Mehr Engagement für OKR, bitte!
In modernen Unternehmen hängt der Erfolg in erheblichem Maße davon ab, in welchem Umfang die Mitarbeitenden die strategische Orientierung der Organisation nachvollziehen können und sich mit den Zielen der Organisation identifizieren. In vielen Unternehmen gelingt dies in der Praxis leider nur unzureichend. Daraus resultieren für viele Unternehmen nicht nur direkte negative Effekte durch die mangelnde Strategieimplementierung und Zielverfehlung, sondern auch indirekte negative Auswirkungen, zum Beispiel durch eine schlechte Stimmung im Unternehmen und in den Teams, niedrige Motivation und Bindung der Mitarbeitenden.
Zielerreichung mit "Objectives and Key Results"
OKR, oder "Objectives and Key Results", werden von immer mehr Unternehmen als moderne Methode zur Steuerung der strategischen und operativen Zielerreichung gesehen, die einige der Probleme anderer Methoden aus diesem Bereich erfolgreich adressiert. In einer Serie von Studien der Hochschule für Technik Stuttgart und Haufe Talent zeigte sich, dass diese Hoffnungen durchaus berechtigt sind und für Personalabteilungen eine Chance darstellen.
Objectives und Key Results stellen ein agiles Management Tool und Framework dar, das es ermöglicht, die langfristige Vision eines Unternehmens mit den Zielen der Teams und der Mitarbeitenden auf Basis eines partizipativen Ansatzes zu verbinden. Die Zyklen, welche drei bis vier Monate dauern, erlauben es, schnell auf neue Marktgegebenheiten zu reagieren und einen klaren Fokus zu legen. Objectives bezeichnen qualitative, inspirierende Ziele, welche die strategische Unternehmensrichtung vorgeben. Key Results sind die messbaren Ergebnisse, die erzielt werden müssen, um die Objectives zu erreichen. Die regelmäßige Reflexion bezüglich des Fortschritts und der Zuversichtlichkeit der Zielerreichung sind fester Bestandteil des OKR Frameworks. (Details zum OKR-Prozess lesen Sie hier.)
Studien zeigen, wie OKR wirkt
In den Studien der Hochschule für Technik Stuttgart und Haufe Talent zeigte sich deutlich, dass OKR einen positiven Effekt auf die Sichtweise von Mitarbeitenden und auch von Führungskräften haben (siehe Abbildung unten). So ergab die größte der Studien mit 415 Personen aus Unternehmen verschiedener Branchen, Unternehmensgrößen und Ländern, dass Personen in Unternehmen, in denen die OKR-Methodik genutzt wird, die strategischen Ziele der Organisation besser nachvollziehen können (65 Prozent der Befragten stimmen eher beziehungsweise voll und ganz zu) im Vergleich zu Mitarbeitenden in Unternehmen ohne OKR-Methodik (nur 46 Prozent stimmen eher beziehungsweise voll und ganz zu).
Weiterhin halten OKR-Nutzende die Implementierung der Strategie für gelungener im Vergleich zu Personen, die keine OKR-Methodik nutzen (58 Prozent versus 39 Prozent). Da verwundert es nicht, dass sie auch den Unternehmenserfolg als höher wahrnehmen (64 Prozent versus 39 Prozent) und die Unternehmenskultur als positiver ansehen (66 Prozent versus 36 Prozent). Nicht zuletzt sind sie zufriedener mit ihrer Arbeit im Team (83 Prozent versus 71 Prozent) und im gesamten Unternehmen (76 Prozent versus 58 Prozent).
Zudem werden Unternehmen, die OKR nutzen, von ihren Mitarbeitenden als agiler wahrgenommen (78 Prozent versus 58 Prozent). Unternehmen können sich durch die Nutzung von OKR die von vielen Mitarbeitenden heute geforderte Agilität ins Unternehmen holen und damit die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihrer Organisation erhöhen. Vertiefende statistische Analysen zeigen, dass die höhere Einschätzung der Agilität bei OKR-Nutzenden in den vorliegenden Studien für einen Teil der höheren Zufriedenheit mit dem Team und der gesamten Organisation verantwortlich ist.
OKR schafft Mehrwert für Personal
Die Nutzung von OKR zeigt also über ihre eigentliche Aufgabe der Steuerung der strategischen Zielverfolgung hinaus positive Auswirkungen. Die positivere Wahrnehmung der Unternehmenskultur und der Zusammenarbeit in der Organisation sind hier zwei sehr wichtige Beispiele. Auch wenn die Kausalität der Ergebnisse noch nicht abschließend geklärt ist, zeigen solche positiven Zusammenhänge, dass das OKR-Framework auch für Personalbereiche interessant ist, die nach Möglichkeiten suchen, die Unternehmenskultur und die Zusammenarbeit in Teams positiv zu beeinflussen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es überraschend, dass nur in knapp 20 Prozent der Unternehmen die Personalabteilungen die Verantwortung für die Einführung von OKR tragen. Das ist zwar nach dem Management (mit rund 40 Prozent) der Bereich, der am häufigsten die Implementierungsverantwortung übernimmt. Schaut man sich allerdings die oben dargestellten Themenfelder an, so sind diese für die moderne Personalarbeit von so zentraler Bedeutung, dass es für Personalbereiche in ihrem ureigenen Interesse liegt, die Implementierung und Umsetzung der OKR-Methodik in ihren Unternehmen in die Hand zu nehmen. Vor diesem Hintergrund muss aus einer Personalperspektive der Anteil der OKR-Einführungen insgesamt und der Anteil der Implementierung, die durch Personalbereiche verantwortet werden, deutlich höher werden.
Die OKR-Implementierung eröffnet Personalabteilungen die Möglichkeit, einige ihrer zentralen Themen wie Gewinnung, Motivation und Bindung von Mitarbeitenden besser umzusetzen und damit einen hohen Mehrwert für die Organisation als Ganzes zu schaffen. Auch zeigte sich in den vorliegenden Studien, dass der Erfolg der Implementierung in Unternehmen, in denen der Personalbereich die Verantwortung hatte, genauso hoch war, wie bei Unternehmen, in denen das Management direkt die Verantwortung für die Implementierung übernahm. Den Personalabteilungen fehlt es also weder am Know-how für einen solchen Change-Prozess noch an der nötigen Durchsetzungskraft. Die positiven Effekte auf das eigene Arbeitsfeld sowie die positiven Erfahrungen aus anderen Unternehmen sollte Personalabteilungen ermutigen, an dieser Stelle mehr Verantwortung zu übernehmen und das Thema OKR auch in ihrem Unternehmen aktiv voranzutreiben.
Was bei der Implementierung von OKR wichtig ist
Wenn der Personalbereich die Implementierung übernimmt, lassen sich aus den bisherigen Studien bereits eine Reihe von wichtigen Herausforderungen identifizieren, die unbedingt adressiert werden sollten. Zu Beginn der Implementierung sollte auf jeden Fall klar kommuniziert werden, warum OKR im Unternehmen eingeführt werden. Gleichzeitig sollte auch ein einheitliches Verständnis des Frameworks im Unternehmen geschaffen werden. Bei der Implementierung des Frameworks sollte dieses in bestehende Prozesse und in die Unternehmenskultur integriert und auf die Arbeitsprozesse der einzelnen Unternehmensbereiche angepasst werden. Eine Pilot-Implementierung in einzelnen Bereichen kann wertvolle Erfahrungen schaffen und gleichzeitig bei den Mitarbeitenden Unsicherheit vor der Umstellung nehmen.
Der Personalbereich kann hier selbst als Pilotbereich vorangehen. Dabei ist es sinnvoll, gezielt Teams mit vielen Schnittstellen beziehungsweise Überlappungen in den Aufgabenbereichen zwischen den Personen und Teams, wie zum Beispiel im Recruiting, im Onboarding oder in der Personalentwicklung, auszusuchen, da dort die Vorteile der Methodik am unmittelbarsten sichtbar werden. Es empfiehlt sich auch, frühzeitig intern Experten aufzubauen, die als erste OKR-Master den Prozess unterstützen und als Change Agents Ansprechpartner für neue Bereiche sind. Dieses Vorgehen hat auch den positiven Nebeneffekt, dass hier interne Kolleginnen und Kollegen (aus dem Personalbereich) neue, für sie und das Unternehmen relevante, Kompetenzen erwerben. Die Bereitstellung von erprobten OKR-Beispiel-Formulierungen erleichtert den Teams und Abteilungen den Start mit der neuen Methodik.
Die 11 wichtigsten Punkte bei der Einführung von OKR:
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Die Förderung der Vernetzung der Teams und Bereiche untereinander und einer Transparenz der Ziele ist ebenfalls wichtig und kann mit einer einheitlichen IT-Plattform zusätzlich gefördert werden. Auf der Teamebene ist es zentral, dass die Führungskräfte ihre Teams als Coach unterstützen können und gegebenenfalls auf diese Rolle konsequent vorbereitet werden. Nur so können sie die Veränderung der internen Abläufe, aber auch der Unternehmenskultur optimal unterstützen. Eine solche Veränderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Partizipation und Kritikfähigkeit ist in vielen Unternehmen ebenfalls sehr wichtig, um eine effiziente Einführung der OKR-Methodik zu garantieren und dessen Potenzial maximal auszuschöpfen.
Die Aktivierung und Aufrechterhaltung der Lernbereitschaft ist eine weitere zentrale Herausforderung. Die kontinuierliche Nutzung und Umsetzung der Methodik auf allen Ebenen ist dabei zentral und unterstreicht die nötige Kontinuität und Konsequenz beim Einsatz der Methodik. In der oben dargestellten Studie hat sich außerdem gezeigt, dass die Einbindung externer Unterstützung in der Konzeptions- und Initiierungsphase durchaus sinnvoll sein kann. Der Anteil der Unternehmen, die externe Hilfe hinzugezogen haben, ist bei den erfolgreichen Implementierern höher als bei den nicht erfolgreichen Implementierern.
HR sollte Federführung übernehmen
Die genannten Herausforderungen zeigen auf, dass die Einführung von OKR durchaus eine komplexe Aufgabe für ein Unternehmen darstellt. Sie machen aber auch klar, dass Personalabteilungen eine zentrale Rolle in dieser Implementierung spielen sollten. Viele der Herausforderungen fallen in die zentralen Kompetenzbereiche moderner Personalabteilungen und werden entsprechend zu einem erheblichen Teil auf den Schultern des Personalbereichs lasten. Umso sinnvoller erscheint es dann auch, den Prozess der Implementierung und Weiterführung federführend im Personalbereich selbst zu verantworten. Die positiven Auswirkungen einer erfolgreichen OKR-Einführung auf die gesamte Organisation sprechen dafür, dass Personalabteilungen, die einen echten Mehrwert für ihr Unternehmen schaffen möchten, eine noch aktivere Rolle in der Einführung und Weiterführung der OKR-Methodik in ihren Unternehmen einnehmen sollten.
Dieser Beitrag ist zuvor erschienen in Personalmagazin Ausgabe 3/2023. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.
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