Themen, Trends und Treiber im HCM-Softwaremarkt
Eine Digitalstrategie zu haben, ist für HR-Verantwortliche längst ein Muss. Denn zeitgemäße Personalarbeit ist ohne digitale Tools kaum möglich. Hinzu kommen Impulse aus der New-Work-Bewegung, die das Personalwesen zur Selbstreflexion anhalten. Kurzum: Altbekanntes wird vernichtet, Neues geschaffen. In Kombination bedeutet "HR New" das Ende für eine Vielzahl traditioneller Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen. So wird Freiraum für mehr Kreativität, mehr selbstbestimmtes Handeln und mehr Flexibilität bei der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeitgestaltung geschaffen. Klar, dass dadurch auch der Softwaremarkt für Human Capital Management (HCM) beflügelt wird. Viele neue Anbieter stellen innovative Lösungen vor und die etablierten Hersteller haben Mühe, das hohe Tempo mitzugehen.
HCM-Daten für Mitarbeiter zugänglich machen
Die Flaggschiffe im HCM-Softwaremarkt, die HCM-Suiten, bieten derzeit mittleren und großen Unternehmen vom ERP-System über Payroll bis hin zum Talentmanagement (TM) alle Tools, die ein modernes Personalmanagement braucht. Große internationale Hersteller wie SAP, Oracle oder Workday bespielen dieses Feld noch beinahe unangefochten. Doch grundlegende Veränderungen kündigen sich an. Hatte bislang schwerpunktmäßig der HR-Bereich Zugriff auf die Anwendungen der HCM-Suiten, so wird es künftig für alle Mitarbeitenden aufgrund der neuen Organisationsstrukturen wichtig sein, mit Self Services auf die Daten des HR-Bereichs zugreifen zu können. Das Ziel innovativer Plattformen ist es, zukünftig allen Managern und Mitarbeitenden alle Daten, die sie für ihre Aufgaben benötigen, sofort und unkompliziert zur Verfügung zu stellen.
Employee-Experience-Plattformen als Marktchance
Eine Anpassung der komplexen HCM-Suiten stellt die Hersteller vor große Herausforderungen. Dies bietet Marktchancen für neue Anbieter, die mit sogenannten Employee-Experience-Plattformen (EXP) genau dafür Lösungen liefern. Employee Experience, also die Art und Weise, wie die Mitarbeitenden ihr Unternehmen erleben, ist derzeit das zentrale Thema. Die EXP sind aus Mitarbeiterportalen oder Projektmanagement-Software entstanden. Sie bieten beispielsweise Projekt-, Prozess- und Wissensmanagement. Ihr Vorteil liegt darin, dass Mitarbeitende nicht mit komplexen und heterogenen Backend-Systemen konfrontiert werden, sondern mit einem bedienerfreundlichen Frontend-System arbeiten können, das im Hintergrund auf die anderen Programme zugreift. Ein wichtiger Bestandteil dabei sind Employee Self Services, die nicht mehr in einzelnen HR-Anwendungen integriert sind, sondern ebenfalls unter der einheitlichen Benutzeroberfläche abrufbar sind.
Softwaregiganten entdecken HCM-Lösungen für sich
Der Markt für HCM-Suiten wird sich durch diese Entwicklung verändern. Denn die Unternehmen werden künftig zunehmend darauf achten, dass Softwarelösungen nicht separat aufgerufen werden müssen, sondern bereits in der Software, die schwerpunktmäßig am jeweiligen Arbeitsplatz verwendet wird, integriert sind. Damit droht Konkurrenz aus einer ganz anderen Richtung als bisher. Unternehmen wie Microsoft, Google, Facebook oder der Bürokommunikationsdienstanbieter Slack drängen in den Markt. Sie investieren mittlerweile alle in HR-spezifische Anwendungen und integrieren diese in ihre Software. Ebenso sind Team- und Projektmanagementtools wie Trello, Asana oder Basecamp dabei, ihre Features zu erweitern und HR-spezifische Tools zu integrieren.
Der Druck, die HCM-Suiten von Grund auf zu erneuern, hat noch weitere Ursachen. Wegfallende Hierarchien und die Entwicklung hin zu Netzwerkorganisationen lassen sich mit den bestehenden Datenbankmodellen nur noch schwer abbilden. Einen möglichen Ausweg stellen Graphendatenbanken-Lösungen dar, die mehr Flexibilität versprechen. Neu daran ist, dass alle Objekte anhand ihrer Beziehungen definiert werden. ADP ist zurzeit dabei, eine graphendatenbankbasierte HR-Software zu entwickeln und auch Workday arbeitet an einer netzwerkorientierten Architektur.
HCM-Suiten-Hersteller öffnen ihre Plattformen
Fakt hingegen ist bereits heute, dass die etablierten HCM-Suiten-Hersteller aufgrund des enorm gestiegenen Marktdrucks die Flucht nach vorn ergriffen haben und ihre Plattformen öffnen. Das bedeutet, dass sie vermehrt Schnittstellen für Softwarelösungen anderer Hersteller zur Verfügung stellen, damit ihre Kunden Drittanwendungen integrieren können. SAP und Workday bieten bereits derartige Schnittstellen an, sowie auch Schnittstellen für Hersteller von stark spezialisierten HR-Anwendungen, damit diese ihre Add-ons in das HCM-System integrieren können. Dies scheint für alle Beteiligten, HCM-Suiten-Anbieter, Hersteller von Spezialanwendungen und die Kunden, ein gangbarer Weg in Richtung Zukunft zu sein.
Dies kann auch ein Ausweg aus der schwieriger werdenden Marktposition sein, in der sich die Talentmanagement-(TM)-Suite-Anbieter befinden. Denn auch ihre Kunden fordern zunehmend, dass möglichst alle HR-Softwareanwendungen in nur einer Plattform zur Verfügung stehen. Somit wird der Markt für TM-Suiten-Hersteller ohne dazu gehöriges HR-Core-System enger. Entweder entwickeln oder kaufen sie ein eigenes HR-Core-System zu oder ihre Anwendungen müssen im Sinne von "best of breed" denen der HCM-Suiten-Anbieter so sehr überlegen sein, dass die Unternehmen bereit sind, den Mehraufwand der zusätzlichen Integration über entsprechende Schnittstellen in Kauf zu nehmen.
Trends in einzelnen HR-Tech-Segmenten
Bei den TM-Anwendungen ist das Thema Feedback weiterhin von großer Bedeutung. Der nächste Entwicklungsschritt ist eine durchdachte Feedback-Architektur. Cross-Survey-Analytic-Tools sollen Feedback-Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen und zu aussagekräftigen Echtzeit-Analysen beitragen. Auch andere Segmente des HR-Tech-Markts entwickeln sich rasant, vor allem der Bereich Talent Acquisition. Recruiting Software und Applicant-Tracking-Systeme (ATS) sind für viele Unternehmen der entscheidende Erfolgsfaktor, um in Zeiten des Fachkräftemangels qualifizierte Fachkräfte für sich zu gewinnen. Beim Performance Management rückt das Thema Agilität in den Mittelpunkt. Innovative Tools in diesem Bereich haben stärker den Team- und Gesamtunternehmenserfolg im Blick, die Performance des Einzelnen tritt dagegen zunehmend in den Hintergrund.
Learning-Experience-Plattformen (LXP) stellen Lerninhalte je nach individuellem Bedarf im jeweiligen Trainingsformat zur Verfügung. In Zukunft könnten auch sie in der täglich genutzten Anwendung abrufbar sein und sollten in Richtung Microlearning ausgebaut werden. Beim Thema Gesundheit werden immer mehr Apps angeboten, meist von Start-ups, die die Mitarbeiter für ihre physische und mentale Fitness nutzen können. Auch beim Thema Lohn- und Gehalt entwickeln Softwareanbieter ihre Programme weiter. Denn durch Teamarbeit und zeitlich begrenzt beschäftigte Projektmitarbeiter nimmt die Zahl derer, die flexibel, zeitnah und individuell bezahlt werden müssen, zu.
HCM-Software: Chancen und Risiken abwägen
Es tut sich also sehr viel auf dem HR-Softwaremarkt. Inwieweit sich die neuen technischen Möglichkeiten mit der DSGVO sowie auch mit ethischen Grundsätzen vereinbaren lassen und ob Betriebsräte zustimmen, wird sich zeigen. Der Ethikbeirat HR Tech hat eben erst entsprechende Richtlinien veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Jedes Unternehmen ist daher aufgefordert, bei der Festlegung seiner HR-IT-Strategie die Chancen im Blick zu haben, die innovative HR-Softwarelösungen bieten, und sie gegen die Risiken abzuwägen.
Der vollständige Beitrag erschien im aktuellen Personalmagazin plus "HR-Software: Markttrends und Anbieterübersicht".
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