Hybrides Arbeiten etabliert sich weiter in deutschen Unternehmen
Mobiles Arbeiten hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie zunehmend in der deutschen Arbeitswelt etabliert. Wie eine neue Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) zeigt, ist mobiles Arbeiten bei mittlerweile mehr als 99 Prozent der knapp 400 im März 2023 befragten Unternehmen möglich. Diese Zahl klingt zwar hoch – sieht man jedoch genauer hin, wird deutlich, dass die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten längst nicht allen Mitarbeitenden innerhalb der Unternehmen offensteht. So gaben zwar 66,1 Prozent der Befragten an, dass Homeoffice für prinzipiell fast alle Beschäftigten möglich ist, doch wird bei einem weiteren Drittel mobiles Arbeiten nur einem gewissen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten.
Die Gefahren von hybridem Arbeiten
Bei aller Freude über die sich fortsetzende Entwicklung in Richtung hybrider Arbeitsmodelle sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass durchaus Gefahren für Unternehmen und deren Belegschaft lauern. Abgesehen von einer seit der Corona-Pandemie um das 2,5-fache gesteigerten Zeit, die in Meetings verbracht wird, kann eine fehlende Autonomie Mitarbeitender bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeitmodelle zur Folge haben, dass Konflikte zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften entstehen. Im Rahmen der Konstanzer Homeoffice-Studie 2023 gab jede vierte befragte Person an, dass es bei ihrem Unternehmen zu Spannungen kommt, weil manche mobil arbeiten dürfen und andere nicht. Besonders fehlendes Mitspracherecht beim Umfang an mobiler Arbeit sorgt für Frust. Auch wenn die getroffene Regelung für Mitarbeitende nicht nachvollziehbar ist oder von den individuellen Präferenzen der Führungskraft abhängt, besteht Spannungspotenzial.
Weiteres Gefahrenpotenzial in der hybriden Arbeitswelt sieht Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer IAO in einem mangelnden persönlichen Austausch, weshalb die Studienleiterin der eingangs zitierten Studie ein gemischtes Fazit zieht: "Auf der einen Seite belegt die Studie, dass die hybride Arbeitswelt Schwierigkeiten bei der Integration, Vernetzung und dem Wissensaustausch von Mitarbeitenden mit sich bringt. Auf der anderen Seite sehen wir, dass sowohl die Innovations- als auch Produktionskraft davon bisher unberührt bleiben" (siehe Abbildung). Hofmann empfiehlt Unternehmen daher, "sich noch stärker mit ihrer Rolle als >>sozialem Ort<< auseinanderzusetzen und die Fragen der Betriebsgemeinschaft und Identitätsstiftung zu klären, um eine langfristige Bindung und gemeinsame Innovationsfähigkeit sicherzustellen." Mehr zu diesem Thema finden Sie auch in unserem aktuellen Sonderheft "Neue Arbeitswelten".
Kaum Einfluss auf den Krankenstand
Erfreulich ist, dass in den meisten befragten Unternehmen weder die Zahl der Krankmeldungen noch der Fälle von Burnout und psychischen Erkrankungen gestiegen sind. Der Aussage, dass sich Mitarbeitende vermehrt krankmelden, stimmten lediglich 1,8 Prozent der Befragten "voll" und 5,2 Prozent "eher" zu. Vermehrte Fälle von Burnout und psychischen Erkrankungen beobachten ebenfalls nur wenige (1,3 Prozent stimmten "voll", 7,2 Prozent "eher" zu).
Zwei Tage ortsungebundenes Arbeiten als häufigstes Modell
Ebenfalls Gegenstand der Befragung war, welche hybriden Arbeitsmodelle am weitesten verbreitet sind. Am häufigsten gewährten die befragten Unternehmen ihren Mitarbeitenden zwei ortsungebundene Tage pro Woche (32,4 Prozent). Danach wurden bis zu fünf Tage, also die komplette Wahlfreiheit genannt (27,8 Prozent), dicht gefolgt von drei Tagen pro Woche (26,1 Prozent). Am seltensten wurden Mitarbeitenden vier mobile Arbeitstage gewährt (10,3 Prozent).
Trotz eventuell bestehender Betriebsvereinbarungen: wie genau die tägliche hybride Zusammenarbeit aussieht, wird in der Praxis meist innerhalb der Teams geregelt. So kamen in knapp 70 Prozent der befragten Unternehmen teamspezifische Regeln zur Anwendung. Dass diese Pluralität einen hohen Beitrag zu einer guten Umsetzung hybrider Arbeitsformen leistet, sahen 83 Prozent so.
Fast 20 Prozent der Unternehmen noch ohne Betriebsvereinbarungen
Im Hinblick auf auslaufende Corona-Ausnahmeregelungen nutzte eine Mehrzahl der Unternehmen im vergangenen Jahr die Zeit, um Betriebsvereinbarungen zu mobilen Arbeitsformen abzuschließen (81,7 Prozent). Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass fast 20 Prozent noch keine feste Vereinbarung getroffen haben. Immerhin befinden sich 6,4 Prozent der Unternehmen laut eigener Aussage hierzu gerade im Prozess.
Bei der Frage, welche Aspekte in der Betriebsvereinbarung geregelt werden, wurde am häufigsten die Mindestanwesenheitsquote genannt (72,1 Prozent), gefolgt von den Vorgaben zur Gestaltung des ortsflexiblen Arbeitsplatzes (66,9 Prozent). Die Regelung dieser Aspekte ist das eine, die Kontrolle der Umsetzung steht jedoch auf einem anderen Blatt: Lediglich 27,1 Prozent der Befragten gaben an, dass die Mindestanwesenheitszeit auch tatsächlich kontrolliert wird – bei den Vorgaben zur Gestaltung des Arbeitsplatzes sind dies sogar nur 15,7 Prozent. Die Studienautoren nennen zwei mögliche Erklärungsansätze: Einerseits können derartige Kontrollen für Führungskräfte in der Praxis unangenehm sein, weshalb sie lieber darauf verzichten. Andererseits kann der wenig ausgeprägte Kontrolldrang vieler Unternehmen auch als Vertrauensbeweis in ihre Mitarbeitenden gesehen werden.
Nur knapp ein Viertel hält Kompensationen für ortsgebundene Beschäftigte für wichtig
Aufgrund der Kluft zwischen Beschäftigten, denen ortsflexibles Arbeiten offensteht und jenen, die keine Möglichkeit zum mobilen Arbeiten haben, beschäftigen sich Unternehmen mit der Frage, ob Letzteren dafür Kompensationen in anderen Bereichen gewährt werden sollten. Denkbar wären beispielsweise ein Mehr an zeitlicher Flexibilität (durch erweiterte Schichtmodelle oder Sabbaticals), finanzielle Anreize oder attraktiv ausgestattete Büroumgebungen. Allerdings zeigte die Befragung, dass nur knapp ein Viertel der befragten Unternehmen eine Notwendigkeit für derlei Kompensationen sieht (23,6 Prozent). Dennoch dürfte die Frage, wie auch ortsgebundenen Beschäftigten mehr Flexibilität gewährt werden kann, in Zukunft an Relevanz gewinnen.
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