So undurchsichtig war der bKV-Markt noch nie
Wir erleben bKV-Bausteine, die Mitarbeitenden Gruppen ausgrenzen, ein Krankentagegeld, das Kranke ausschließt und Tarifwerke, die so limitierend sind, dass kaum noch Leistungen übrigbleiben. Unternehmen stehen vor der Herausforderung eine qualifizierte Entscheidung bei der Produktauswahl zu treffen und tragen erhebliche Risiken.
Formen der betrieblichen Krankenversicherung
Die Auswahlmöglichkeiten für Unternehmen sind vielseitig. Die Akteure bieten Budgettarife, Einzelbausteine und Kombimodelle an.
1. Budgettarif
Bei einem bKV-Budget erhalten die Mitarbeitenden ein festes Jahresbudget, welches für viele unterschiedliche Gesundheitsleistungen investiert werden kann. Hierzu gehören u. a.:
Präventive Leistungen
- Vorsorgeuntersuchungen
- Impfungen
- Zahnprophylaxe
Kurative Leistungen
- Osteopathie
- Physiotherapie
- Sehhilfe
- Arznei- und Verbandmittel
- Zahnbehandlungen
- Zahnersatz
Der große Vorteil eines bKV-Budgets ist die sofortige Erlebbarkeit und die Flexibilität für die Belegschaft. Unternehmen entscheiden sich in der Regel für ein Gesundheitsbudget, wenn Ihnen Themen wie gesundheitliche Eigenverantwortung und Prävention besonders wichtig sind.
2. Einzelbausteine
Mit Einzelbausteinen hingegen werden Behandlungsspitzen abgefangen. Etwa wenn für Mitarbeitende ein Aufenthalt im Krankenhaus oder ein aufwendiger Zahnersatz bevorsteht. In diesen Extremsituationen unterstützt der Arbeitgebende seine Belegschaft mit spezifischen Leistungen. Zu den beliebtesten Einzelbausteinen gehören u. a.:
- Das Krankentagegeld
- Der stationäre Zusatz
- Die Zahnzusatzversicherung
In der Praxis erleben wir häufig, dass Unternehmen einen Budgettarif als Basis auswählen und sich zusätzlich für passende Einzelbausteine entscheiden. Leider erfolgen, aufgrund der fehlenden Spezialisierung von Dienstleistern, gravierende Fehler bei der Tarifwahl. Die größten Risiken für Unternehmen und Ihre Mitarbeitenden sind wie folgt:
- Tarifwerke, welche im Kleingedruckten die Hauptleistungen so stark eingrenzen, dass der Baustein kaum oder keinen Mehrwert bringt.
- Starke Reglementierung in der Kostenrückerstattung, sodass Mitarbeitende auf ihren Kosten sitzenbleiben.
- PKV-Versicherte werden in den Tarifbedingungen häufig ausgegrenzt, da der Versicherungsschutz nur für GKV-Versicherte gilt.
Formen der betriebliche Zahnzusatzversicherung
Obwohl die Ausgaben pro Kopf in den letzten Jahren aufgrund einer besseren Zahnprophylaxe und effizienter Technologien im Bereich des Zahnersatzes dazu geführt haben, dass die Kosten für den Zahnersatz insgesamt gesunken sind, bleibt die Zahnzusatzversicherung für viele Menschen weiterhin ein gewünschter Zusatz.
1. Festes Zahnbudget
Hier bucht das Unternehmen ein festes Budget, welches die Mitarbeitenden beispielsweise für Zahnersatz oder auch, je nach Tarif, für Zahnbehandlungen, -prophylaxe sowie unfallbedingte Kieferkorrekturen einsetzen können.
2. Zahnleistungen als Bestandteil des bKV-Budgets
Ein Gesundheitsbudget kann für viele unterschiedliche Leistungen eingesetzt werden. Hierzu gehören beispielsweise Zahnersatzleistungen, Zahnbehandlungen, Zahnprophylaxe und unfallbedingte Kieferkorrekturen.
Prozentuale Erstattung Zahnersatz – Zahnersatzleistungen wie bspw. Inlays, Kronen, Brücken und Implantate werden zu einem bestimmten Prozentsatz erstattet. Je nach Tarif übernehmen die Versicherer zwischen 40 Prozent bis 90 Prozent der Behandlungskosten abzüglich des Anteils der gesetzlichen Krankenversicherung. Dadurch liegt der verbleibende Eigenanteil, den die Mitarbeitenden für die Behandlung zahlen müssen, zwischen 10 Prozent bis 60 Prozent.
Darauf sollten Sie Achten, wenn Sie eine Kombination aus prozentualem Zahnersatz und einem Gesundheitsbudget wählen:
Durch eine Kombination des prozentualen Zahnersatzes und eines bKV-Budgettarifs, ergibt sich der Vorteil, dass der verbleibende Eigenanteil von 10 Prozent bis 60 Prozent aus dem Gesundheitsbudget bezahlt werden kann. Einige Versicherer am Markt lehnen diese Möglichkeit jedoch ab. Da die Anrechnung einen erheblichen Mehrwert mitbringt empfehlen wir darauf zu achten.
bKV: Zahnzusatz für privatkrankenversicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Während der prozentuale Zahnersatz in der aktuellen Tarifwelt, bis auf ganz wenige Ausnahmen, ausschließlich für gesetzlich Krankenversicherte möglich ist, kann das Zahnbudget oder ein bKV-Budget mit Zahnbausteinen auch für privat Krankenversicherte abgeschlossen werden.
Stationärer Zusatz
Der stationäre Zusatz ist eine Zusatzversicherung, die im Falle eines stationären Krankenhausaufenthalts oder auch bei ambulanten Operationen für eine medizinisch bessere Behandlung und einen komfortableren Aufenthalt der versicherten Person beiträgt.
Die wichtigsten Informationen und Leistungen zum stationären Zusatz:
- Wahlarzt (z. B. Chefarzt, Spezialarzt)
- Unterbringung und Verpflegung im Einbett- / Zweibettzimmer
- Kostenübernahme der gesetzlichen Zuzahlung bei stationärer Behandlung
- Kosten für ambulante Operationen sowie die Vor- und Abschlussuntersuchung
- Ersatz-Krankenhaustagegeld
Behandlung beim Wahlarzt – Dann aber bitte bei allen Spezialisten!
Viele Versicherer werben damit, die Mehrkosten für die Behandlung beim Wahlarzt zu übernehmen, reglementieren dies jedoch im Kleingedruckten auf das 3,5-fache des Regelsatzes der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte). Dies führt dazu, dass Spezialisten, die mit einer Honorarvereinbarung über dem 3,5-fachen der GOÄ abrechnen, ausgeschlossen werden. Nicht nur in Privatkliniken, sondern auch in Krankenhäusern mit einer starken Spezialisierung gehört diese Abrechnungsform zur Tagesordnung. Das Mitarbeitende im Ernstfall vielleicht sogar auf Ihren Behandlungskosten sitzen bleiben, ist kein Wunder. In der Regel kennen sich diese weder mit spezifischen Abrechnungsformen der Ärzte aus, noch werden sie mit Klarheit darauf hingewiesen. Um dies zu vermeiden, empfehlen wir Tarife mit dem Zusatz, dass die berechnete privatärztliche Behandlung auch über die Höchstsätze der GOÄ hinaus vom Versicherer zu 100 Prozent übernommen werden.
Behandlung beim Wahlarzt – Dann bitte durchgehend!
Der stationäre Zusatz befähigt die versicherte Person sich den jeweiligen Behandler auszuwählen, allerdings häufig nur für die stationäre OP und nicht für die Vor- und Nachsorgeuntersuchung oder ambulante Operation. Diese werden durch beliebige Ärzte begleitet, die der Patient nicht wählen kann. Das führt an dem Ziel, vom Spezialisten behandelt zu werden, vorbei. Ein stationärer Zusatz sollte daher dringend die Vor- und Abschlussuntersuchung, aber auch ambulante Operationen beinhalten, um den bestmöglichen Genesungsprozess zu gewährleisten.
Stationärer Zusatz auch für privatkrankenversicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Der Schutz gilt oft nur für gesetzlich Krankenversicherte Personen. Damit auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer PKV von dem Versicherungsschutz profitieren, lohnt sich eine ausführlicher Vergleich der unterschiedlichen Tarife. Denn es gibt einige wenige Tarife, die auch für privat Krankenversicherte gelten.
Arbeitgeberfinanziertes betriebliches Krankentagegeld
Das arbeitgeberfinanzierte betriebliche Krankentagegeld soll Arbeitnehmende, die durch Krankheit oder einen Unfall arbeitsunfähig werden, finanziell unterstützen. Dies passiert, sobald ein Beschäftigter, nach 6 Wochen Krankheit, aus der Lohnfortzahlung fällt. Diese erhalten dann ein Krankengeld von der GKV, welches 70 Prozent des Bruttolohns und max. 90 Prozent des Nettolohns entspricht.
Das Krankentagegeld kann beim Mitarbeitenden gar nicht ankommen
Der Anspruch auf Krankentagegeld aus der bKV ruht, sobald sich der Mitarbeitende in der entgeltfreien Zeit befindet, also während des Bezugs von Krankengeld. Aus der bKV, die eigentlich das verminderte Einkommen durch ein Krankentagegeld auffangen soll, erhält der Mitarbeitende nichts. Denn in dieser Phase erlischt der Versicherungsschutz, da keine Beiträge vom Arbeitgebenden entrichtet werden.
Auch hier lohnt es sich, genau ins Tarifwerk zu schauen. Der Versicherungsschutz muss “selbstverständlich” weiterhin gelten, auch wenn sich Mitarbeitende in der entgeltfreien Zeit befinden. Sonst verliert dieser seine Wirkung.
Mit der bKV zum Privatpatienten – Kostenerstattungstarif
Aktuell ermöglichen zwei bKV-Anbieter, GKV versicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Privatpatienten-Status zu heben. Was auf den ersten Blick eine erstklassige Behandlung verspricht, kann unter Umständen in Verwirrung und einem erheblichen Aufwand für die Mitarbeitenden enden.
Erheblicher Aufwand in der Rechnungseinreichung
Anders als bei der privat abgeschlossenen PKV bleibt der Mitarbeitende Mitglied seiner gesetzlichen Krankenkasse. Der Tarif der GKV wird lediglich auf das Kostenerstattungsprinzip umgestellt. Die Abrechnung des Arztes erfolgt dann künftig direkt mit dem Mitarbeitenden, welcher die Rechnung zuerst bei seiner gesetzlichen und im Anschluss bei der betrieblichen Krankenversicherung einreicht. In der Praxis führt dies leider neben dem erhöhten Aufwand auch zu langen Abrechnungszeiten, da der Patient zunächst auf die Rückmeldung seiner gesetzlichen Krankenkasse warten muss, bevor er die Rechnung final bei der betrieblichen Krankenkasse einreichen kann.
Privatpatienten-Status bei bKV: Missverständnisse sind vorprogrammiert
Der Versicherungsschutz gilt, je nach Tarif, für ambulante Behandlungen oder sogar für stationäre Aufenthalte. Häufig deckt der Kostenerstattungstarif den Bereich Zahn nicht. Auch das kann verstärkt zu Missverständnissen führen, da die versicherte Person im Rahmen einer Zahnbehandlung eine Rechnung nach GOZ erhält und diese zunächst aus eigener Tasche zahlt. Jedoch wird nur der gesetzliche Teil erstattet. Den restlichen Betrag muss der Patient selbst zahlen. Um Missverständnisse dieser Art zu vermeiden, sollte ein Kostenerstattungstarif gewählt werden, der Behandlungen im ambulanten und stationären Bereich beinhalten und zugleich jegliche Zahnbehandlungen abdeckt.
Weitere No-Gos bei Tarifen in diesem Bereich:
- Vorerkrankungen werden ausgeschlossen, wodurch das Abgrenzen einzelner Behandlungen sehr schwierig wird.
- Begrenzung in der GOÄ, sodass auch hier Zuzahlungen durch den Mitarbeitenden gefordert werden können.
Insgesamt ist das Risiko für die Mitarbeitenden, auf Kosten sitzen zu bleiben, sehr hoch. In Kombination mit dem Aufwand ist das "Upgrade" zum Privatpatienten an dieser Stelle eher unattraktiv.
Grundsätzliche Fragen und Antworten zur bKV
Können Familienangehörige mitversichert werden?
Die Möglichkeit Familienangehörige barrierefrei mitzuversichern ist ein großes Plus für Arbeitgebende und Mitarbeitende. Bei den Budgettarifen gibt es mittlerweile Tarife, die für den gleichen Preis direkt durch den Mitarbeitenden für die Familienangehörigen abgeschlossen werden können. Auch bei Einzelbausteinen besteht die Möglichkeit den Versicherungsschutz zu übertragen, jedoch häufig mit erhöhten Barrieren. Achten Sie bei der Tarifwahl darauf, dass auch Familienangehörige ohne Wartezeiten, Zahnstaffeln, Ausschlüssen oder Gesundheitsprüfung die bKV nutzen können.
Was passiert im Falle einer Beitragserhöhung?
Besonders in Hinblick auf die Sachbezugs-Freigrenze in Höhe von 50 € stellt sich häufig die Frage, was passiert, sollte der monatliche Beitrag für die bKV erhöht werden. Um dem Engpass generell vorzubeugen, empfiehlt es sich einen Puffer einzuplanen und nicht die vollen 50 € auszuschöpfen. Des Weiteren hat das Unternehmen ein Sonderkündigungsrecht und kann zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung kündigen.
Müssen alle Beschäftigten angemeldet werden?
Es ist möglich Mitarbeitenden-Gruppen zu bilden, welche einen bKV Schutz erhalten. Die Gruppenbildung muss jedoch zwingend die AGG-Konformität waren. Dies geschieht mit Hilfe einer Versorgungsordnung, welche zudem sicherstellt, dass die Belegschaft transparent und rechtsicher über die Maßnahme informiert wird. Die Umsetzung einer bKV sollte immer in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt erfolgen, der das Unternehmen dahingehend berät.
BKV auch für PKV-Versicherte sinnvoll?
Privat Krankenversicherte können ihre Behandlungen aus der bKV bezahlen. Dadurch können sie sich die Selbstbeteiligung sparen oder von einer Beitragsrückerstattung für die Nichtinanspruchnahme der PKV-Leistung profitieren. Auch ist trotz einer PKV nicht immer gewährleistet, dass Bestleistungen im Krankenhaus oder die volle Beteiligung bei Zahnersatz inkludiert sind. Während die meisten bKV-Budgettarife für PKV-Versicherte geeignet sind, gibt es wenige Einzelbausteine, die hier gelten. Ein Marktscan zeigt, dass ein hochwertiger Versicherungsschutz sowohl für GKV als auch für PKV-Versicherte möglich ist. Aus Gründen der Gleichstellung und Fairness, empfehlen wir alle Mitarbeitenden einzubeziehen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Versicherungen für Mitarbeitende – ein Überblick
Burnout und psychische Belastung: Dos und Don'ts für Führungskräfte
Sechs Benefit-Trends in der Digitalwirtschaft (personalmagazin digital)
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
1.993
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.713
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.500
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.276
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.249
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.129
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
1.031
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
709
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
514
-
Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten
390
-
Tipp der Woche: Mehr Inklusion durch KI
19.12.2024
-
Gleichstellung in Europa verbessert sich nur langsam
16.12.2024
-
Fünf Tipps für effektive Recruiting-Kampagnen zum Jahresstart
13.12.2024
-
Eine neue Krankenkasse als Zeichen der Fürsorge
11.12.2024
-
Wie Personalarbeit wirtschaftlichen Erfolg beeinflusst
10.12.2024
-
1.000 neue Fachkräfte für den Glasfaserausbau
09.12.2024
-
KI für eine inklusive Arbeitswelt
06.12.2024
-
Weihnachtsgeld: Wer bekommt wie viel?
05.12.2024
-
Mit Corporate Volunteering Ehrenamt ins Unternehmen bringen
05.12.2024
-
Die Angst vor KI lässt nach
05.12.2024