Fallstricke bei der Gestaltung von Homeoffice und mobilem Arbeiten
Mit Beginn der Coronapandemie in Deutschland startete im März 2020 auch die Konstanzer Homeoffice-Studie des Future of Work Lab Konstanz. In dieser untersuchen Prof. Dr. Florian Kunze und sein Forschungsteam fortlaufend mit einer für die deutsche Erwerbsbevölkerung mit Bürotätigkeiten nach Alter und Geschlecht repräsentativen Stichprobe die Arbeitssituation rund ums Homeoffice. Alle Informationen und Studienergebnisse finden Sie auf der Studienhomepage und auch in dem Buch "Homeoffice und mobiles Arbeiten? Frag doch einfach!", welches 2021 veröffentlicht wurde. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse stammen aus der neuesten Studienbefragung vom April 2023 zum dreijährigen Jubiläum der Konstanzer Homeoffice-Studie, an der 645 Beschäftigte teilnahmen.
Homeoffice und mobiles Arbeiten: Mögliche Konflikte
Ortsunabhängiges Arbeiten scheint sich in den meisten Organisationen als fester Standard zu etablieren. Grundsätzlich geben 69 Prozent unserer Befragten an, dass sich ihre Arbeitssituation in Bezug auf Homeoffice und mobiles Arbeiten durch Corona verbessert hat, nur 10 Prozent verneinen dies. Beim Blick auf konkrete Wochentage sehen wir sogar eine Diskrepanz von 16 Prozent zwischen dem Wunsch, im Büro zu sein (46 Prozent) und der derzeitigen Realität (62 Prozent).
Doch stellt dieser anhaltende Boom der Flexibilisierung des Arbeitsorts, Organisationen und Führungskräfte auch immer vor die Frage, wem sie mobiles Arbeiten ermöglichen und welches Maß sie dabei verwenden. Klar ist, dass die Debatte über ein Recht auf Homeoffice überwiegend die Personen ausschließt, deren Tätigkeit zwingend in Präsenz erledigt werden muss. Hier haben Organisationen und Führungskräfte die Aufgabe, für mögliche Entlastungen an anderer Stelle zu sorgen, um Ungleichheit und Ungerechtigkeit im Unternehmen zu verhindern.
Doch es können auch Spannungen zwischen Mitarbeitenden entstehen, die ihre Tätigkeit grundsätzlich durchaus von zu Hause oder an dritten Orten aus erledigen könnten. Oft ist die Entscheidung, ob und wie viel Homeoffice möglich ist, von den Präferenzen der Führungskraft abhängig, was dazu führen kann, dass Mitarbeitenden derselben Abteilung, aber mit verschiedenen Vorgesetzten, unterschiedlich viel Spielraum beim mobilen Arbeiten eingeräumt wird. In unserer neuesten Erhebungswelle geben mit 25 Prozent jeder Vierte der Befragten an, dass es bei ihrem Arbeitgeber Spannungen unter den Mitarbeitenden gibt, weil manche im Homeoffice/mobil arbeiten dürfen und andere nicht.
Wer legt fest, wie viel mobiles Arbeiten möglich ist?
Spannungen zwischen Mitarbeitenden sowie Organisationen und Führungskräften in Bezug auf Homeoffice und mobiles Arbeiten können besonders, dann entstehen, wenn Mitarbeitende wenig Autonomie bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeitmodelle haben. Hier zeigt sich, dass nur 25 Prozent der Beschäftigten komplett autonom in der Festlegung ihre Menge an mobilem Arbeiten sind, bei einer ähnlichen Anzahl (23 Prozent) findet eine Festlegung innerhalb des Teams statt. Bei fast einem Drittel der Beschäftigten gibt es zentrale Vorgaben durch den Arbeitgeber und bei 20 Prozent bestimmt die Führungskraft die Menge an mobilem Arbeiten.
Emotionale Erschöpfung steigt, wenn die Führungskraft mehr Präsenz erwartet als der Mitarbeiter wünscht
Interessant ist es jetzt zu betrachten, was passiert, wenn es große Abweichungen bei den Vorstellungen der Beschäftigten und der Führungskräfte zum mobilen Arbeiten gibt. Grundsätzlich geben in unsere Studie 22 Prozent der Befragten an, dass ihre Führungskraft deutlich mehr Bürozeiten von ihnen einfordert, als es ihre eigene Präferenz ist – 62 Prozent erleben dies nicht und 16 Prozent antworten mit "teils, teils". Wenn man diese Ergebnisse über die erlebte emotionale Erschöpfung der Befragten legt, berichten Beschäftigte, deren Führungskraft mehr Bürozeit einfordert, mit einem Anstieg von 27 Prozent deutlich mehr über emotionale Erschöpfung (3,23; Skala aufsteigend von 1,0 bis 5,0) im Vergleich zu Beschäftigten, bei denen die Führungskraft das mobile Arbeiten unterstützt (2,36). Dies zeigt: Unterscheiden sich die Meinungen über mobiles Arbeiten zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden, stresst dies die Mitarbeitenden besonders stark.
Fazit: Mehr Transparenz und Mitbestimmung, weniger zentrale Festlegungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse unserer neuesten Erhebungswelle zeigen, dass Organisationen und Entscheidungsverantwortliche das Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten bewusst angehen müssen, um Unzufriedenheit bei Mitarbeitenden zu vermeiden. Wir sehen eindeutig, dass Mitarbeitende emotional erschöpfter sind, wenn ihre Führungskraft ihre Präferenzen für das mobile Arbeiten nicht unterstützt oder ihnen sogar die genaue Ausgestaltung vorschreibt.
Die Sorge, dass die Beschäftigten bei zu viel Freiheit gar nicht mehr ins Büro kommen möchten, ist unbegründet. Die Befragten unserer Studie geben mit 74 Prozent überwiegend an, hybrides Arbeiten zu bevorzugen, nur 19 Prozent möchten ausschließlich von zu Hause arbeiten.
Um Gefühle von Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu vermeiden, sollten die Wünsche der Mitarbeitenden möglichst wahrgenommen und beachtet werden. Es bietet sich an, Homeoffice-Präferenzen individuell abzufragen oder gemeinsam im Team festzulegen. Führungskräfte und Organisationen müssen aber natürlich auch Prozesse und Produktivität im Blick für die jeweiligen Tätigkeiten im Blick behalten, die manchmal eine reine Optimierung der Präferenzen der Mitarbeitende verhindern. Hier eine partizipative Kommunikation zu entwickeln, die es für die Angestellten nachvollziehbar macht, wie das hybride Arbeiten in ihrem Arbeitskontext ausgestaltet wird, ist hier zentral.
Buchtipp:
Kunze, F., Hampel, K., Zimmermann, S. (2021). Homeoffice und mobile Arbeit? Frag doch einfach. UTB Verlag, Stuttgart.
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