinär zusammengesetzt sind, idealerweise auch eine hohe räumliche Nähe haben und zusammensitzen. Dies erleichtert die Abstimmungen und erhöht die Geschwindigkeit bei Entscheidungen. Wissensteilung, Transparenz der Aufgaben für alle Beteiligte oder auch eine entsprechende Feedbackkultur charakterisieren diese Teams. Zudem arbeiten sie zusammen an Aufgaben und erledigen die Aufgaben priorisiert nach Kundennutzen, bevor neue Aufgaben begonnen werden. Und dafür macht es Sinn, auch die entsprechenden Arbeitsplätze zu haben sowie die nötige Infrastruktur.

Der Hintergrund ist keine Sozialromantik, sondern die konsequente Ausrichtung auf den Kunden, um schnell auf seine Bedürfnisse und Anforderungen eingehen zu können. Und hierfür ist es hilfreich häufig zusammen zu kommen und zusammen zu sitzen. Verteilte Teammitglieder erschweren häufig die Zusammenarbeit in den Teams.

Home-Office-Regelung: nicht genau ausdefiniert und vorgeschrieben

Hierfür braucht es aus meiner Sicht aber kein umfangreiches Regelwerk, Firmen-Policies und Guidelines, die ganz genau regeln, wie und wann Teams zusammensitzen sollten und wann Home Office möglich ist. Gerade für agile Teams gilt, dass die Mitarbeiter den Reifegrad dafür besitzen sollten, ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort selbst zu organisieren. Mit anderen Worten, Selbstorganisation und Selbstverantwortung müssen von den Teammitgliedern gelernt werden, um einschätzen zu können, wann eine Anwesenheit im Büro sowie physische Treffen mit den Kollegen absolut notwendig sind und wann im Gegenzug von zuhause aus gearbeitet werden kann – ohne den Prozess zu stören und Ziele zu gefährden. Dass bei der Inanspruchnahme von Home Office eine Erreichbarkeit von zuhause aus vorhanden sein muss, um eventuelle Probleme zu klären oder den Teamkollegen für Fragen zur Verfügung zu stehen, versteht sich von selbst.

Home Office im agilen Team: selbstverantwortlich und selbstorganisiert

Sind diese Voraussetzungen vorhanden, ist es durchaus sinnvoll, den Mitarbeitern die Flexibilität einzuräumen, selbst zu entscheiden, ob und wann sie im Home Office arbeiten oder am Arbeitsplatz sein möchten. Die Mitarbeiter werden als selbstbestimmte Individuen angesehen, denen die Möglichkeit auch eingeräumt wird, Selbstverantwortung zu übernehmen und selbstorganisiert zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund lässt sich zusammenfassen: „Die Dosis macht das Gift“. Der Umgang mit Home Office muss von den Teams gelernt werden. Jede pauschale Regel wird zu Problemen führen, eine individuelle Betrachtungsweise ist hilfreich.“


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