Tipps gegen eine toxische Meeting-Kultur
Die deutsche Arbeitswelt im Jahr 2023: Viele Unternehmen haben ihre Mitarbeitenden bereits letztes Jahr zurück ins Büro geholt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Oft wird angeführt, dass der direkte Austausch am Arbeitsplatz das Arbeiten leichter macht oder dass die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte von vielen Arbeitnehmenden bevorzugt wird.
Dabei findet oft eine gespaltene Wahrnehmung innerhalb der Arbeitnehmerschaft statt: Die einen wollen lieber zu Hause arbeiten, andere ziehen den Weg ins Büro vor. Viele Unternehmen befinden sich noch in einer Findungsphase, wie mit der Herausforderung "Hybrides Arbeiten" umzugehen ist.
Toxische Meetingkultur: Was ist damit gemeint?
Ein Phänomen aus Zeiten der Pandemie hat sich jedoch – trotz oder vielleicht wegen hybrider Arbeitsmodelle – etabliert: Das erhöhte Aufkommen von Meetings.
Remote-Arbeit und weitere Faktoren haben dazu geführt, dass wir noch nie so viele Meetings wie heute hatten. Viele Führungskräfte, Projektleiter und Projektleiterinnen verbringen den Großteil ihrer Arbeitszeit in Meetings. Zahlreiche Studien offenbaren gleichzeitig die Unproduktivität von Meetings:
- Eine weltweite Studie quantifiziert den Anteil der sinnvoll genutzten Besprechungszeit gerade einmal auf 44 Prozent (Barco, Rethinking Collaboration, 2018).
- Eine Studie von Ter Hoeven et al. (2016) fand heraus, dass Videokonferenzen den Stress bei der Arbeit erhöhen, insbesondere bei Tätigkeiten, die den Arbeitnehmenden eine hohe Konzentrationsfähigkeit abverlangten.
- Das Journal of Business Research publizierte 2021 eine Studie, die das Organisationsverhalten in Unternehmen über zehn Jahre hinweg untersuchte. Das Ergebnis war, dass 90 Prozent der Mitarbeitenden die Meetings als "kostspielig" und "unproduktiv" empfanden. Gleichzeitig stieg die Arbeitsproduktivität pro Mitarbeitenden um 70 Prozent, nachdem Meetings um 40 Prozent reduziert wurden.
Die negativen Auswirkungen von zu vielen und von unproduktiv gehaltenen Meetings auf Gesundheit, Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität liegen also auf der Hand und lassen sich sogar mit Hilfe von Studien belegen.
Neue Ausrichtung von Meetings kann kleine Wunder bewirken
Fast jedes Meeting, das für eine bestimmte Dauer angesetzt war, typischerweise eine Stunde, dauert auch so lange. Konsequentes Kürzen der Dauer auf maximal 45 Minuten in Kombination mit "Time Boxing" kann hier Abhilfe schaffen. Bei Letzterem wird für einzelne Punkte der Agenda festgelegt, wie viel Zeit darauf verwendet werden soll. Danach wird die aufgewendete Zeit pro Agendapunkt gemessen.
Eine solide Moderation eines Meetings ist unabdingbar, damit Time Boxing stringent umgesetzt wird. Gleichermaßen sollte die Moderation direkt eingreifen, wenn Abschweifungen von der ursprünglichen Agenda stattfinden.
In vielen Meetings werden zudem diverse Themen miteinander vermischt. Themen werden angerissen und plötzlich auftretende Grundsatzfragen können den ursprünglichen Grund des Meetings leicht in den Hintergrund rücken lassen.
Beispiele für eine produktive und gesunde Meetingkultur
Eine weitere Möglichkeit, um im Team Lösungen zu finden und schwierige Situationen aufzubrechen, können Workshopformate anstelle von Meetings sein. So können Workshops, die im Design-Thinking-Modus angelegt sind, direkt bei den Bedürfnissen der Teilnehmenden ansetzen und diese schnell von einem passiven Modus hin zu einem Modus des aktiven Teilnehmens und Teilhabens an einer Lösung bringen.
Das Einrichten sogenannter No-Meeting-Zeiten, also Zeiten, in denen ausschließlich Fokusarbeit betrieben wird, erfordert ein Umdenken. Gleichzeitig zeigen Beispiele aus der Praxis, dass eine solche Fokusarbeit zu erhöhter Produktivität bei gleichzeitiger Stressreduktion führt. In einer solchen Phase sollten weder Meetings noch bilaterale Abstimmungen stattfinden. Außerdem sollten Tätigkeiten wie das Kontrollieren von E-Mails oder andere Routinearbeiten konsequent vermieden werden.
Gerade in Zeiten von Remote-Arbeit sollten Unternehmen auch die Chancen zu asynchronem Arbeiten nutzen. Bei einer Anwesenheit im Büro fällt Mitarbeitenden asynchrones Arbeiten oft leichter. Bilaterale Abstimmungen oder spontane Gespräche reduzieren den Aufwand von Meetings erheblich. Ein Tipp zum Nutzen von Asynchronität ist eine strukturelle Aufstellung, welche Themen ein Meeting erforderlich machen und welche Themen andere Arten der Abstimmung erfordern.
Bei regelmäßigen Meetings lassen sich sogenannte "Dailies", die der kurzen täglichen Synchronisation dienen, von wöchentlichen Statusupdates und monatlichen Steuerungsmeetings unterscheiden. Gerade bei den regelmäßig angelegten Meetings ist darauf zu achten, dass diese dem konstruktiven Austausch und der Synchronisation dienen. Oft kann man beobachten, dass gerade solche Meetings zu reinen Pflichtmeetings verkommen, da aus der Regelmäßigkeit eine lästige Routine geworden ist.
Ein erster Schritt kann die Überprüfung des Projekt- oder Programmkalenders sein mit der Fragestellung: Welche Meetings werden wirklich regelmäßig gebraucht? Viele Dinge lassen sich auch ad-hoc klären, ohne dass auf einen Jour fixe gewartet werden muss? Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Begrenzung des Teilnehmerkreises auf diejenigen, die in einem Jour fixe informiert werden sollten oder zu einer Entscheidung einen Beitrag leisten können.
Drei Voraussetzungen für eine neue Meetingkultur
Einige der genannten Lösungsansätze sind vielleicht bekannt, trotzdem fehlt es oft an konsequenter Umsetzung. Das liegt daran, dass den meisten Führungskräften die stringente Bereitschaft zur Umsetzung fehlt. Das Problem wird zwar erkannt, aber die Lösung wird nicht konsequent genug gesucht. Der Weg zu einer besseren Meetingkultur ist beschwerlich, denn er erfordert erst einmal eine Investition. Trotzdem zeigen sowohl Studien als auch die Praxiserfahrung, dass es sich lohnt, diesen Weg zu beschreiten.
Hierfür sind drei Komponenten unablässig, um eine etablierte Meetingkultur dauerhaft zu ändern: Dazu gehören eine klar kommunizierte und transparente Change-Strategie, eine konsequente und professionelle Umsetzung sowie ein deutliches Commitment seitens des Managements, diesen neuen Weg Richtung neuer Meetingkultur zu gehen.
Kulturelle Gründe verhindern die Umsetzung
Post-Corona stellt oft nur die Spitze des Eisberges dar. Weitere Gründe für ein erhöhtes Meetingaufkommen liegen tief verwurzelt in der Unternehmenskultur: Neben einem erhöhten Anteil an Teamarbeit spielen auch komplexe Hierarchiegefüge und kulturelle Hemmnisse gegenüber raschen Entscheidungen eine Rolle.
Gerade in traditionellen deutschen Unternehmen lässt sich auch oft ein erhöhtes Bedürfnis nach Konsensorientierung feststellen. Dies kann dazu führen, dass Entscheidungen verzögert stattfinden. Verzögerte Entscheidungen sind jedoch sehr kostspielig: Durch Multiplikatoreneffekte werden so oft Projektmeilensteine verschoben und Projekte später umgesetzt. Dies ist in Zeiten von hohen Ansprüchen an die "Time-To-Market" besonders wettbewerbsnachteilig.
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