OKR: Führen mit Zielen im agilen Umfeld
In den 1970er-Jahren als Weiterentwicklung klassischer Zielvereinbarungen gedacht, sind die grundlegenden Ideen von "Objectives and Key Results" (OKR) in der heutigen, sich schnell wandelnden Arbeitswelt aktueller denn je. Mit der Methode verbinden Unternehmen ihr Leitbild mit konkreten Zielen, die für alle Mitarbeiter transparent und greifbar sind.
Definition: Objectives and Key Results (OKR)
OKR ist eine agile Methode, mit der Teams Ziele auf allen organisatorischen Ebenen eines Unternehmens entwickeln und managen. Dabei folgen die Mitarbeiter einem strukturierten Zielvereinbarungsprozess. Als "agiles Framework" stellt OKR Werkzeuge für Führung, Zielerreichung und Performance-Messung bereit und liefert einen Rahmen für agile Werte und Prinzipien (eine Definition agiler Methoden und die Abgrenzung zu agilen Techniken und Prinzipien finden Sie hier).
Unterschied zwischen Objectives und Key Results
Ein "Objective" (deutsch: "Ziel") steht für ein qualitativ formuliertes, inspirierendes Ziel, das die strategische Unternehmensausrichtung berücksichtigt. Es gibt eine Antwort auf die Frage "Wo will ich hin?".
"Key Results" (deutsch: "Ergebnisse") sind dagegen quantitativ messbare und in operative Maßnahmen überführbare Erfolgsparameter, die sicherstellen, dass die Umsetzungsteams auf dem richtigen Weg sind und den Kundennutzen nicht aus dem Blick verlieren. Sie behandeln die Frage "Was muss ich tun, um die Objectives zu erreichen und wie kann ich das messen?" Es gibt zwei Arten von Kennzahlen: Die "Lag Measures" versuchen Teams zwar zu beeinflussen (wie Gewinn oder Umsatz), sie können aber nicht direkt gesteuert werden. Teams können nur Einfluss auf indirekte Maßnahmen nehmen, wie Marketing- oder Sales-Aktionen. Diese werden als "Lead Measures" bezeichnet und sollten bei der Zielformulierung bevorzugt werden.
Objectives and Key Results vs. KPI
Key Results sind nicht zu verwechseln mit den so genannten Key Performance Indicators (KPIs), die in vielen Unternehmen als Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung verwendet werden. Der KPI-Wert misst die Leistung von Aktivitäten in Unternehmen. Die OKR sollten getrennt vom KPI betrachtet werden.
Die wichtigsten Kennzahlen werden im OKR-Kontext als "Health Metrics" bezeichnet. Ein Team sollte in einem Zyklus den Fokus nicht auf mehr als vier OKR legen. Andere Ziele, die im Alltagsgeschäft umgesetzt werden – wie Kundenprojekte oder die Zufriedenheit im Team – können dagegen ausgelagert und deren Erreichung mit den Health Metrics gemessen werden. Sollten sich die Health Metrics dauerhaft verschlechtern, müssen die Führungskräfte intervenieren.
Moals: Midterm Goals
Bevor der OKR-Prozess startet, legen Unternehmen mittelfristige Ziele fest, die als "Midterm Goals" oder kurz "Moals" bezeichnet werden. Diese gelten oft für einen Zeitraum von einem Jahr. Moals sind die "großen Themen", die auf das Unternehmen zukommen. Sie werden von der Mission oder Vision des Unternehmens abgeleitet.
OKR: Abstrakte Unternehmensmission greifbar machen
Die beiden Elemente "Objectives" und "Key Results" sollen eine abstrakte Unternehmensmission oder -vision für den einzelnen Beschäftigten beziehungsweise für Teams aus Mitarbeitern sichtbar machen. Durch das Zusammenspiel der beiden Elemente entsteht eine für jeden transparente Verbindung zwischen Unternehmensleitbild und individuellen Key Results. Die Methode setzt hierbei auf eigenständige, crossfunktionale Teams, agile Kompetenznetzwerke, flache Hierarchien und orientiert sich stark am Kundennutzen.
Geschichte: Objectives and Key Results (OKR) vs. Management by Objectives (MbO)
Das OKR-Konzept geht auf Andy Grove zurück. Der Mitbegründer von Intel führte Objectives and Key Results in den 1980er-Jahren beim Chiphersteller ein. Um sich möglichst schnell von einem Speicher-Unternehmen zu einem Micro-Prozessor-Unternehmen zu wandeln, versuchte Grove die Idee der klassischen Zielvereinbarung weiterzuentwickeln. Hierzu wandelte er die Methode "Management by Objectives" (MbO) an vielen Stellen ab: Der Fokus von OKR lag nun auf weniger Zielen, den Zyklus änderte er von jährlich in vierteljährlich. Außerdem machte er alle Ziele allen Mitarbeitern zugänglich und sorgte dadurch für mehr Transparenz.
Zum Durchbruch verhalf John Doerr der Methode: Ende des 20. Jahrhunderts brachte er OKR zu Google. Dort entwickelte sich die Methode schnell zur Erfolgsgeschichte und wird heutzutage oft als "Wunderwaffe" für ein schnelles Unternehmenswachstum angesehen. Bis heute kommt die Methode oft in Tech-Software-Startups zum Einsatz, jedoch greifen auch etablierte Unternehmen aus anderen Branchen auf OKR zurück, um neue strategische Handlungsfelder zu bestimmen und Changeprozesse zu managen.
Prinzipien von Objectives and Key Results
OKR setzt ganzheitlich an: Die Methode beginnt bei der Mission, Vision beziehungsweise Strategie eines Unternehmens und endet bei den täglichen Aufgaben jedes einzelnen Mitarbeiters.
Objectives and Key Results legen keinen starren Rahmen fest, der sich eins-zu-eins von einem Unternehmen auf ein anderes übertragen lässt. Vielmehr muss dieser immer individuell an die Gegebenheiten angepasst werden. Will ein Unternehmen die Methode einführen, sollte es dennoch vor dem Prozess die passenden organisationalen Bedingungen herstellen:
- Das Unternehmen richtet alle Aktivitäten anhand seiner strategischen Prioritäten aus, gleichzeitig wandert die Verantwortlichkeit in die jeweiligen Umsetzungsteams.
- Die Organisationsstruktur fördert Selbstentwicklungspotenziale, Reaktionsfähigkeit und Netzwerkbildung. Flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege sowie mehr Freiheiten für die Mitarbeiter sind ein guter Nährboden für OKR.
- Ein agiles Mindset ist ein wichtiger Treiber. Erfahrungen mit agilen Methoden, Werten und Prinzipien sind förderlich (einen Überblick über verschiedene agile Methoden wie Scrum oder Kanban erhalten Sie in unserem Top-Thema zu agilen Methoden in HR).
- Die Unternehmenskultur ist von Vertrauen, wertschätzender Kommunikation sowie einer offenen Fehlerkultur geprägt.
- Teams werden nicht um Projekte, sondern um Produkte gebildet und sind möglichst crossfunktional aufgebaut.
- Im Unternehmen muss eine von Transparenz geprägte Kultur herrschen. Es sollte allen am Prozess beteiligten Personen vor dem Start klar sein, welche Probleme mit OKR gelöst werden sollen.
OKR-Methode: Schrittweise Einführung
Der OKR-Framework sollte an die Struktur des jeweiligen Unternehmens angepasst werden, da es keinen "One-size-fits-all"- Ansatz gibt und OKR keine standardisierte Methode darstellt. Eine schrittweise Einführung bietet sich daher an, zum Beispiel durch Pilotprojekte in einzelnen Abteilungen, ehe OKR schließlich im ganzen Unternehmen implementiert wird. Bei den Key Results ist ein gemischter Top-down- und Bottom-up-Ansatz förderlich. Die Umsetzungsteams sollten bei der Zielformulierung mindestens mit einbezogen werden, wenn nicht sogar autonom ihre Key Results festlegen.
Ablauf von OKR: Kurze Zyklen, Transparenz und ambitionierte Ziele
Innerhalb von kurzen Zyklen von zwei bis vier Monaten, versuchen die Umsetzungsteams die OKRs zu erreichen. Der typische OKR-Zyklus startet mit einer Zielvereinbarungsphase, in der die Ziele in einem Workshop ermittelt werden. Aus vielen verschiedenen Objectives und Key Results werden diejenigen für den kommenden Zyklus ausgewählt, die die höchste Priorität haben und die die Teams in diesem Zeitraum auch erreichen können.
Während des Prozesses tauschen sich die Teammitglieder in wöchentlichen Sitzungen ("OKR Weekly") über den aktuellen Stand der Zielerreichung aus, bevor die Teams am Ende des Zyklus in einem "OKR Review" Bilanz ziehen. Abgeschlossen wird der Prozess mit einer agilen Retrospektive. Bevor der Zyklus mit der neuen Zielvereinbarungsphase von vorne beginnt, können gegebenenfalls die Moals und das Leitbild angepasst werden.
Im gesamten Verlauf ist Transparenz über Hierarchien (vertikal) und Abteilungen (horizontal) hinweg entscheidend. Alle Ziele sollten allen Beschäftigten des Unternehmens klar sein. Außerdem bietet es sich an, das Tagesgeschäft in die OKRs zu integrieren und nicht beide Themen losgelöst voneinander zu betrachten. Denn sonst könnten die Teams entweder die OKRs oder das tägliche Geschäft vernachlässigen.
Vorteile von Objectives and Key Results
Die Teams, die weitestgehend autonom arbeiten, identifizieren sich deshalb nicht nur verstärkt mit den individuellen Zielen, sondern aufgrund der hierarchieübergreifenden Transparenz auch mit dem Unternehmensleitbild beziehungsweise dem "großen Ganzen". Daneben arbeiten die Teams effektiver, sobald alle Beteiligten die zugrundeliegenden Werte der Methode verinnerlicht haben. Denn OKR hilft (agilen) Teams, sich zügig auf neue strategische Prioritäten auszurichten und eine schnelle, maximal wertorientierte Produktion umzusetzen.
Nachteile der OKR-Methode
Die Managementmethode benötigt anfangs viel Geduld. Zum einen wird der Zeitaufwand zunächst größer, weil innerhalb und zwischen den Teams mehr kommuniziert werden muss. Zum anderen werden die Erfolge in den Teams oft erst nach zwei bis drei Iterationen oder noch später sichtbar, da Ursache und Wirkung lediglich retrospektiv erkennbar sind. Ein erhöhter Zeitaufwand ergibt sich auch daraus, dass alle Mitarbeiter geschult werden müssen, bevor Unternehmen die Methode einführen. Alle Beteiligten sollten das Mindset von OKR verinnerlicht haben. Ein weiterer Nachteil von OKR ist, dass sich der Erfolg der Methode nur schwer messen lässt: Nur weil ein Team die OKRs erreicht hat, muss es nicht erfolgreich gewesen sein. Die Ziele könnten auch zu niedrig oder falsch gesetzt gewesen sein.
Rollen der Mitarbeiter: Zertifizierung zum OKR-Master
Ob OKR-Master, OKR-Manager oder OKR-Champion: Es gibt zahlreiche Bezeichnungen für "OKR-Experten", die bei der Implementierung und innerhalb des Prozesses eine zentrale Rolle einnehmen. Der OKR-Master ist angelehnt an den "Scrum-Master" und hat eine vielschichtige Rolle: Er ist Experte, Coach und Prozesswächter in einer Person. Er erkennt kritische Dynamiken innerhalb des Prozesses frühzeitig und bearbeitet diese, sodass sich die Teams voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Außerdem hilft der OKR-Master dabei, Frustrationsmomente zu überwinden. Angehende OKR-Experten können sich bei verschiedenen Beratungsunternehmen zertifizieren lassen. Die bekanntesten Anbieter sind Die Agilen, Murakamy, Kudernatsch Consulting & Solutions und Workpath.
Software und Tools für Objectives and Key Results
Während des OKR-Prozesses bieten sich einige Softwarelösungen (Software as a Service), Tools und Templates an, mit deren Hilfe alle Objectives und Key Results sowie der aktuelle Grad der Zielerreichung für alle Teammitglieder visualisiert werden können. Die bekanntesten Anbieter sind Workboard, Confluence, Google Docs, Workpath, Ally, Perdoo, Betterworks, Asana, Profit, 7Geese, Talentcove und Weekdone. Einige Tools lassen sich auch in andere Softwareplattformen wie Microsoft Teams integrieren.
Verwendung von OKR im HR-Bereich
HR-Abteilungen können innerhalb der Unternehmen anregen, Objectives and Key Results einzuführen und damit die Grundlage für eine agile Organisationsstruktur legen. Daneben können OKR auch innerhalb der Personalabteilung zum Einsatz kommen und HRler dabei unterstützen, neue Strategien in greifbare Zielparameter zu zerlegen.
Beispiel:
Objective: "Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterzufriedenheit deutlich verbessern."
Key Result: "Plane ein monatliches Motivations-Teammeeting."
Key Result 2: "Interviewe ausführlich 20 junge Mitarbeiter, um die Bedürfnisse und Sorgen der Mitarbeitenden abzufragen."
Key Result 3: "Rege in der Geschäftsführung an, einen Vertrag mit einem Firmenfitness-Anbieter zu schließen, damit Mitarbeiter in verschiedenen Schwimmbädern, Fitnesscentern und Kletterparks Vergünstigungen erhalten."
Key Result 4: "Führe eine monatliche Mitarbeiterbefragung durch, in der der Stand der Mitarbeiterzufriedenheit messbar wird. Verbessere die Mitarbeiterzufriedenheit um zehn Prozent."
Am Ende des Iterationszyklusses wird bilanziert, wie viele und welche Key Results erfüllt wurden und wo es im kommenden Zyklus Nachholbedarf gibt.
Besuchen Sie auch unsere Themenseite Performance Management und unsere Themenseite Zielvereinbarung.
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