Onboarding-Apps: Ein Überblick

Erst hat man viel Geld ausgegeben, um neue Fachkräfte zu finden, und dann das: Zwischen Vertragsunterzeichnung und den ersten 100 Tagen beim neuen Arbeitgeber sind viele schon wieder weg oder haben die Stelle überhaupt nicht angetreten. Onboarding-Apps können Abhilfe schaffen. Sie sollen Mitarbeitende schnell ans Unternehmen binden, Organisationen entlasten und ins selbstbestimmte Lernen führen.

Der erste Eindruck entscheidet. Das gilt nicht nur im persönlichen Bereich, sondern auch beim Onboarding, beim Kennenlernen des Arbeitgebers. Bewerbende unterschreiben zwar den Arbeitsvertrag, aber wenn sich noch vor Arbeitsbeginn etwas Besseres bietet oder die Zeit bis dahin ungenutzt verstreicht, tauchen sie nicht einmal auf. Diese Erfahrung haben schon viele Personalabteilungen gemacht, wie die Ergebnisse von Haufe oder Softgarden zeigen. Effektive Onboarding-Apps leiten einen Dialog mit neuen Mitarbeitenden ein, der unabhängig davon ist, wo sie sich gerade befinden und wie früh oder spät es gerade ist. Die App auf dem Smartphone als ständiger Begleiter stellt eine Möglichkeit dar, einen von Zeit und Ort unabhängigen Preboarding-Prozess einzuleiten und das Onboarding wirksam zu gestalten. 

Dabei geht es einerseits um Verwaltungsprozesse: Die meisten Apps ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihre persönlichen Daten und notwendigen Unterlagen über die App einzugeben und hochzuladen, sodass alles bereits erledigt ist, wenn der erste Arbeitstag beginnt. Einige Systeme ermöglichen es, die eigene Ausstattung  zu bestellen, sich also selbst darum kümmern zu können, dass bei Arbeitsantritt Dienstlaptop und Smartphone bereit liegen oder der Zugang zum Firmennetzwerk gewährleistet ist. Die Personalabteilung wiederum kann über die App Prozesse automatisieren und alle individuellen Funktionen freischalten, die dem neuen Mitarbeitenden später auch am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen sollen und die mobil genutzt werden können. Auch die Einladung zu Preboarding-Events, die Hilfestellung bei Umzug und Wohnungssuche oder erste Aufgaben können über die App als zentrale Kommunikationsplattform kommuniziert und zugewiesen werden.

Onboarding mittels App: Mitarbeiterbindung vor Tag 1

Andererseits dient die App dem Knüpfen von Kontakten und der Mitarbeiterbindung – von Anfang an: Die Nutzer und Nutzerinnen können schon vor dem ersten Arbeitstag ihr eigenes Profil freischalten und mit zukünftigen Kollegen und Kolleginnen Kontakt aufnehmen oder Infos über und aus dem Unternehmen erhalten. Sie sehen dort ihren Einarbeitungsprozess abgebildet und wissen so jederzeit, wo sie stehen oder wie es für sie weitergeht. Die Onboarding-Journey jederzeit im Blick zu haben, gibt Sicherheit, wo sich noch keine Sicherheit angesichts kaum bekannter Kollegen und Vorgesetzter oder möglicher Entwicklungswege einstellen konnte. 

Gleichzeitig sind die meisten Onboarding-Apps auch Lern-Apps. Über die Apps können Schulungen terminiert oder als E-Learning in verschiedenen Formaten eingestellt und absolviert werden, einige Apps ermöglichen sogar die Content-Produktion. Mit Quizz- und Feedbackfunktionen lässt sich das erlernte Wissen spielerisch überprüfen. Apps, die sich auf die schnelle Einarbeitung von Mitarbeitenden im Servicebereich konzentrieren, können das benötigte Wissen schnell bereitstellen, ob als PDF-Dokument, im Videoformat oder per Chatfunktion.

Aufseiten der IT sollte eine Onboarding-App Schnittstellen (API: Application Programming Interface) zur Verfügung stellen, die eine reibungslose Integration mit oder Anbindung an vorhandene HR- und Lernplattformen erlaubt. Die verschiedenen Apps lösen die Aufgabe, neue Mitarbeitende ins Unternehmen zu integrieren und dafür zu begeistern, auf unterschiedliche Art und Weise. Die folgende Auswahl für den deutschsprachigen Markt enthält Beispiele mit unterschiedlichen Schwerpunkten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Vor allem spielerisches Lernen

Die App "Ovos Play" der 2004 gegründeten Ovos Media GmbH aus Wien trägt das Spiel nicht nur im Namen, sondern setzt ganz auf Microlearning und Gamification. Egal, ob es um Preboarding, Onboarding, Training oder die Lehrlingsausbildung geht, das Lernen sollte spielerisch erfolgen und Spaß machen, sagen die Macher, die für jeden dieser Bereiche eine Lösung anbieten.

Die App umfasst eine digitale Willkommensmappe und individuelle Lernpfade für unterschiedliche Standorte, Abteilungen oder Positionen. HR soll mit einem reduzierten administrativen Aufwand entlastet werden und kann die Fortschritte der Mitarbeitenden über ein Dashboard nachverfolgen. Für die eigenen Lerninhalte gibt es ein "Content- Creation-Tool" mit Vorlagen. Die Lösung steht cloud-basiert oder On-Premise zur Verfügung. Das Preismodell in den drei Stufen Starter, Professionell und Premium richtet sich nach der Anzahl der Nutzer und Nutzerinnen. Angesprochen werden sowohl kleine Unternehmen bis 100 Mitarbeitende als auch größere Unternehmen. 

Frontline-Mitarbeitende mittels Onboarding-App schnell einarbeiten

Das Onboarding von Mitarbeitenden im Einzelhandel, im Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Gesundheitswesen, Baugewerbe oder in der Fertigungsindustrie stellt eine besondere Herausforderung dar. Sie haben in der Regel keinen Computerarbeitsplatz, sollen schnell produktiv werden, wechseln aber auch häufig und es gibt in einigen Bereichen eine hohe Fluktuation. Dafür hat das 2012 in Zürich gegründete Unternehmen Beekeeper AG (seit 2019 als Beekeeper GmbH auch in Berlin präsent) ein "Frontline Success System" für den mobilen Einsatz entwickelt, zu dem seit kurzem auch eine Onboarding-Anwendung gehört. Das Onboarding-Programm ist eine skalierbare Lösung.

Die App erlaubt Mitarbeitenden, mit ihrem Smartphone auf wichtige Informationen zuzugreifen, sodass sie sofort in die Arbeitsabläufe eingebunden werden können. Eine E-Mail-Adresse oder ein Passwort sind nicht nötig. Die App liefert Willkommensnachrichten und Orientierungsvideos, Informationen zu Schulungen, Leitfäden und Policies und Feedback-Formulare. Der Zugriff auf Unterlagen erfolgt zum Beispiel per QR-Code. Die App dient auch als Kommunikationsplattform, über welche die Personalabteilung in einem systematischen Prozess die wichtigsten Informationen und Aufgaben strukturiert übermitteln und Fortschritte nachverfolgen oder in Echtzeit kommunizieren kann. Über eine Schnittstelle  lässt sich die App mit dem vorhandenen HR-Informationssystem oder LMS vernetzen. Die Lösung steht als Software-as-a-Service (SaaS) zur Verfügung. 

Onboarding und Reboarding

Myonboarding.de heißt die Internet-Adresse der Haufe Onboarding Software, einem Angebot der Haufe-Lexware GmbH, Freiburg. Onboarding-App und Onboarding-Management-Software bilden eine Einheit, die Führungskräften wie Personalern und Personalerinnen ermöglicht, die Onboarding-Journey zu gestalten und jederzeit den Überblick über den Onboarding-Prozess zu behalten. Explizit angesprochen werden mit der App nicht nur neue Mitarbeitende (Pre- und Onboarding), sondern auch solche, die eine Auszeit zum Beispiel in Form von Elternzeit hatten oder aber im Unternehmen die Position wechseln (Reboarding). 

Die Onboarding-Management-Software ist ein Content- und Taskmanagement-System mit einem Editor, mit dem sich Inhalte erstellen und Aufgaben genau terminieren lassen. Das System macht es einfach, Onboarding als individuelle Reise zu gestalten und leicht auf Zielgruppen, Standorte oder Berufsgruppen anzupassen. Alle Informationen zum neuen Mitarbeitenden bzw. zur neuen Mitarbeiterin finden die Verantwortlichen direkt auf einen Blick im "HR Control Center". Die App steht als Web-App oder über den Apple Appstore und Google Playstore zur Verfügung. 

LGBTQ-Zielgruppe mitgedacht

Nichts weniger als Onboarding revolutionieren will die 2012 gegründete Talmundo B.V. aus Amsterdam in den Niederlanden, die seit 2019 zur Talentech Gruppe gehört, einem Verbund junger HR-Tech-Unternehmen. Zu diesem Ansatz gehört unter anderem ein digitaler, KI-gesteuerter Chatbot und die nahtlose Integration in bestehende HR-Systeme, von denen ausdrücklich SAP, Workday und Taleo genannt werden. Das System setzt auf ständige Optimierung durch Daten, die unter anderem Rückschlüsse auf Hindernisse und Probleme, aber auch besonders erfolgreiche Aktionen und Inhalte zulassen. Interne Benchmarks sollen helfen, Stärken und Schwächen zu identifizieren, um diesen gleich beim Onboarding begegnen zu können. Die Unternehmen haben außerdem die Möglichkeit, ihre Prozesse mit einer In-App-Onboarding-Akademie weiterzuentwickeln und zu erweitern. 

Das Onboarding-Toolkit ist darauf ausgelegt, globale Organisationen zu unterstützen, ermöglicht aber zugleich, komplett in die Prozesse der Organisation vor Ort eingebunden zu werden. Das System umfasst unter anderem die drei Onboarding-Säulen Begrüßungsprogramm mit einem Self-Service-Portal, Buddy-System und Schulungen. Außerdem werden Konzepte für das Onboarding von Zielgruppen wie LGBTQ zur Verfügung gestellt. Talmundo ist eine für Mobilgeräte optimierte cloud-basierte SaaS-Plattform. 

Von der Event- zur Onboarding-App

Die "Polario.app" der Plazz AG aus Erfurt gehört zu den jüngsten Apps, die in einer Onboarding-Version erhältlich sind. Erst 2021 wurde die Wortmarke eingetragen. Ursprünglich kommt der Anbieter aus der Event- und Entertainmentbranche. Das Besondere an der App: Polario wurde als No-Code-Plattform entwickelt, was die individuelle Erstellung einer Onboarding-App für eine Organisation ganz ohne Programmierkenntnisse möglich macht. Basis dafür ist ein Content-Management-System. So ist es auch möglich, das Onboarding in eine vorhandene Mitarbeiter-App zu integrieren oder eine App gezielt für Preboarding und Onboarding zu realisieren. 

Die Preboarding-, Onboarding- und Mitarbeitenden-App von Polario gehört zum Produktbereich Campus des Unternehmens und wird als SaaS-Lösung angeboten. Der monatliche Preis richtet sich nach der Anzahl der Benutzer sowie der Laufzeit und setzt sich aus einer Set-up-Gebühr abhängig vom Distributionsweg und der Nutzungslizenz zusammen.

Dieser Artikel ist zuvor in der Zeitschrift wirtschaft + weiterbildung, Ausgabe 1/2023 erschienen.


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